»Was, wenn es Ihr Sohn wäre?« Diese Frage stellte Leah Goldin am 13. September 2019 vor dem UN-Menschenrechtsrat, als sie vor dem Gremium über ihr Kind sprach: Hadar, der 2014 mit 23 Jahren von palästinensischen Terroristen gekidnappt und ermordet wurde. Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Tzur war Hadar Soldat in der israelischen Armee.
Während der Operation »Protective Edge« war Hadars Einheit an der Grenze zu Gaza stationiert. Nur wenige Stunden nach einer durch die UN und die USA vermittelten Waffenpause wurde Hadar Goldin erschossen und in einen Tunnel der Hamas verschleppt, wie Tzur Goldin einst in einem Interview berichtete.
Tzurs Einheit befand sich ganz in der Nähe der seines Bruders Hadar. Eine ihrer Aufgaben war es unter anderem, verwundete IDF-Soldaten zu retten. Eine andere, sich um circa 30 Palästinenser, die von der Hamas als menschliche Schutzschilde benutzt wurden, zu kümmern.
Seit sieben Jahren kämpft die Familie nun darum, dass Hadar Goldin und auch der ebenfalls 2014 verschleppte und getötete Soldat Oron Shaul zu ihren Familien zurückkehren.
Ägypten »Meine Zwillinge gingen als junge Offiziere nach Gaza, und während Tzur die menschlichste aller Aufgaben leistete, brach die Hamas die Waffenruhe und tötete meinen Sohn. Es ist an der Zeit, unsere Jungen nach Hause zu bringen.«
Mit diesem eindringlichen Appell hat sich Leah Goldin am Dienstagnachmittag an die Öffentlichkeit gewandt. In einem Zoom-Gespräch, an dem auch der ehemalige IDF-Oberst und Verhandlungsexperte Lior Lotan teilnahm, erklärte Goldin, warum gerade jetzt das Zeitfenster ist, um endlich etwas zu unternehmen.
Der israelische Außenminister Gabi Ashkenazi war am vergangenen Sonntag nach Kairo gereist, um mit seinem ägyptischen Amtskollegen Sameh Shukry unter anderem über einen Waffenstillstand zwischen der Terrororganisation Hamas und Israel zu sprechen. Als Thema soll auch die Freigabe der Leichen von Hadar Goldin und Oron Shaul auf der Agenda stehen.
Tzur Goldin twitterte am Mittwochmorgen, dass die Verhandlungen zur letzten Operation »Shomer Chomot« bereits im Gange seien. »Hinter unserem Rücken. Es scheint, dass die Waffenruhe und der Wiederaufbau Gazas wohl ohne unsere Forderung, unsere Söhne nach Hause zu bringen, fortgesetzt werden.« Jetzt werde man die nächste Stufe im Kampf betreten. Jeder, der sich dafür interessiere, solle mitmachen, denn jetzt sei die Zeit dafür, endete der Tweet.
Leah Goldin sagte, dass auch beim Treffen zwischen dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump und dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un offenbar die Freilassung des gefangengehaltenen und im Wachkoma liegenden amerikanischen Studenten Otto Warmbier als Bedingung gegolten habe, das Treffen stattfinden zu lassen. Beispiele, wie man es machen könne, gebe es also.
Begräbnis Natürlich sei eine aktuelle Verhandlung über humanitäre Themen wichtig, aber das Anliegen der Familien sei auch humanitär. »Ich möchte meinem Sohn ein würdiges Begräbnis geben«, betonte Goldin, die mit Blick auf eine mögliche neue Regierung sagte: »Wer auch immer unser neuer Premierminister sein wird, sollte etwas tun.« Sonst gewinne der Terror. Seit zwei Jahren gebe es in Israel ein politisches Durcheinander, sagte Goldin. Als Tochter von Schoa-Überlebenden liebe sie ihr Land, aber die Verzweiflung darüber, dass nicht mehr getan würde, nagt an Goldin.
»Ich bin erschöpft«, sagt Goldin, aber ihre Kraft komme von all den Müttern, die in ähnlichen Situationen sind. Kurz vor der Covid-Pandemie war Goldin in Genf und sprach dort mit einer australischen Politikerin, die ihr viel Mut machte. »Sie sagte ich stehe für alle Mütter in der Welt.«