Wahlen

Bisher höchste Beteiligung seit 1999

Foto: picture alliance / AA

Die fünfte Parlamentswahl in Israel in nur dreieinhalb Jahren wird erneut zur Zitterpartie. Die beiden politischen Hauptrivalen - Ministerpräsident Jair Lapid und Oppositionsführer Benjamin Netanjahu - kämpften am Tag der Wahl noch um jede Stimme.

Dabei zeichnete sich am Dienstag die höchste Wahlbeteiligung seit Jahrzehnten ab - welchem politischen Lager die Mehrwähler nutzen werden, war am Nachmittag jedoch noch unklar. Nach Angaben des Zentralen Wahlkomitees lag die Beteiligung bis 13.00 Uhr (MEZ) bei 38,9 Prozent - die bisher höchste seit 1999.

Gegner mobilisieren Wählerschaft

Der frühere Langzeit-Regierungschef Netanjahu strebt mit Hilfe eines rechtsextremen Parteien-Bündnisses sein Comeback an. Bei seiner Stimmabgabe zeigte sich der 73-Jährige allerdings »etwas besorgt«, ob ihm das auch gelingen wird. Der Vorsitzende der rechtskonservativen Likud-Partei wies daraus hin, dass die Wahlbeteiligung in Hochburgen der politischen Konkurrenz bislang höher sei. Er hoffe dennoch, den Tag »mit einem Lächeln zu beenden«. An seine Anhänger appellierte der Politiker mit dem Spitznamen »Bibi«, sofort an die Urnen zu gehen.

Auch sein Kontrahent Lapid rief vor Abgabe seiner Stimme zum Wählen auf. »Geht heute wählen, für die Zukunft unserer Kinder, für die Zukunft unseres Staates, wählt gut, und viel Erfolg uns allen«, sagte der 58 Jahre alte Vorsitzende der liberalen Zukunftspartei. Zuvor hatte er das Grab seines Vaters Josef (Tommy) Lapid besucht, eines Holocaust-Überlebenden, der als Journalist und Politiker bekannt geworden war.

Mit Schließung der Wahllokale werden gegen 21.00 Uhr (MEZ) erste Prognosen auf Basis von Nachwahlbefragungen veröffentlicht. Ein klares Bild des Wahlausgangs wird jedoch erst nach Auszählung der Stimmen erwartet. Mit dem Endergebnis wird nicht vor Donnerstag gerechnet.

Zwei große Lager - für und gegen Netanjahu

Nach jüngsten Umfragen könnte Netanjahus Likud-Partei zwar wieder stärkste Kraft werden. Ungewiss ist dennoch, ob sich sein rechts-religiöses Lager insgesamt eine Mehrheit der 120 Sitze im Parlament sichern können wird. Es wird wieder mit einer möglichen Pattsituation zwischen dem Lager Netanjahus und dem seiner Gegner unter Führung Lapids gerechnet. Sollte es keine klare Mehrheit geben, würde Lapid vorerst im Amt bleiben. Sollte eine Regierungsbildung scheitern, könnte eine weitere Neuwahl im Frühjahr nötig werden. 

Lapids Lager umfasst Parteien vom rechten bis zum linken Spektrum. Der 58-Jährige hat sich für die Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates ausgesprochen. Sein Lager eint aber vor allem der Wille, eine Rückkehr Netanjahus zu verhindern. Gegen den 73-Jährigen läuft derzeit ein Korruptionsverfahren.

Arabische Parteien und Rechtsextreme beeinflussen Wahlausgang

Als entscheidend gilt die Wahlbeteiligung der arabischen Bevölkerung. Die arabische Minderheit macht etwa 20 Prozent der rund 9,4 Millionen Bürger Israels aus. Sollte eine der kleineren Parteien im Lapid-Lager nicht die 3,25-Prozent-Hürde knacken, könnte dies den Weg zur rechtesten Regierung in der Geschichte Israels ebnen. Das rechtsextreme Bündnis von Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir, die Religiös-Zionistische Partei, gilt als möglicher Königsmacher. Umfragen zufolge könnte ihre Partei als drittstärkste Kraft aus der Wahl hervorgehen. Eine solche Koalition könnte Netanjahu durch Gesetzesänderungen dabei helfen, seinem Korruptionsprozess zu entkommen.

Die Parteienlandschaft in Israel ist stark zersplittert und interessengeleitet. Auch Parteien aus ähnlichen Lagern sind oft nicht bündnisfähig. Neben inhaltlichen Differenzen liegt dies auch an persönlichen Streitigkeiten. So gilt etwa Netanjahus Verhältnis zu anderen Hauptfiguren des rechten Lagers als extrem schlecht. 

Politische Dauerkrise

Israel befindet sich seit 2019 in einer Dauerkrise. Die vergangenen Wahlen hatten oft zu unklaren Mehrheitsverhältnissen geführt. Die aktuelle Acht-Parteien-Koalition unter Ministerpräsident Naftali Bennett war im Juni zerbrochen, nachdem sie nach nur zwölf Monaten ihre Mehrheit verloren hatte. Im Anschluss übernahm Außenminister Lapid den Posten des Regierungschefs.

Präsident Isaac Herzog bestimmt nach der Wahl, wer den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Der Kandidat hat dann vier Wochen Zeit, eine Koalition zu bilden. Wie nach der Wahl im letzten Jahr könnte es Wochen oder Monate dauern, bis eine Regierung steht. dpa

Jerusalem

Netanjahu sieht »historischen Wandel« in Rüstungskooperation

»Nicht nur Deutschland arbeitet für die Verteidigung Israels, sondern Israel, der jüdische Staat, arbeitet 80 Jahre nach dem Holocaust für die Verteidigung Deutschlands«, sagt der Ministerpräsident

 08.12.2025

Gaza

Wie die Hamas Hilfsorganisationen gefügig machte

Einer Auswertung von »NGO Monitor« zufolge konnten ausländische Organisationen in Gaza nur Hilsprojekte durchführen, wenn sie sich der Kontrolle durch die Hamas unterwarfen

von Michael Thaidigsmann  08.12.2025

Israel

Drei Brüder werden an einem Tag Väter - von vier Kindern

Zwillinge inklusive: Drei Brüder und ihre Partnerinnen schenken den Großeltern an einem Tag vier Enkel. Wie es zu diesem seltenen Familienglück kam

von Sara Lemel  08.12.2025

Meinung

Eurovision: Mobbing statt Musik

Eigentlich versteht jeder, dass Musiker nicht mit ihren Regierungen identisch sind. Wenn es um den jüdischen Staat geht, scheint diese Logik jedoch nicht zu gelten

von Sabine Brandes  07.12.2025

Israel

Ein zarter Neuanfang

Bei seinem Antrittsbesuch in Jerusalem wollte Bundeskanzler Friedrich Merz das zuletzt stark belastete Verhältnis zum jüdischen Staat kitten. Ist es ihm gelungen? Eine Analyse

von Philipp Peyman Engel  07.12.2025

Gesellschaft

»Hamas hält letzte Geisel als Faustpfand«

Anti-Regierungsproteste lösen die wöchentlichen Kundgebungen zur Befreiung der Geiseln ab

von Sabine Brandes  07.12.2025

Jerusalem

Netanjahu: »Stellen Sie sich vor, jemand würde Deutschland vernichten wollen«

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz lobte der Premierminister Bundeskanzler Merz als verständigen Gesprächspartner und rechtfertigte Israels hartes Vorgehen gegen die Hamas

 07.12.2025 Aktualisiert

Gaza

Clanchef und Hamas-Gegner Abu Shabab ist tot

Der Milizanführer Yasser Abu Shabab sei am Wochenende bei einem »internen Streit« erschossen worden, heißt es

von Sabine Brandes  07.12.2025

Geschichte

Heimat für die Jeckes

Das »Museum des deutschsprachigen jüdischen Erbes« bekommt an der Universität Haifa ein neues Zuhause

von Sabine Brandes  07.12.2025