Genetik

Babys aus dem Reagenzglas

Professor Yossi Buganim Foto: Shai Herman

Genetik

Babys aus dem Reagenzglas

Forscher der Hebräischen Universität Jerusalem stellen aus Hautzellen embryonale Stammzellen her

von Sabine Brandes  17.06.2019 09:46 Uhr

Kann es sein, dass in Jerusalem die unbefleckte Empfängnis erfunden wurde? Yossi Buganim von der Medizinischen Fakultät der Hebräischen Universität ist mit seinem Team bei der Stammzellforschung zu einem bahnbrechenden Ergebnis gekommen. Er wandelte Hautzellen in drei Hauptstammzellen um, die Embryonen im Frühstadium bilden. »Noch gibt es kein Baby im Reagenzglas«, stellt der Professor klar, »doch in der Zukunft könnte das durchaus möglich werden.«

Seine Forschung mache den Weg dafür frei, sagt er, tatsächlich Embryonen aus Hautzellen zu schaffen. Wie im Wissenschaftsmagazin »Cell Stem Cell« veröffentlicht, entdeckten Buganim und sein Team vom Fachbereich Entwicklungsbiologie und Krebsforschung eine Gruppe von Genen, die in der Lage sind, Hautzellen nicht nur in den Embryo selbst, sondern zudem in die umgebenden Gewebe wie Nabelschnur und Plazenta umzuwandeln. Damit, so die Wissenschaftler, könnten bestimmte Unfruchtbarkeitsprobleme gelöst werden. Denn ein Baby würde auf diese Weise tatsächlich ohne die Eizelle der Frau und die Spermien des Mannes entstehen.

»Unsere Erkenntnisse könnten sogar bei sterilen Frauen und Männern eingesetzt werden. Die weiblichen und männlichen Hautzellen werden genommen, um einen Embryo im Reagenzglas zu erstellen, der dann in die Mutter eingesetzt wird.«

MÖGLICHKEITEN Außerdem hat die Arbeit von Buganim Auswirkungen auf die Behandlung von embryonalen Krankheiten und Fehlfunktionen der Plazenta. »Diese Zellen sind wichtig für Frauen, die unter wiederholten Fehlgeburten oder einer Plazenta-Insuffizienz leiden«, erläutert er, »denn sie geben ihnen reale Hoffnung, dennoch ein gesundes Kind zu bekommen.« Auch schaffe dieser Bereich der Stammzellforschung neue Möglichkeiten, Patienten mit Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer zu behandeln – »und sie sogar zu heilen«.

Hoffnung soll auch für Patienten mit Parkinson oder Alzheimer bestehen.

Bereits 2006 hatten die japanischen Wissenschaftler Kazutoshi Takahashi und Shinya Yamanaka die Fähigkeit von Hautzellen entdeckt, in embryonale Frühstadiumszellen umprogrammiert werden zu können, aus denen schließlich ein kompletter Fötus entstehen kann. Es handelt sich dabei um eine Art »Verjüngungsprozess der Zellen«. Vier zentrale embryonale Gene kamen dabei zum Einsatz. Die veränderten Zellen – »Induced Pluripotent Stem Cells« (iPSCs) – sind praktisch identisch mit ihren natürlichen Gegenstücken, die in den ersten Tagen nach der Befruchtung entstehen. Die Zellen können sich in alle fetalen Zelltypen entwickeln. Allerdings nicht in äußeres Gewebe wie die Plazenta.

MECHANISMEN Das erreichten aber jetzt die israelischen Wissenschaftler um Buganim. Dazu gehören Oren Ram vom Institut für Biowissenschaften, Tommy Kaplan von der Abteilung Computerwissenschaften und Ingenieurswesen sowie die Doktoranden Hani Benchetrit und Mohammad Jaber. Gemeinsam fanden sie eine neue Kombination von fünf Genen, die, wenn in Hautzellen eingesetzt, diese in die drei embryonischen Zelltypen umwandeln. Die Umwandlungsphase beträgt rund einen Monat. »Es war unsere Idee, diese Gene zu benutzen«, unterstreicht der Leiter der Studie stolz.

Dafür wandte das Team neueste Technologien an, um die Molekularkräfte zu analysieren, die für die Zell-Umprogrammierung verantwortlich sind. Die Wissenschaftler entdeckten dabei, dass das Gen »Eomes« die Zelle in Richtung Plazenta und Plazenta-Entwicklung drängt. Das Gen »Esrrb« indes richtet die Entwicklung von fetalen Stammzellen ein.

Erst in 50 Jahren soll die Forschung tatsächlich so weit sein.

Um diese molekularen Mechanismen aufzudecken, die während der Formation der verschiedenen Zelltypen aktiviert werden, untersuchten die Forscher die Änderungen an der Genstruktur und Funktion innerhalb der Zellen, wenn die fünf Gene eingefügt werden. Und fanden heraus, dass die Hautzellen in der ersten Phase ihre Zellidentität verlieren und langsam die neue der Stammzellen annehmen.

KLONEN Kürzlich wurden Versuche unternommen, einen kompletten Embryo einer Maus zu entwickeln, ohne dafür eine Eizelle oder Spermien zu benutzen. Dabei entnahm man drei Zellen des Frühstadiums von einem lebenden, sich in der Entwicklung befindenden Embryo. Die Forschung aus Jerusalem aber bedeutet, dass man künftig keinen lebenden Embryo benötigt, um einen weiteren im Reagenzglas herzustellen.

Allerdings wird es wohl noch eine Weile dauern, bis es tatsächlich die »unbefleckte Empfängnis« geben könnte. »Rund 50 Jahre«, schätzt Buganim. Denn die Herausforderungen seien riesengroß. »Ein Embryo ist eine dreidimensionale Struktur. Wir müssen erst noch herausfinden, wie wir all dies zusammensetzen, um einen echten Embryo zu produzieren.« Doch er ist optimistisch: »Diese Zellen wissen, wie sie zusammenhalten. Wir müssen nur die richtige Umgebung und die korrekte Ratio geben, damit sie sich organisieren können.«

Die Kontroversen rund um das Thema Klonen und ethische Vorbehalte gegenüber dieser Forschung stehen allerdings nicht im Vordergrund. Der Wissenschaftler fasst zusammen: »Man kann tatsächlich sagten, dass wir nahe dran sind, einen synthetischen Embryo zu erschaffen – und das ist wirklich eine verrückte Sache.«

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