Außenministerin Annalena Baerbock hat zu einer internationalen Sicherheitspartnerschaft für ein Ende des Krieges im Gazastreifen aufgerufen. »Um dauerhafte Sicherheit aufzubauen, ist es jetzt entscheidend, Wege zu finden, die Gewalt in Gaza zu stoppen, die Kämpfe dauerhaft zu beenden«, sagte die Grünen-Politikerin am Montag bei der Herzlija-Sicherheitskonferenz des Instituts für Politik und Strategie sowie der Reichman-Universität in Israel.
Es ist bereits der achte Israel-Besuch Baerbocks seit der blutigen Terrorattacke der Hamas auf das Land am 7. Oktober. Heute führt die Ministerin politische Gespräche in den Palästinensischen Autonomiegebieten, Jerusalem und in der libanesischen Hauptstadt Beirut.
»Dauerhafte Sicherheit für alle Israelis wird nur möglich sein, wenn es dauerhafte Sicherheit für die Palästinenser gibt. Und gleichzeitig: Dauerhafte Sicherheit für die Palästinenser wird nur möglich sein, wenn es dauerhafte Sicherheit für die Israelis gibt«, sagte Baerbock. Sie fügte hinzu: »Das eine ist ohne das andere nicht möglich.«
Europäische Unterstützung
Baerbock erklärte, gemeinsam mit anderen EU-Ministern habe sie über einen möglichen erneuten Einsatz der früheren EU-Grenzschutzmission Eubam am Rafah-Grenzübergang zwischen dem Gazastreifen und Ägypten gesprochen. Es sei darum gegangen, »wie wir sicherstellen können, dass Grenzschützer mit europäischer Unterstützung trainiert werden, aber auch die Sicherheit an der Grenze zu gewährleisten«.
Dies könne dann eine erneute Einfuhr humanitärer Güter über den Grenzübergang ermöglichen, der seit fast zwei Monaten geschlossen ist. Auf solchen internationalen Sicherheitsgarantien könne man wiederum aufbauen, damit eine reformierte Palästinensische Autonomiebehörde die Sicherheitskontrolle übernehmen könne.
Baerbock forderte die israelische Regierung erneut auf, beim Militäreinsatz im Gazastreifen die Menschenrechte und das Völkerrecht zu wahren. Berichte über Misshandlungen von angeblichen palästinensischen Gefangenen nannte sie verstörend.
In Gaza geht Israel gegen die Terrororganisation Hamas, nicht aber gegen die Bevölkerung vor. Die Streitkräfte warnen Bewohner vor Angriffen gegen den Terror, richten Fluchtrouten ein und kümmern sich um den Nachschub von Hilfsgütern.
Sicherheit und Legitimität
Zugleich verlangte Baerbock, die islamistischen Hamas-Terroristen müsse »diesem Horror ein Ende setzen« und alle Geiseln freilassen. Die Hamas habe Israels Sicherheit zerstören wollen, aber auch dessen Legitimität. »Es ist Hamas, die versucht hat, mit Hilfe ihrer internationalen Unterstützer eine regionale Eskalation auszulösen.«
Baerbock will bei ihrem Besuch auch erneut nach Wegen hin zu einer Zweistaatenlösung zwischen Israelis und Palästinensern suchen. Damit ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existiert.
Die Führung der Palästinenser, bestehend aus der Terrororganisation Hamas und der den Terror unterstützenden Autonomiebehörde, hat bisher alle Friedenspläne abgelehnt, die die Gründung eines eigenen Staates ermöglicht hätten.
Deutschland wisse, dass der Weg zu dauerhafter Sicherheit sehr schwierig sein werde, räumte Baerbock ein. »Aber resigniert die Hände zu heben, ist keine Option. Denn das wird den Schmerz der Familien der Geiseln nicht beenden und das Leiden der unschuldigen Kinder in Gaza nicht beenden«, fügte sie hinzu.
Forderung nach Rückzug
Baerbock forderte einen vollständigen und nachweisbaren Rückzug der schiitischen Hisbollah-Terrormiliz aus dem Grenzbereich des Libanons zu Israel. Die Zunahme der Gewalt an der Nordgrenze Israels bereitet große Sorgen - auch deswegen reise sie am Dienstag in die libanesische Hauptstadt Beirut.
Gemeinsam mit den Partnern arbeite man intensiv an Lösungen, die weiteres Leid verhindern könnten. »Das Risiko einer unbeabsichtigten Eskalation und eines umfassenden Krieges wächst täglich. Daher ist äußerste Vorsicht geboten.« Allerdings sind die Angriffe der Hisbollah-Terroristen auf Israel durchaus beabsichtigt. Seit dem 7. Oktober attackiert der Libanon Israel unaufhörlich mit Raketen und anderen Geschossen.
Israel will durch diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Miliz hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es eine UN-Resolution vorsieht. Notfalls sei Israel aber auch zu einem größeren Militäreinsatz bereit, warnte der israelische Verteidigungsminister Joav Galant.
Ramallah, Jerusalem und Beirut
Am Dienstag sind in Ramallah Gespräche mit dem Ministerpräsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mohammed Mustafa, über die Lage im Westjordanland sowie die Reformbemühungen der PA geplant. In Jerusalem ist ein Treffen mit dem israelischen Außenminister Israel Katz vorgesehen. Heute Nachmittag will Baerbock in der Beirut mit Libanons Ministerpräsident Nadschib Mikati sprechen.
Baerbock skizzierte Elemente, die aus ihrer Sicht für den Aufbau dauerhafter Sicherheit von entscheidender Bedeutung seien. Die Bilder vom israelischen Vorgehen im Gazastreifen lösten starke Emotionen, Fassungslosigkeit, Trauer und Wut aus, sagte sie.
»Als Freund Israels möchte ich offen sein: Diese Wut hilft Israel nicht, seine Sicherheitsbedürfnisse zu erfüllen, im Gegenteil«, sagte die Ministerin und ergänzte: »Sie dient nur dem zynischen Bestreben der Hamas, eine weitere Eskalation zu provozieren.«
Bester Schutz
Israels größte Stärke und sein bester Schutz seien seine Menschlichkeit, sein Bekenntnis zu demokratischen Werten, zum Völkerrecht und zu den Menschenrechten, mahnte Baerbock. Gerade vor diesem Hintergrund nannte sie Berichte über angebliche Misshandlungen von Gefangenen in Gaza verstörend. Dies gelte auch für Berichte über die Vertreibung von Palästinensern durch extremistische israelische Siedler im Westjordanland.
Die israelische Armee untersucht einen Vorfall, bei dem ein palästinensischer Angreifer auf die Motorhaube eine Militärfahrzeuges gefesselt worden sein soll.
Geklärt werden müsse auch, wie der wirtschaftliche Wiederaufbau im Gazastreifen finanziert und sichergestellt werde, sodass »diese Bemühungen nicht zum Aufbau neuer terroristischer Strukturen missbraucht würden«, sagte Baerbock.
Vision der Araber
Deutschland sei dankbar, dass die arabischen Partner diesen Dialog vorantreiben würden, fügte die Ministerin hinzu. Die Partner hätten aber auch deutlich gesagt, dass sie ohne Fahrplan für einen palästinensischen Staat und ohne Zusicherungen, dass dies der letzte Krieg in Gaza sein werde, nicht in den Wiederaufbau investieren würden.
Israel hat keinen einzigen der zahlreichen Kriege mit der Hamas begonnen. Es war jeweils die palästinensische Terrororganisation, die den jüdischen Staat angriff. Ihr erklärtes Ziel ist eine Vernichtung Israels.
Man müsse die Vision der Araber zusammen mit dem berücksichtigen, was Europäer, Amerikaner und andere zu bieten bereit seien, so Annalena Baerbock.
»Gefährlich und kontraproduktiv«
Dazu gehöre auch eine gemeinsame Anstrengung, die künftige Rolle der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) zu definieren, sagte Baerbock. Wenn man wolle, dass die PA irgendwann die Rolle der legitimen Regierungsbehörde in Gaza übernehme, müsse diese in der Lage sein, dies zu gewährleisten - auch mit Polizei- und Sicherheitskräften. Dazu müsse die Autonomiebehörde reformiert werden.
Baerbock ergänzte: »In der gegenwärtigen Situation ist es gefährlich und kontraproduktiv, etablierte PA-Strukturen zu zerstören und zu destabilisieren.« Genau dies bewirke aber die Ausweitung israelischer Siedlungsprojekte im Westjordanland. Diese bezeichnete die Ministerin als illegal.
Den Terror gegen Israel gab es schon lange bevor die erste israelische Siedlung im Westjordanland errichtet wurde. dpa/ja