Palästinenser

Argwohn in Israel

Jubel in Gaza-Stadt Foto: Getty Images

Die eine Seite feiert – die andere sorgt sich. Während die palästinensische Zivilbevölkerung sich baldige Ergebnisse wünscht, erwartet die israelische nicht viel. Das Versöhnungsabkommen zwischen der Fatah-Partei von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und der islamistischen Hamas ist unterzeichnet. Bereits wenige Tage darauf übergab die Hamas die Kontrolle über den Gazastreifen an die Palästinensische Autonomiebehörde (PA), berichteten palästinensische Medien.

Nach ägyptischen Vermittlungen – und wohl auch einer gehörigen Portion Druck – hatten sich die beiden seit Jahren verfeindeten Parteien in den vergangenen Wochen mehrfach an einen Tisch gesetzt und waren am Ende in Kairo zu einem Deal gekommen, der die Streitigkeiten beilegen und die Palästinenser politisch einigen soll. Bedeutende Entscheidungen werden demzufolge ab sofort gemeinsam getroffen. Dazu gehöre auch ein Friedensabkommen mit oder Kriegsführung gegen Israel, heißt es.

Raketen Zwar feierten Hunderte von Palästinensern nach der Unterzeichnung auf dem Platz des unbekannten Soldaten in Gaza, doch bei den wenigsten sind die Erwartungen auf schnelle und drastische Veränderungen hoch.

Dabei geht es den Menschen hier weniger um strategische Ziele als um die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens: eine bessere Strom-, Wasser- und Gesundheitsversorgung sowie Bewegungsfreiheit. Oft gibt es im Gazastreifen nicht mehr als vier bis fünf Stunden Strom am Tag. Die Lage grenzt an eine humanitäre Katastrophe. Eine Tatsache, die nicht nur dem Ansehen Israels stark geschadet hat, sondern auch der Hamas. Die schwierige Situation für die Bewohner von Gaza bestätigen auch die israelische Armee und Politiker.

Die alltäglichen Belange und kaum mehr zu bewältigenden Probleme der Bevölkerung dürfen es sein, die zu einem Sinneswandel der Hamas geführt haben, meinen politische Kommentatoren in Israel. Sogar Gazas »Premierminister« Yahya Sinwar, ein extremer Hardliner, sagte vor einigen Tagen, er würde jedem, der das Abkommen boykottieren wolle, »das Genick brechen«. Zugleich betonte er, dass seine Organisation noch heute genauso viele Raketen auf Israel abfeuern könne wie 2014.

Offenbar ist die Hamas gewillt, die zivile Kontrolle über den Streifen abzugeben. Was die militärischen und bewaffneten Aktionen der Gruppe angeht, ist sie indes zu keiner Diskussion bereit. Die Autonomiebehörde unter Präsident Abbas werde demzufolge auf der Erde regieren und die Hamas weiterhin unterirdisch, schreibt die Tageszeitung Haaretz als Fazit.

Sinai Für Ägypten ist das Abkommen eine Frage der nationalen Sicherheit. Die Gefahr des islamistischen Terrors auf dem Sinai bedroht Kairo seit Langem. Erst am Montag flogen zwei Raketen gen Israel, für die der Islamische Staat (IS) die Verantwortung übernahm. Der ägyptische Präsident Abdel-Fattah al-Sisi hofft, auf diese Weise zu verhindern, dass sich Vertreter des IS noch zahlreicher im Gazastreifen niederlassen.

Die israelische Regierung hingegen sieht die Versöhnung vor allem mit Argwohn. Die Kabinettsitzung am Sonntag eröffnete Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit den Worten: »Jede Versöhnung zwischen der Autonomiebehörde und der Hamas muss die internationalen Vereinbarungen akzeptieren. Dazu gehört vor allem die Anerkennung Israels und die Entwaffnung der Hamas. Außerdem muss die PA tatsächlich die Kontrolle über ihr Gebiet ausüben und darf keinen Terror zulassen.« Israel bestehe darauf, dass die PA keinerlei Hamas-Basis für Terrorismus erlaube, weder aus dem Westjordanland noch aus Gaza.

Israel habe eine Reihe von Bedingungen gestellt, bevor es das Abkommen anerkennen werde, so der Premier. Dazu gehört auch die Beendigung des Baus von Terrortunneln und der Herstellung von Raketen. Zudem fordert Netanjahu die sofortige Freilassung der israelischen Geiseln Avra Mengistu und Hischam a-Said sowie die Herausgabe der sterblichen Überreste der Sol- daten Oron Shaul und Hadar Goldin, die von der Hamas einbehalten werden. Solange diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien, werde Israel die islamistische Gruppierung weiterhin für alle Terrorangriffe aus dem Gazastreifen verantwortlich machen, betonte Netanjahu. »Israel wird die Entwicklungen beobachten und entsprechend reagieren.«

Terror Zu der Aussöhnung gehört, dass die Hamas angeblich keine Gewaltakte mehr aus dem Westjordanland gegen Israel ausführen will und im Gegenzug die Fatah damit aufhört, Hamas-Mitglieder auf ihrem Gebiet festzunehmen. Der stellvertretende Hamas-Chef im Gazastreifen, Khalil Al-Haya, machte in einem Interview deutlich, dass er den Premierminister der Palästinenser, Fatah- und PA-Mitglied Rami Hamdallah, als Premier des Westjordanlandes und des Gazastreifens ansehe. Die Zukunft des militärischen Flügels der Hamas diskutierte Al-Haya vor den Kameras indes nicht.

Das bestätigt den Bildungsminister und Vorsitzenden der nationalreligiösen Partei Jüdisches Haus, Naftali Bennett, in seiner Annahme, dass die Einheitsregierung gefährlich für Israel ist. Seiner Meinung nach sollte Jerusalem sogar die Kommunikation mit der PA beenden, da sie sich mit der Hamas zusammengetan hat. Auf Twitter machte der Minister seinem Unmut Luft. Unter einem Foto des Mannes, der das Abkommen aufseiten der Hamas unterzeichnet hat, schrieb er: »Dies ist Saleh Arouri, der den sogenannten Einheitsvertrag mit der Palästinensischen Autonomiebehörde unterschrieben hat. Er ist der Kopf hinter der Entführung der drei Teenager vor drei Jahren gewesen. Jetzt haben die Palästinenser eine nationale Terroristenregierung.« Die Entführung und Ermordung der israelischen Jungen hatte 2014 die Militäroperation »Tzuk Eitan« ausgelöst.

Teile der Opposition in der Knesset indes hießen die Einigung der Palästinenser zumindest bedingt willkommen, darunter Abgeordnete der Zionistischen Union. Deren Chefin und ehemalige Vermittlerin zwischen Israelis und Palästinensern, Zipi Livni, meint, dass Ägyptens Beteiligung und der Einzug der PA in Gaza durchaus einen Wandel ermöglichen könnten. Allerdings komme es einer Legitimierung der Hamas und des Terrors seitens der Autonomiebehörde gleich, wenn die islamistische Gruppierung ihren bewaffneten Flügel beibehält.

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