In Israel verdichten sich die Hinweise darauf, dass Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor einem bevorstehenden Krieg gewarnt wurde.
»Ynet« und andere israelische Medien berichten, Ronen Bar, der Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, habe den Regierungschef im Juli 2023 darauf hingewiesen, dass ein bewaffneter Konflikt unausweichlich sei, solange das Land so regiert werde, wie dies zu dem Zeitpunkt der Fall gewesen sei.
Dem Bericht zufolge bat Ronen Bar am 23. Juli, – zweieinhalb Monate vor den Massakern des 7. Oktober und einen Tag vor der ersten Knesset-Abstimmung zur höchst umstrittenen Justizreform – um ein Treffen mit Netanjahu.
Schwäche und Gelegenheit
Bar erklärte Netanjahu demnach, dass er die israelische Gesellschaft mit diesem Vorhaben spalte. Israels Feinde sähen darin eine Schwäche und eine Gelegenheit, das Land anzugreifen. Damit werde es zu einem Krieg kommen.
Dem »Ynet«-Bericht zufolge sagte Bar dem Ministerpräsidenten: »Heute warne ich Sie vor Krieg. Wir wissen lediglich nicht, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit er ausbrechen wird.« Dieselbe Warnung soll Bar dem Oppositionspolitiker Jair Lapid gegenüber geäußert haben.
Ronen Bar ging demnach »wahrscheinlich« davon aus, dass der bevorstehende Krieg entweder im Norden ausbrechen würde, mit der Terrororganisation Hisbollah im Libanon, oder in Form einer dritten Intifada im Westjordanland. Ein großer Krieg mit der ebenfalls vom Iran unterstützten Hamas wurde offenbar nicht erwartet.
Vernachlässigter Schutz
Das Büro von Netanjahu bestritt den Inhalt des Berichts. Der Ministerpräsident habe keine Warnung vor einem Krieg erhalten, weder am angegebenen Tag, noch zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 7. Oktober um 6:29 Uhr. In diesem Moment begann die große Terrorattacke der Hamas im Süden Israels, bei der 1200 Menschen ermordet und 250 verschleppt wurden.
Dass generell Warnungen vor Krieg ausgesprochen wurden, bestreitet Netanjahus Büro nicht. Einer Aufarbeitung des 7. Oktober und der Frage, wie es dazu kommen konnte, dass der Schutz der Grenze zu Gaza vernachlässigt wurde, will Netanjahu erst nach dem Krieg zustimmen.
Erst gestern hatte Lapid vor einer unabhängigen Untersuchungskommission zum 7. Oktober erklärt, Netanjahu habe vor dem Massaker von der Bedrohung durch Terroristen gewusst. Während er darüber informiert worden sei, habe er sich nicht geäußert und stattdessen gelangweilt und gleichgültig gewirkt. im