Interview

»Bewusste Drohungen«

Samuel Barnai Foto: privat

Herr Barnai, die ukrainische Botschaft in Israel bezeichnet die »neutrale Haltung« Jerusalems als »prorussisch«. Zu Recht?
Zumindest teilweise ist diese Kritik berechtigt, die Politik Jerusalems ist in der Tat problematisch. Zwar ist sie in erster Linie »pro Israel«, doch damit spielt sie leider manchmal in Russlands Hände. Präsident Wladimir Putin will diese Neutralität, eine aktive Haltung wäre nicht in seinem Interesse. Denn dabei könnte sich die israelische Regierung in der internationalen Gemeinde und den entsprechenden Foren für die Ukraine aussprechen und Verteidigungswaffen liefern. Doch Moskau hat Werkzeuge, um das zu verhindern.

Welche Werkzeuge könnten das sein?
Es geht um die militärischen Aktionen von Israel in Syrien, wo auch russische Kräfte mitmischen. Die Luftwaffe braucht Handlungsspielraum, um die iranischen und anderen Feindesmächte dort zu bekämpfen. Doch es geht auch um die Juden in Russland. Die Andeutungen in dieser Hinsicht nehmen zu und werden immer deutlicher. Es begann mit dem angekündigten Verbot der Jewish Agency über  Rabbiner Pinchas Goldschmidt, der nach Kritik an Russland aus dem Land fliehen musste, bis zu Putins Äußerungen zu Selenskyjs Jüdischsein. Da werden Grenzen überschritten. Meiner Meinung nach sind das bereits mögliche, bewusst eingefädelte Drohungen gegen die jüdischen Gemeinde.  

Im Wahlkampf hatte Premier Benjamin Netanjahu in Erwägung gezogen, die Ukraine mit Verteidigungswaffen zu beliefern. Was ist daraus geworden?
Der Wahlkampf ist vorbei, und Netanjahu hat es vergessen.

Gibt es überhaupt eine offizielle Politik Jerusalems in Sachen Russland und Ukraine?
Die Politik der derzeitigen Regierung ist eine des Vermeidens. Man sagt nichts, was den Kreml verärgern könnte. Netanjahu scheint im Neutralgang. Bei der vorherigen Regierung gab es den ehemaligen Premier Naftali Bennett, der versuchte zu vermitteln, damit der Krieg beendet wird. Sein Nachfolger Yair Lapid verurteilte beispielsweise die Morde in Butscha als »Verbrechen gegen die Menschlichkeit«.

Was könnte passieren, wenn sich Israel deutlicher gegen Russland aussprechen würde?
Russland hat einige Möglichkeiten, um Israel das Leben zu erschweren. Putin könnte etwa in Syrien und im Iran die Infrastrukturen für Terror verbessern, bei arabischen Nationen gegen uns Stimmung machen und die Bemühungen um Normalität zerstören. Nicht zu vergessen natürlich die latenten Bedrohungen gegen die jüdische Gemeinde.

Sollte Jerusalem Ihrer Meinung nach dennoch den Kurs ändern?
Ich würde es tun und hoffe auch, dass Israel es tut. Wir sollten auf der Seite der Guten stehen und aller, die die Demokratie in der Ukraine unterstützen. Wir müssen keine Angriffswaffen schicken, aber wir dürfen es Putin nicht erlauben, die Ukrainer zu töten. Das Senden von Raketenabwehr-Systemen wäre somit ein echter Fall von »Pikuach Nefesch«.

Mit dem Dozenten am Institut für Europastudien der Hebräischen Universität in Jerusalem sprach Sabine Brandes.

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