Hamas

»Damit die Welt versteht, was wirklich geschehen ist«

Die Geisel Guy Gilboa-Dalal in einem Propagandavideo der Hamas Foto: Screenshot

Inhaltswarnung: Dieser Bericht enthält detaillierte Beschreibungen von sexueller Gewalt.

Nachdem vor einigen Tagen in israelischen Medien zum ersten Mal darüber berichtet wurde, dass die freigelassene Geisel Guy Gilboa-Dalal von einem Hamas-Terroristen sexuell missbraucht wurde, ist am Freitagabend das gesamte Interview im israelischen Sender zwölf ausgestrahlt worden. Detailliert berichtet der 24-Jährige darin, was ihm in Gaza angetan wurde. Es sind zutiefst schockierende Schilderungen – und gleichzeitig ist es das Zeugnis eines mutigen jungen Mannes, der nicht mehr schweigen will.

Gilboa-Dalal wurde am 13. Oktober nach 738 Tagen in Hamas-Gefangenschaft freigelassen, nachdem er am 7. Oktober 2023 auf dem Nova-Musikfestival entführt worden war. Bei dem Massaker der Hamas am sogenannten »Schwarzen Schabbat« wurden in südlichen Gemeinden Israels mehr als 1200 Menschen ermordet und 251 als Geiseln nach Gaza verschleppt.

Der sexuelle Missbrauch durch einen seiner Entführer habe stattgefunden, nachdem Gilboa-Dalal duschen durfte. »Anschließend brachte er mich in sein Zimmer, fesselte mir Augen und Hände und sagte: ›Du hast schon lange keine Mädchen mehr gesehen, stimmt’s? Du siehst dir Pornos an, du willst Pornos anschauen, du willst, dass wir zusammen ein Pornovideo drehen?‹«

Terrorist verbat ihm, sich wieder anzuziehen

Dann habe er sich hinter die Geisel gestellt. »Er kam hinter mich, berührte mich überall, küsste meinen Hals und Rücken. Ich erstarrte. Er sagte, er würde mich lieben. All das war extrem verstörend.«

Der Terrorist habe ihm verboten, sich nach der Dusche anzuziehen und sich dann selbst die Hose ausgezogen. »Ich sagte ihm: ›Das ist doch ein Witz, oder? Das ist im Islam verboten. Du bist Muslim, das ist verboten.‹ Ich sah ihn nicht, denn er war hinter mir. Und dann rieb er mehrere Minuten lang sein Geschlechtsteil an meinem Hinterteil. Ich erstarrte. Ich wusste in diesem Moment einfach nicht, was ich tun sollte.«

Anschließend habe der Terrorist seine Hand auf das Herz des Israeli gelegt. »Mein Herz raste. Er fragte: ›Was, hast du Angst?‹ Ich bejahte. Dann drückte er mir ein Gewehr an den Kopf und ein Messer an die Kehle und warnte mich, dass er mich töten würde, wenn ich jemandem davon erzählte«, so die grausamen Schilderungen.

Wie einen verzweifelten Appell an sich selbst fügte er hinzu: »Ich musste das nicht nur ertragen, sondern durfte es außerdem mit niemandem teilen. Alles musste ich für mich behalten.«

Guy Gilboa-Dalal: »Sollte ich allein sein, könnte das ein Dauerzustand werden.«

Anschließend habe der Terrorist ihn in das Gebäude zurückgebracht, wo die anderen Geiseln gefangen gehalten wurden. »In diesem Moment dachte ich: ›Ich weiß nicht, ob ich immer mit ihnen zusammen bin. Sollte ich allein sein, könnte das ein Dauerzustand werden. Es könnte sich verschlimmern, mit mehr Schlägen, mehr Gewalt, mehr Übergriffen.‹ Ich hatte große Angst. Denn ich konnte nirgendwo hin.«

Der sexuelle Übergriff sei allerdings »das letzte Mal« gewesen, wie er sagte. »Zum Glück gab es gab keinen weiteren Vorfall, bei dem er ohne andere Kidnapper allein mit uns war«, so Gilboa-Dalal. Dennoch sei ihm die Angst, dass es jederzeit wieder geschehen konnte, »nicht mehr aus dem Kopf gegangen«.

Er fügte hinzu, dass es für ihn »unglaublich schwer« gewesen sei, den sexuellen Missbrauch für sich zu behalten. »Aber ich hatte panische Angst, dass es mit mir vorbei wäre, wenn es jemand herausfände. Und dass ich es dann nicht mehr nach Hause schaffen würde.« So beschloss der junge Mann, dass er es doch erzählt, und wandte sich an seine Mitgeisel Tal Shoham. Er war einige Jahre älter und zu einer Art Vaterfigur für die mit ihm gefangenen verschleppten jungen Männer geworden.

»Ich sagte ihm, er solle meiner Familie nur etwas darüber mitteilen, wenn ich tot bin. Es war mir wichtig, sie erfahren, dass - falls ich nicht zurückkäme - die Wahrscheinlichkeit sehr groß war, dass dies der Grund ist, warum ich getötet wurde.« Er habe gedacht, fügte er mit leiser Stimme hinzu, »dass ich mich irgendwann dagegen wehren würde, dass ich irgendwann … Ich wusste einfach nicht, was ich tun würde …«

Terroristen seien psychisch völlig labil gewesen

Er beschrieb auch andere Fälle von Gewalt, Perversion und Misshandlung. »Die Terroristen, die uns bewachten, waren psychisch völlig labil. Sie konnten in einem Moment ruhig und im nächsten ganz grausam sein.«

»Man kann dort leicht den Verstand verlieren. Es war ein schmaler Korridor, alles grau«, berichtete er weiter. Doch er habe alles versucht, um geistig aktiv zu bleiben, habe Arabisch gelernt, über den Islam und Koran. »Selbst wenn ich nur so tat, als würde ich konvertieren, um mich gut zu stellen.«

Die ehemalige Geisel erzählte auch, dass er von seinen Entführern »absichtlich ausgehungert wurde und nur ein Pitabrot pro Tag bekam«, während die Terroristen gegessen hätten. »Und es war nicht nur ein Hungergefühl oder Magenknurren, es war eine Schwäche, die sich im ganzen Körper ausbreitete. Man konnte sich nicht bewegen, ohne Schmerzen zu haben, man konnte nicht stehen, ohne dass einem schwarz vor Augen wurde. Es war ein körperlicher Verfall. Ein langsamer Tod.«

Präsident Herzog: »Seine Bereitschaft, vor der Kamera zu sprechen, seine Wunden zu zeigen und die unfassbare Grausamkeit zu beschreiben, der er ausgesetzt war, zeugt von außergewöhnlichem Mut.«

Der israelische Präsident Isaac Herzog schrieb nach der Ausstrahlung des Interviews auf X: »Es war herzzerreißend, über die Gräueltaten zu hören, die Guy Gilboa Dalal schilderte. Seine Bereitschaft, vor der Kamera zu sprechen, seine Wunden zu zeigen und die unfassbare Grausamkeit zu beschreiben, der er ausgesetzt war, zeugt von außergewöhnlichem Mut.«

Die Welt müsse seine erschütternde Aussage hören, erkennen, dass Hamas-Terroristen entsetzliche sexuelle Übergriffe begangen haben, und verstehen, dass die systematische und anhaltende sexuelle Gewalt, die am 7. Oktober begann, auch danach andauerte, hob der Präsident hervor.

»Guy, du lehrst uns eine wichtige Lektion. Du bringst Licht in die schreckliche Dunkelheit der Tunnel, damit die Welt versteht, was dort wirklich geschehen ist«, schloss Herzog. »Du bist ein junger Mann, der eine schreckliche Last trägt - die niemand jemals tragen sollte.«

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