Jerusalem

Auch am Schabbat offen

Ein Stück Tel Aviv in der Heiligen Stadt: die ehemalige Bahnstation Foto: Flash 90

Die Gleichung »Jerusalem ist Vergnügen« leuchtet nur den wenigsten ein. Das Klischee, dass in ihr ausschließlich gebetet und gefrömmelt wird, hängt an der Heiligen Stadt wie ein alter Kaugummi an der Schuhsohle. Die neue Ausgehmeile »First Station« im alten Bahnhof will jetzt das Gegenteil beweisen. Mit einem Mix aus koscheren und nichtkoscheren Lokalen plus der Öffnung am Schabbat soll ein deutliches Zeichen gesetzt werden: Wir in Jerusalem können auch leben – und leben lassen.

In etlichen Restaurants, wie dem »Adom«, wo Austern und andere Meeresfrüchte auf der Karte stehen, fehlt das Kaschrut-Zertifikat an der Wand. »Re:Bar« oder »Fresh Kitchen« weisen hingegen schon mit Schildern an der Eingangstür darauf hin, dass ihre Produkte den Vorschriften der jüdischen Speisegesetze entsprechen. Es scheint, als existierten sie Seit’ an Seit’, um den friedvollen Charakter der Stadt zu betonen.

Manche Läden haben bereits seit zwei Wochen geöffnet, andere warten noch auf den letzten Schliff, hier und da streichen und hämmern noch die Arbeiter. Doch in wenigen Tagen bereits sollen auch die letzten Renovierungsarbeiten abgeschlossen sein und der Komplex Gäste aus nah und fern anlocken.

Säkular In der osmanischen Zeit tuckerten an diesem Ort die Eisenbahnen in Richtung Kairo, Beirut und Damaskus los. Lange fungierte die Station aus dem Jahre 1892 als Hauptbahnhof. Doch nach der Schließung des Bahnhofs im Jahr 1998 und einem Neubau an anderer Stelle verfiel die historische Anlage zusehends. Vor einigen Jahren schließlich begannen sich private Investoren für die hervorragende Lage des Gebäudes zu interessieren. Vor zwei Jahren fiel der Startschuss für eine Restaurierung.

»First Station« könnte für ihren Zweck nicht besser liegen: unmittelbar neben den trendigen Wohngebieten German Colony und Baka, unweit der Cinematheque, dem Khan-Theater und der Altstadt. Der neu gebaute Fahrradweg, der einmal quer durch das Stadtgebiet führt, schlängelt sich genau hier entlang. An diesem Ort, wo die Bevölkerung zum Großteil säkular ist und sich viele Studenten niedergelassen haben, hoffen die Initiatoren, ihr Publikum zu finden.

Neben den Restaurants und Cafés wird es einen Wochenmarkt mit besonders hochwertigen Produkten geben, außerdem sind regelmäßige Attraktionen und Veranstaltungen an den Wochenenden geplant. Für den Sommer etwa steht eine Kinoreihe unter freiem Himmel auf dem Programm.

Lebensweise An diesem Montagmorgen ist es ruhig in der »First Station«. Einige Besucher sitzen in den Cafés und tippen auf ihren mitgebrachten Laptops, andere spazieren entlang der Schaufenster. Uri Malul trinkt seinen ersten Kaffee auf einer Bank unter einem schattigen Baum. Der Angestellte lebt und arbeitet in Jerusalem. »Ich bin hier geboren und liebe diese Stadt. Sie gehört einfach zu mir.« Doch die Entwicklungen in den vergangenen zehn, 15 Jahren sagen Malul ganz und gar nicht zu. »Diese religiöse Radikalisierung muss ein Ende haben. Es ist immerhin eine Stadt, in der verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Einstellungen leben.«

Umso mehr freut sich der säkulare junge Mann über die Eröffnung des Vergnügungskomplexes. Er habe sich schon lange gewünscht, dass es einen Ort mitten in der Stadt gäbe, der die verschiedensten Leute zusammenbringt, die einfach nur gut leben wollen. »Ich bin mir sicher, dass dieses Fleckchen dazu beitragen wird, Jerusalem von dem miesen Image der ›Fanatiker-Stadt‹ zu befreien. Natürlich gibt es hier solche, die anderen ihre verrückte Lebensweise aufdrücken wollen. Doch ich kenne viel mehr Jerusalemer, die tolerant und aufgeschlossen sind.« Am besten wäre es, lacht Malul und nippt an seinem türkischen Kaffee, »wenn die alle herkommen und ein Exempel statuieren«.

Protest Bis jetzt ist tatsächlich von keinem Protest aus den Reihen der frommen Fanatiker zu hören gewesen. Das war nicht immer so: Vor vier Jahren hatte die Öffnung eines Parkplatzes inmitten der Stadt am Schabbat Wochen gewalttätiger Ausschreitungen eingeleitet. Regelmäßig lieferten sich ultraorthodoxe Extremisten Straßenschlachten mit der Polizei. Ein neues Multiplex, das als eines der wenigen Kinos in Jerusalem beantragt hat, am jüdischen Feiertag Filme vorführen zu dürfen, erhitzt noch immer die Gemüter.

Obwohl private nichtkoschere Lokale in der Stadt per Gesetz selbst entscheiden können, ob sie ihr Geschäft am Schabbat betreiben wollen oder nicht, ist der Druck, es nicht zu tun, oft immens hoch. Besonders in Vierteln, die an eine religiöse Wohngegend oder Einrichtung angrenzen.

Die Macher der »First Station« nehmen es gelassen. Unternehmer und Mitbegründer Avi Mordock hat eine simple Formel für sich aufgestellt: »Dieser Ort ist für jedermann gedacht. Ich bin privater Geschäftsmann. Niemand sagt mir, was ich zu tun und zu lassen habe. Genauso wie ich niemandem sage, was er tun soll oder nicht.« Auch nicht in Jerusalem.

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