Seit Jahren werden die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Israel und China stetig ausgeweitet. Chinesische Fachleute bauen Großprojekte im ganzen Land, israelische Hightech-Firmen verkaufen ihr Know-how an chinesische Investoren. Und die israelische Regierung fördert den Austausch enthusiastisch.
Doch zusehends will Washington dem blühenden Handel einen Riegel vorschieben. Ganz besonders seit der Corona-Krise. Seitens Jerusalem ist dabei extremes diplomatisches Fingerspitzengefühl gefragt.
In der vergangenen Woche erklärten die israelischen Finanz- und Energieministerien, dass nicht, wie zuvor angenommen, eine Firma aus Hongkong unter chinesischer Kontrolle – Hutchinson Water – den Zuschlag für die neue Wasserentsalzungsanlage »Soreq 2« in der Negevwüste erhält, sondern das israelische Unternehmen IDE Technologies. Es ist ein Zwei-Milliarden-Dollar-Projekt.
Mit chinesischer Hilfe soll eine große Entsalzungsanlage entstehen.
»Dies ist tatsächlich ein interessanter Zufall«, meint Ori Sela, Dozent für Ostasiatische Studien an der Universität Tel Aviv (TAU) und Experte für China-Beziehungen. Er ist sicher, dass auch hier Druck aus den USA der Grund ist, warum die Chinesen kein grünes Licht für den Bau erhielten.
Soreq 2 wird neben einer bereits bestehenden Entsalzungsanlage entstehen, die sich zudem in der Nähe eines Luftwaffenstützpunktes und der Nuklearforschungsanlage des Landes befindet.
Die Tageszeitung »Haaretz« berichtete, dass der Ausschreibungsprozess von großer Kritik aus dem Weißen Haus begleitet war, da die Anwesenheit von chinesischen Fachkräften, die neben hochsensiblen Anlagen arbeiten, offenbar als Sicherheitsrisiko betrachtet wird.
IMPORTE Selbst wenn dieses Mal dem Ansinnen der USA nachgegeben und die Auseinandersetzung beigelegt wurde, ist für Sela klar, dass auch zukünftig schwierige Entscheidungen auf Israel zukommen werden, um die fragile Balance zwischen der engen strategischen Bindung an die USA und den bedeutenden Wirtschaftsverbindungen zu China aufrechtzuerhalten.
Seit 2008 ist die Zahl der Deals zwischen Israel und China massiv gestiegen. Das Handelsvolumen beläuft sich derzeit (vor Corona) auf 15 bis 16 Milliarden Dollar jährlich, davon sind elf Milliarden Importe aus China, hauptsächlich von günstigen Rohstoffen. Hinzu kommen 15 bis 20 Milliarden an Direktinvestitionen in israelische Projekte pro Jahr. Viele Abkommen sind in diesen Jahren zwischen Jerusalem und Beijing unterzeichnet worden. »Doch der Wandel für Israel in dieser Angelegenheit kam mit dem Wechsel im Weißen Haus«, so Sela, »und besonders nach 2018, als US-Präsident Donald Trump den Handelskrieg verkündete.«
Washington machte bereits klar, dass es – von Israel und anderen Verbündeten – erwartet, China keinen Auftrag für den Bau der 5G-Mobilfunkinfrastruktur zu erteilen. Der amerikanische Botschafter in Israel, David Friedman, ließ in einem Gespräch mit Kommunikationsminister Yoaz Hendel sowie dem Vorsitzenden des Knessetkomitees für Auslandsangelegenheiten und Verteidigung, Zwi Hauser, keinen Zweifel an der Erwartung, dass Israel die Chinesen in der Ausschreibung für 5G nicht berücksichtigt.
KONTROLLE Viele Experten gehen davon aus, dass Trump den Handelskrieg zwischen den USA und China als Hauptargument für seine Wiederwahl nutzen will. Er beschuldigt China, für den Ausbruch des Coronavirus verantwortlich zu sein und damit für die wirtschaftliche Misere, in der sich die USA und der Großteil der Welt derzeit befinden. Sela erklärt die Schwierigkeiten für Israel in diesem Zusammenhang am Beispiel des Hafens von Haifa.
Im Jahr 2018 beklagten sich die USA in Jerusalem darüber, dass chinesische Firmen zu viele Aufträge erhalten, und erwähnten dabei vor allem die Erneuerung des Haifaer Hafens. »Sie sagten, dass China den Hafen kontrollieren werde und zu viel Einfluss erhält, und wollten Israel dazu bringen, das Projekt abzusagen. Dies aber entspricht nicht den Tatsachen. Der Großteil ist nach wie vor in israelischen Händen, von einigen chinesischen Managern abgesehen. Wenn es überhaupt eine chinesische Kontrolle gibt, dann ist die extrem gering.«
Beim Hafen von Haifa setzte sich Israel gegen den Druck aus Washington durch.
Man müsse anerkennen, dass die chinesische Weise, große Anlagen zu entwickeln und zu bauen, viel effektiver sei als die von anderen, meint Sela. »Und Israel will diesen Vorteil.« Außerdem hätten die USA selbst nicht eine einzige Firma ins Rennen geschickt, um sich an der Ausschreibung zu beteiligen, obwohl Israel sie dazu mehrfach aufgefordert hatte.
Trotz der Einwände blieb Jerusalem hartnäckig, zog das Haifa-Projekt durch, und Washington beruhigte sich wieder. Es sei Netanjahus Motto, auf Zeit zu spielen und zu hoffen, dass sich der Sturm wieder legt. Dann allerdings kam Mike Pompeo inmitten der Corona-Krise Ende April auf Israelbesuch. Was der US-Außenminister im Gespräch mit dem israelischen Ministerpräsidenten genau sagte, ist nicht bekannt, doch es wird vermutet, dass er das Sicherheitsrisiko beim Bau von Infrastrukturprojekten durch die Chinesen ansprach. Anschließend berichteten israelische Medien, dass es um die oben beschriebene Entsalzungsanlage ging.
HIGHTECH Ende des vergangenen Jahres, bevor das Coronavirus in Israel angekommen war, hatte die damalige Übergangsregierung einen neuen Mechanismus zur Überwachung großer ausländischer Investitionen in die israelische Wirtschaft geschaffen. »Das war ausschließlich dazu da, um Washington zu besänftigen«, meint Sela. Doch Trump waren die eingeleiteten Schritte nicht genug.
Und dann kam Corona, als sich die Animosität zwischen Trump und der chinesischen Regierung noch weiter verschärfte. Der Balanceakt ist definitiv schwieriger geworden. Vergraulen will man weder den einen noch den anderen, doch es scheint klar, für wen sich Netanjahu im Falle eines Falles entscheidet: die USA.
Allerdings ungern. Denn Netanjahu gefällt die boomende Wirtschaft in seinem Land und das Interesse der Chinesen an israelischer Hightech. Letzteres allerdings hat auch im Inland viele Kritiker, die bezweifeln, ob es wünschenswert ist, »wenn die Chinesen das gesamte israelische Know-how aufkaufen«. Denn dann, davon ist auch Sela überzeugt, »ist es viel wahrscheinlicher, dass es schwerwiegendere negative Folgen geben kann als beim Bau von U-Bahnen, Tunneln oder Häfen«.
Nicht nur Israel sieht sich dem Druck aus den USA ausgesetzt. Auch auf die Entscheidungen europäischer Länder will Washington Einfluss nehmen. »Letztendlich geht es bei den Beziehungen darum, dass man sich fragen muss: Was ist gut für unser eigenes Land?«, erläutert der Experte. »Das gilt nicht nur für Israel, sondern für alle Länder.«