China

Ausverkauf

Im neuen »Bay Port« in Haifa managt die Shanghai International Port Group den Schiffsverkehr. Foto: Flash 90

Chinesische Buchstaben an israelischen Baustellen sind an der Tagesordnung. Auf dem gelben Testzug für die Trasse der Straßenbahn inmitten von Tel Aviv stehen sie. Ebenso auf dem neuen Terminal im Hafen von Haifa oder den Maschinen beim Tunnelbau. Unternehmen aus China sind mit den größten Infrastrukturprojekten des Landes betraut. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Peking und Jerusalem boomen. Jedoch nicht zur Freude aller.

Anfang September wurde feierlich ein neuer Hafen an der Küste Haifas in Betrieb genommen: der private Bay Port. Er liegt zwar mitten im Land, doch die Leitung hat kein Israeli übernommen. Stattdessen managt die Shanghai International Port Group den Schiffsverkehr hier. Bay Port ist in der Lage, größere Schiffe mit bis zu 18.000 Containern anlegen zu lassen. Der Mittelmeerhafen, dessen Bau knapp anderthalb Milliarden Euro kostete, soll dafür sorgen, dass mit den vielen Verspätungen beim Be- und Entladen sowie den überhöhten Kosten Schluss ist, heißt es.

WETTBEWERB Durch den Verkauf von staatseigenen Häfen wolle man den überfälligen Wettbewerb innerhalb der Branche ankurbeln und Israels Standing als Handelszentrum voranbringen, heißt es aus dem Verkehrsministerium. 99 Prozent aller Waren, die im- oder exportiert werden, würden über die Häfen abgewickelt. Ein Upgrade sei dringend nötig, zumal die neuen Verbindungen mit arabischen Staaten neue Handelsmöglichkeiten eröffnen.

Chinesische Firmen bauen Häfen in Haifa und Aschdod.

Auch die Ausschreibung für einen neuen privaten Hafen in Aschdod, südlich von Tel Aviv, gewannen die Chinesen. South Port wird derzeit von dem Unternehmen China Harbor gebaut und anschließend gemanagt. Er soll noch in diesem Jahr eröffnet werden. Zudem sind die Arbeiter aus dem Reich der Mitte stark in den derzeitigen Bau der U-Bahn in Tel Aviv eingebunden. Sie erhielten den Zuschlag für einen Schlüsselabschnitt und bemühen sich derzeit, weitere Ausschreibungen zu gewinnen.

»Wir legen los zu einem neuen Abenteuer«, sagte Verkehrsministerin Merav Michaeli bei der Eröffnung von Bay Port, »um die wirtschaftliche Entwicklung Israels zu beschleunigen, Exporte und Handel zu erweitern, die Preise zu verringern und soziale Gräben zu überbrücken.« Ein Jahr nach den Abraham-Abkommen öffnen sich die Beziehungen mit der Golfregion, »und der neue Terminal wird unsere regionalen Fähigkeiten im maritimen Handel stärken«.

Dann führte Michaeli aus, dass der Hafen nicht nur für den Transport genutzt, sondern zudem »ein Ort für die Freizeitgestaltung« werde, »an dem Kultur und Unterhaltung eine große Rolle spielen«. Bay Port soll Stolz und Vergnügen für die Einwohner von Haifa sein wie in vielen anderen Hafenstädten auf der ganzen Welt. Der Geschäftsführer der Shanghai International Port Group in Israel, Miao Quiang, pflichtete der Ministerin bei: »Bay Port wird der israelischen Wirtschaft Großes bringen und das Land in der gesamten Region als führender Hafenstaat positionieren.«

MILITÄR Andere zeichnen ein weniger rosiges Bild und sehen das Abgeben von bedeutenden Teilen der Infrastruktur in ausländische Hände als äußerst problematisch an. Vor allem Washington sieht den Einfluss der Chinesen in der israelischen Wirtschaft mit Argwohn. Die hauptsächlichen Bedenken liegen in Bereichen der dualen Nutzung, wenn Technologien sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können.

Zwar hat Israel klare Regulationen, die den Verkauf von sensiblen militärischen Technologien in Richtung China unterbinden, doch manchmal ist die Grenze fließend. So musste in den 90er-Jahren ein Deal von Jerusalem abgeblasen werden, nachdem sich die USA einmischten. Die sorgten sich, dass China Radarsysteme auch militärisch hätte nutzen können.

Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel ging bei ihrem Abschiedsbesuch in Jerusalem vor einigen Tagen auf das Thema ein. Israelische Wirtschaftsvertreter hatten die große Anzahl an Projekten zwischen Israel und China angemerkt. »Es wäre wichtig, dass man weitere Gespräche führt«, so Merkel. Sie sei skeptisch, ob man bereits den richtigen Weg im Umgang mit den Beziehungen zu China in Sachen Wirtschaft und Sicherheit gefunden habe.

Ex-Mossadchef Halevy warnte vor dem Verkauf des Tnuva-Konzerns.

Auch der amerikanische Außenminister Antony Blinken machte die Anliegen der USA beim Besuch seines israelischen Amtskollegen Yair Lapid in Washington deutlich: Israel solle seine enge Zusammenarbeit mit den Chinesen im Hinblick auf die Cybersicherheitsrisiken überdenken. Die gemeinsamen nationalen Sicherheitsinteressen seien dadurch gefährdet. Die Beziehung zwischen den USA und China hat sich in den vergangenen Jahren stetig verschlechtert, vor allem geht es um Sicherheit, aggressive Wirtschaftspolitik und Verletzungen der Menschenrechte durch die Führung in Peking.

SICHERHEIT Während die Chinesen ein ungebrochenes Interesse an israelischer Innovation zeigen und vor allem bei der Medizin- und Lebensmitteltechnik und Robotik anfragen, zeigt der Druck der Amerikaner Wirkung. Das nationale Institut für Sicherheitsstudien INSS teilte mit, dass die Spitze der Akquisitionen 2018 gewesen sei. Außerdem würden die Investitionen aus China mit rund zehn Prozent des ausländischen Kapitals weit hinter denen aus den USA und Europa zurückliegen.

Der einstige Mossad-Chef Efraim Halevy versteht dennoch nur zu gut, warum die USA Druck auf Jerusalem ausüben. Oft berührten die abgeschlossenen Verträge die nationale Sicherheit. »Ich war einer der ersten Israelis, die davor gewarnt haben«, lässt er wissen. »Es ist schlicht nicht gut, derart sensible Bereiche wie Lebensmittelversorgung, Versicherung oder Infrastruktur an die Chinesen zu verkaufen.« Als Beispiel nennt Halevy Tnuva. Israels größtes Unternehmen auf dem Milchmarkt wurde 2014 von der chinesischen Bright-Food-Gruppe aufgekauft. »Kein normales Land der Welt überträgt seine Lebensmittelsicherheit an China oder ein anderes Land«, sagte auch Schelly Jachimowitsch von der Arbeitspartei, die damals in der Opposition saß, nach dem Tnuva-Deal wütend.

»Stimmt«, bestätigt Halevy, »ich habe es für eine ganz falsche Politik gehalten, dass ein bedeutendes israelisches Unternehmen, das die meisten Milch- und Hühnerprodukte im Land verkauft, einer chinesischen Mega-Firma gehört. Denn diese Unternehmen sind schließlich in den Händen der Regierung in Peking.«
Ähnlich sieht er die Deals in Sachen Infrastruktur. Es sei ein Bereich, der bis vor Kurzem nicht reguliert gewesen und von der ehemaligen Regierung unter Benjamin Netanjahu vorangetrieben worden sei. »Die Amerikaner wollten unbedingt verhindern, dass der Hafen in Haifa an die Chinesen geht. Sie schickten sogar Außenminister Pompeo, um diesbezüglich auf Netanjahu einzuwirken«, weiß Halevy. »Doch ohne Erfolg.« Die Chinesen kamen, sahen und siegten.

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