Forschung

Das lockende Licht

Das regenbogenartige Leuchten der »Hirnkoralle« (Wellsophyllia radiata) zieht Beute wie Plankton und kleine Krebse an. Foto: Getty Images/iStockphoto

Seit Jahrhunderten sind Naturliebhaber und Wissenschaftler gleichermaßen von der Tatsache fasziniert, dass manche Lebewesen im Meer leuchten können. Die Farben der wunderschönen bunten Korallen scheinen sogar in größeren Meerestiefen auf. Diese Erkenntnis über die besonderen Meeresbewohner fanden Wissenschaftler der Universität Tel Aviv (TAU) jetzt heraus. Und sie wissen heute auch, warum das so ist.

In Zusammenarbeit mit dem Steinhardt Museum für Naturgeschichte und dem Institut für Marinewissenschaften der israelischen Universitäten in Eilat wurde jetzt erstmals bewiesen, dass das magische Phänomen des Korallen-Leuchtens selbst in tiefen Riffen, in denen Korallen noch immer fluoreszieren, ein Mechanismus ist, um Beute anzulocken. Die Studie zeigt, dass die Meerestiere, denen Korallen nachstellen, die fluoreszierenden Farben erkennen und von ihnen angezogen werden.

PHÄNOMEN Durchgeführt wurde die Untersuchung von Or Ben-Zvi in Zusammenarbeit mit Yoav Lindemann und Gal Eyal unter der Leitung von Professor Yossi Loya. Das Phänomen des Leuchtens ist bei riffbildenden Korallen sehr verbreitet, die biologische Rolle jedoch war lange Zeit Gegenstand von Debatten. Im Laufe der Jahre wurden verschiedene Hypothesen getestet, darunter jene, ob dieses Phänomen vor Strahlung schützen möge, die Photosynthese optimieren solle oder ob es sich um eine antioxidative Aktivität handeln könnte.

Lange Zeit stritt die Wissenschaft über den Grund des Korallen-Leuchtens.

Eine weitere Annahme war die, dass Korallen sich auf diese Weise vor Pflanzenfressern im Meer schützen. Oder wollen sie gar selbst jemanden verspeisen? Die Forscher der TAU haben jetzt die Antwort: Das Leuchten der Korallen ist tatsächlich Köder für Beutetiere.

Sie untersuchten, ob Plankton – kleine Organismen, die mit der Strömung im Meer treiben – sowohl im Labor als auch auf See von Fluoreszenz angezogen wird. Dann quantifizierten sie im Labor die räuberischen Fähigkeiten von mesophotischen Korallen, jene, die zwischen dem flachen Riff und der tiefen, vollständig dunklen Zone des Ozeans leben. Sie weisen unterschiedliche fluoreszierende Erscheinungen auf.

Um eine mögliche Anziehungskraft des Planktons auf diese Fluoreszenz zu testen, verwendeten die Forscher unter anderem das Krebstier Artemia salina als Beute für die Korallen. Die Forscher stellten fest, dass die kleinen Krebse, wenn sie die Wahl hatten zwischen einem grün oder orange leuchtenden Ziel gegenüber einem nicht-farbigen »Kontrollziel«, eine signifikante Präferenz für das fluoreszierende Ziel zeigten. Im Gegensatz zu den Krebstieren zeigten Fische, die nicht auf der Speisekarte der Korallen stehen, diese fatale Vorliebe nicht.

EXPERIMENT In der zweiten Phase der Studie wurde das Experiment im natürlichen Lebensraum der Korallen durchgeführt. In einer Tiefe von etwa 40 Metern zogen die fluoreszierenden Fallen gar doppelt so viel Plankton an wie die durchsichtige Falle. Die Fluoreszenz wird hauptsächlich durch das blaue Licht der Meerestiefen aktiviert.

Das Ergebnis erklärt Professor Loya: »Viele Korallen zeigen ein fluoreszierendes Farbmuster, das ihre Münder oder Tentakelspitzen hervorhebt. Eine Tatsache, die die Idee unterstützt, dass Fluoreszenz ebenso wie Biolumineszenz – die Erzeugung von Licht durch eine chemische Reaktion – als Mechanismus fungiert, um Beute anzuziehen.«

Kleine Krebstiere zeigten eine signifikante Vorliebe für die fluoreszierenden Farbmuster.

Die Studie beweist, dass das leuchtende und farbenfrohe Aussehen von Korallen als Köder wirken kann, um schwimmendes Plankton anzulocken, und zwar insbesondere in dunklen Lebensräumen, in denen die Korallen zusätzlich oder als Ersatz für die Photosynthese andere Energiequellen benötigen. »Wir gehen davon aus, dass diese Annahme, die wir Lichtfallen-Hypothese nennen, auch auf andere fluoreszierende Organismen im Meer zutreffen könnte«, führt Ben-Zvi aus, »und dass dieses Phänomen eine größere Rolle in Meeresökosystemen spielt, als bisher gedacht.«

naturschützer Allerdings sind die Korallen im Roten Meer in Gefahr. Denn schon bald sollen Tanker im Hafen von Eilat Rohöl anliefern und in eine vorhandene Pipeline des Unternehmens Eilat Ashkelon Pipeline Company (EAPC) speisen. Israelische Naturschützer sehen das Abkommen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten als drohende Umweltkatastrophe. Mehrere Experten warnen vor möglichen undichten Stellen und Lecks im alten Hafen der israelischen Badestadt.

Während Korallenpopulationen weltweit unter dem Effekt des »Bleichens« aufgrund der Erwärmung der Gewässer leiden, sind die Korallen in Eilat relativ stabil durch ihre außergewöhnliche Resistenz. Nadav Shashar, der Leiter der Fakultät für Marinebiologie und -biotechnologie an der Ben-Gurion-Universität im Campus Eilat, gibt jedoch zu bedenken: »Die Infrastruktur im Hafen ist nicht dafür ausgerichtet, Unfälle zu vermeiden.« Und die bezaubernden Korallenriffe beginnen lediglich 200 Meter von der Stelle entfernt, an der das Öl entladen werden soll.

Jerusalem

Bischof Azar bedauert Irritation durch »Völkermord«-Äußerung

Weil er in einem Gottesdienst in Jerusalem von »Völkermord« an den Palästinensern sprach, hat der palästinensische Bischof Azar für Empörung gesorgt. Nun bedauert er, dass seine Worte Irritation ausgelöst haben

von Christine Süß-Demuth  07.11.2025

Diplomatie

Kasachstan will sich den Abraham-Abkommen anschließen

US-Präsident Donald Trump kündigte den Schritt wenige Tage vor dem Besuch des saudischen Kronprinzen im Weißen Haus. Auch Saudi-Arabien solle seine Beziehungen zu Israel normalisieren, so die Hoffnung des US-Präsidenten

 07.11.2025

Israel

Spion auf vier Rädern

Israels Armee mustert ihre Dienstfahrzeuge »Made in China« aus. Der Grund: Sie könnten ein Risiko für die nationale Sicherheit sein

von Ralf Balke  07.11.2025

Ko Pha Ngan

Thailand: Israelisches Paar hat in der Öffentlichkeit Sex - und wird verhaftet

Die Hintergründe

von Sabine Brandes  06.11.2025

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Kommentar

Warum Zürichs Entscheid gegen die Aufnahme von Kindern aus Gaza richtig ist

Der Beschluss ist nicht Ausdruck mangelnder Menschlichkeit, sondern das Ergebnis einer wohl überlegten Abwägung zwischen Sicherheit, Wirksamkeit und Verantwortung

von Nicole Dreyfus  06.11.2025

Geiselhaft

»Sie benutzten mich wie einen Boxsack«

Die befreite Wissenschaftlerin Elisabeth Tsurkov berichtet über »systematische Folter und sexuelle Gewalt« durch die Entführer im Irak

von Sabine Brandes  06.11.2025

Gaza

Ex-Geisel Rom Braslavski: »Ich wurde sexuell missbraucht«

Es ist das erste Mal, dass ein aus der Gewalt der Terroristen freigekommener Mann über sexuelle Gewalt berichtet

von Sabine Brandes  06.11.2025

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

 06.11.2025 Aktualisiert