verkehr

Auf Sand gebaut

Berlin hat eine, Paris sowieso, und auch aus New York ist sie nicht wegzudenken. Auch die staugeplagten Tel Aviver träumen davon, endlich unterirdisch durch die Großstadt düsen zu können. Zwar wird es noch Jahre dauern, bis sie tatsächlich in ihre U-Bahn einsteigen werden, doch die Bauarbeiten am Tunnelsystem sind in vollem Gange.

An einem unscheinbaren Zaun auf der Jehuda-Halevi-Straße prangt ein Werbeplakat in fröhlichen Farben. Schon jetzt kündigt es die Ankunft von »Tel Avivs Light Rail« an. Dahinter sind provisorische Unterkünfte für die Bauarbeiter aufgestellt, parkt ein Riesenlaster, liegen Eisenstangen herum – und klafft ein riesengroßes Loch inmitten der Stadt: der Beginn des U-Bahn-Tunnels.

Chanoch Zachar, leitender Ingenieur, dessen Konstruktionsbüro Miller, Schnabel und Zachar mit den Ausschachtarbeiten betraut ist, lehnt an der Absperrung und schaut erleichtert in die Tiefe. »Wir haben gerade ein großes Stück geschafft, das schwierigste von allen.« Er und sein Team haben kürzlich einen großen Erfolg verbucht. Vor wenigen Wochen ist der größte jemals in Israel unter Wasser gebaute Betonboden fertiggestellt worden. »Wir hatten alle große Sorge, ob das wirklich klappt«, erinnert sich der Fachmann. Da bei den Arbeiten in einer Tiefe von 23 Metern und damit unter dem Meeresspiegel gegraben wurde, stieß man auf Wasser. »Baut man auf Stein, pumpt man einfach ab und macht dann weiter«, so Zachar. Doch die Stadt steht nicht auf steinernen Füßen. Sie ist auf Sand gebaut. »Und deshalb würde immer wieder Wasser nachlaufen. Pumpen wäre die reinste Sisyphusarbeit.« Daher entschied sich die Firma, unter Wasser zu bauen.

Druck Doch die Zweifel, ob es gut gehen wird, waren groß. Wird ein Betonboden unter Wasser gegossen, kann kein Stahl verwendet werden, der ihn stabilisiert. Durch das Wasser drücken allerdings permanent 7,3 Tonnen auf jeden einzelnen Quadratmeter. Außerdem muss die Pumpe ständig im Beton stecken, damit keine Feuchtigkeit in das Material dringt. Doch die bestellten holländischen Experten überzeugten die Israelis schließlich. Dank ihrer Bauarbeiter, die auch Taucher sind, und des speziellen Materials, das auch ohne Stahlverstärkung hält, hatte das Projekt Erfolg.

In die Tiefe geht es in drei Ebenen, von denen jede mit überdimensionalen Stahlträgern gestärkt wird, damit die Wände dem Druck standhalten und nicht wegbrechen. »In der Mitte der Stadt, wo ringsherum Wohn- und Bürogebäude stehen, muss es natürlich ganz besonders sicher sein.«

Doch das Wasser ist nicht die einzige Schwierigkeit, mit der die Verantwortlichen zu kämpfen haben: »Die Bauarbeiten finden im Herzen von Tel Aviv statt, einer über die Jahre gewachsenen Großstadt. Überall gibt es städtische Infrastruktur, angefangen bei Stromleitungen über Wasserversorgung bis zu Telefonkabeln. Und viele von denen sind schlicht im Weg.« Manche der Versorgungsstationen müssten verlegt werden. »Eine kosten- und zeitaufwendige Arbeit«, wie Zachar weiß.

Die U-Bahn wird Teil eines umfassenden Transitsystems für den Großraum Tel Aviv sein. Geplant sind insgesamt acht Linien, die im Norden bis nach Netanja und im Süden bis nach Rischon LeZion fahren sollen. Tatsächlich gebaut wird derzeit lediglich an einer, der roten Linie. Die wird insgesamt über 33 Stationen verfügen, davon zehn unterirdischen, etwa auf den Straßen Allenby, Bialik und Schaul Hamelech. Die 22-Kilometer-Strecke beginnt in Bat Yam im Südwesten der Stadt, fährt dann durch Jaffa und das Zentrum von Tel Aviv über Petach Tikwa, Ramat Gan bis nach Bnei Brak. Jeden Kilometer soll es eine Haltestelle geben, unterirdisch sogar alle 500 Meter. Die zweite Linie (grün) befindet sich noch in der Phase der Genehmigungen.

Verschoben Fahrt aufnehmen sollte die Bahn ursprünglich schon in drei Jahren. Doch durch die Schwierigkeiten bei Planung und Konstruktion ist der Starttermin mittlerweile auf 2022 verschoben worden. In verschiedenen Medienberichten hieß es, dass der Bau der roten Linie mindestens weitere sechs Jahre in Anspruch nehmen werde und 2017 kein realistischer Zeitpunkt sei. Die grüne Linie indes liege im Zeitplan – noch.

Einer der Gründe für die großen Verzögerungen seien weitere Kosten in Höhe von rund 600 Millionen Euro. Diese zusätzliche Summe dürfte den Rahmen des anvisierten Regierungsbudgets in Höhe von 2,2 Milliarden Euro sprengen. Ursprünglich hatte das Konsortium Africa-Israel den Bau der Bahn übernommen, aufgrund von Finanzierungsproblemen war er jedoch 2010 verstaatlicht worden. Trotz aller Verzögerungen: Verkehrsexperten bescheren dem Projekt schon jetzt einen Massenandrang. Schätzungen sagen, dass bereits in den ersten Jahren bis zu 100 Millionen Menschen jährlich die Bahn nutzen könnten.

Auch Janiv Levy will mit. Der Tel Aviver hat es satt, im Stau zu stehen, und fährt deshalb Roller. Doch auch den würde er stehen lassen, wenn es die U-Bahn gäbe. »Das wäre eine großartige Erleichterung für die Bewohner, die Umwelt und die gesamte Atmosphäre in unserer wunderschönen Stadt. Der Verkehr hier steht doch kurz vor dem Kollaps. Ich verspreche mir Rettung durch die Bahn. Wenn sie denn endlich kommt.«

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