Pandemie

Charedische Schulen öffnen illegal

Ultraorthodoxe Kinder auf dem Schulweg in Jerusalem Foto: Flash90

Nachdem die ersten Erleichterungen des Lockdowns umgesetzt sind, ist es in der Regierung zu einem Streit wegen der Öffnung der Schulen gekommen. Genauer gesagt, der charedischen Bildungseinrichtungen. Am Sonntag hatten Hunderte von ultraorthodoxen Schulen illegal ihre Pforten geöffnet, die meisten in sogenannten »roten« Orten mit hoher Covid-19-Infektionsrate, obwohl lediglich Kindergärten und -krippen wieder betrieben werden dürfen.  

SCHULEN Die Abriegelung des Landes ist zwar wegen der stark gesunkenen Infektionsrate von derzeit etwa drei Prozent teilweise gelockert, doch der Lockdown besteht nach wie vor in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens, inklusive der Schulen landesweit.  

Der Knessetabgeordnete Mosche Gafni von der charedischen Partei Vereinigtes Tora-Judentum will davon jedoch nichts wissen. Er machte nach eigenen Angaben klar, »dass die Schulen entsprechend der Anordnung eines führenden Rabbiners geöffnet bleiben«. Gesundheitsminister Yuli Edelstein drohte daraufhin mit dem Entzug von Fördergeldern.

»Wir glauben nicht, dass der Größte seiner Generation einen Fehler macht.«

Abgeordneter Moshe Gafni

Die Partei Vereinigtes Tora-Judentum stellt sich damit als Mitglied der Koalition gegen das Gesetz und die Anordnungen der Regierung, deren Teil sie ist. Doch für Gafni hat das Wort von Rabbiner Chaim Kanievsky mehr Bedeutung als das Gesetz: »Wir glauben nicht, dass der Größte seiner Generation einen Fehler macht.«

Kanievsky, das religiöse Oberhaupt der Strömung der Litauer, hatte den Bildungseinrichtungen aufgetragen, die Kinder und Jugendlichen ab Sonntag wieder in den Klassenräumen zu unterrichten. Er rief seine Anhänger allerdings dazu auf, sich an die Regeln der sozialen Distanz zu halten. Kanievsky selbst ist derzeit am Coronavirus erkrankt.

STRAFEN Während Regierungschef Benjamin Netanjahu auf die Rebellion in den Regierungsreihen lediglich mit allgemeinen Kommentaren zur Notwendigkeit, sich an die Regeln zu halten, reagierte, wurde Edelstein deutlicher. Er drohte mit »hohen Strafen« für die Schulen, einer möglichen Aufhebung ihrer Lizenzen und dem Ende der Fördergelder für die Institutionen. »Niemand hat die Genehmigung zur Öffnung erteilt. Wer dies tut, kann mit Strafen rechnen«, so Edelstein.

Er fügte hinzu, dass er Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit kontaktiert und zum Stopp der Gelder befragt habe. Der Minister forderte zudem die Polizei auf, die Strafen von rund 5000 Schekel (umgerechnet 1250 Euro) wiederholt zu verhängen. »Eine einzige Strafe hat kaum Bedeutung für große Einrichtungen.«  

»Ich würde Bildungseinrichtungen, die sich nicht an die Regeln halten, eine Strafe von 100.000 Schekeln auferlegen.«

Oppositionsführer Yair Lapid

Verschiedene Politiker aus Regierungs- und Oppositionskreisen pflichteten dem bei und äußerten die Sorge, dass die vorschnelle Öffnung zu einem erneuten extremen Anstieg der Covid-Fälle führen könnte, darunter Wissenschaftsminister Yizhar Shay (Blau-Weiß) und Oppositionsführer Yair Lapid von Jesch Atid.

PREMIERMINISTER Lapid meint: »Wenn ich jetzt Premierminister wäre, würde ich sicherstellen, dass Bildungseinrichtungen, die sich nicht an die Regeln halten, keine Strafe von 5000 Schekeln bekommen, sondern eine von 100.000. Außerdem sollten sie nicht einen Schekel mehr von der Regierung erhalten.«

Ein Beamter im Gesundheitsministerium machte klar, dass die illegale Öffnung ein Rezept für einen dritten Lockdown sei. Nach dem Lockdown im Frühjahr war in Israel das öffentliche Leben nicht schrittweise, sondern ad hoc geöffnet worden. Die Infektionsraten waren anschließend in die Höhe geschnellt und hatten für den zweiten Lockdown gesorgt, der am 18. September begonnen hatte.

JAHRGÄNGE Viele der betreffenden Schulen befinden sich in »roten« Städten wie Bnei Brak, Beitar Illit und verschiedenen Jerusalemer Vierteln, in denen überwiegend charedische Juden leben. Dort sind die Infektionsraten noch immer wesentlich höher als im Rest des Landes.

Sämtliche Schulen in anderen Gegenden sind entsprechend der Vorgaben im Lockdown seit Wochen geschlossen. Es heißt, dass Jahrgänge über der dritten Klasse erst im Dezember oder sogar Januar wieder in den Klassenräumen lernen dürfen.

Verteidigungsminister Benny Gantz kam am Montag mit Bürgermeistern der entsprechenden Städte zusammen und forderte sie auf, dafür zu sorgen, dass sich die Bevölkerung an die Gesundheitsregulationen hält. »Es kann nicht sein, dass es zwei Nationen innerhalb von Israel gibt. Das ist gefährlich – aus medizinischer und sozialer Hinsicht.«

Wirtschaft

Netanjahus unglücklicher »Sparta«-Vergleich

Israels Premierminister spricht in einer Rede von wirtschaftlicher Isolation und sieht sein Land in einer ähnlichen Situation wie einst der griechische Stadtstaat. Politik und Märkte reagieren unerwartet heftig

von Sabine Brandes  18.09.2025

Israel

Zwei Tote bei Anschlag an Grenze zu Jordanien

Der Angreifer ist offenbar in einem Lastwagen angekommen, der humanitäre Hilfsgüter für den Gazastreifen transportierte. Der Anschlag könnte laut Medien auch Auswirkungen auf Gaza-Hilfen haben

 18.09.2025 Aktualisiert

Nachruf

Sie trug ein strassbesetztes Krönchen

Tovia Ringer überlebte die Konzentrationslager Groß-Rosen und Schömberg, bevor sie 1948 nach Israel emigrierte. Nun ist die »Miss Holocaust Survivor 2018« im Alter von 102 Jahren gestorben

von Sara Klatt  18.09.2025

Kurznachrichten

Hotel, Datteln, Pilger

Meldungen aus Israel

von Sabine Brandes  18.09.2025

Tel Aviv

Israel: Entwicklung von Laser-Abwehrwaffe abgeschlossen

Das Hochleistungs-Lasersystem »Iron Beam« markiert einen Wendepunkt: Präzise, schnell und überraschend günstig. Wie verändert dies Israels Schutz vor Bedrohungen aus feindlichen Ländern der Region?

 18.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  18.09.2025 Aktualisiert

Gaza

»Gebt mir mein Mädchen zurück!«

Ifat Hayman fleht, dass ihre Tochter Inbar, die letzte weibliche Geisel der Hamas, zur Bestattung zurückgebracht wird

von Ifat Hayman  17.09.2025

Europäische Union

Wie die EU-Kommission Israel sanktionieren will

Ursula von der Leyens Kommission will Israel alle Handelsvergünstigungen streichen. Doch eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten ist (noch) nicht in Sicht. Die Hintergründe

von Michael Thaidigsmann  17.09.2025

Israel

»The Sea« erhält wichtigsten israelischen Filmpreis

In Reaktion auf die Prämierung des Spielfilms über einen palästinensischen Jungen strich das Kulturministerium das Budget für künftige »Ophir«-Verleihungen

von Ayala Goldmann  17.09.2025