Tel Aviv

Antipasti statt Apfelsinen

Noch immer rutscht man hier und da auf einer platt getretenen Tomate aus, weht an mancher Ecke ein arg fischiger Geruch durch die Lüfte. Am Freitagmorgen schieben sich die Menschenmassen durch die enge Gasse, um ihren Kühlschrank für den Schabbat zu füllen. Der Carmelmarkt im Herzen von Tel Aviv ist, wie er immer war: laut, bunt und durcheinander. An einigen Stellen aber wird es schick. Aufgeräumte Läden und In-Lokale ziehen ein. Die meisten Marktbesucher sind begeistert.

An der Theke der »Bar Ochel« (Ess-Bar) trifft sich, besonders kurz vor dem Wochenende, ein illustres Völkchen: junge Leute aus der Gegend, mehr oder minder berühmte Teilnehmer von Realityshows und Touristen aus der ganzen Welt. Sie alle kommen, um die Atmosphäre einzusaugen und sich nebenbei einen köstlichen Happen zu gönnen. Ein original Schakschuka-Frühstück, einen »Marktsalat« für 25 Schekel (fünf Euro) oder ein Entrecote für 40. Die Preise sind zivil, der Service freundlich und prompt. Neben der Theke steht ein großer Teller mit frischen Antipasti – Gourmetfreuden unter freiem Himmel.

Stärkung Vor rund einem Jahr zog die Bar mit der rot-weiß gestreiften Markise an die Ecke im Gemüsemarkt. Daneben bietet Mosche das nahöstliche Gebäck Baklawa an, gegenüber stapelt sich Obst in allen Farben des Regenbogens. »Genau hier gehören wir hin«, macht Amit klar, der hinter der Theke ein Steak brutzelt. »Unsere Speisen werden mit den frischesten Produkten von den lokalen Händlern zubereitet. Sie sind so wie der Markt selbst: vielfältig und gleichzeitig bodenständig und ehrlich.«

»Endlich weht frischer Wind in den alten Gassen«, freut sich Sigal Azulai, die sich einen Kaffee Hafouch, die Isra-Variante des Cappuccino, schmecken lässt. Neben ihr stehen sechs, sieben prall gefüllte Einkaufstüten, aus denen jede Menge Grünzeug lugt. »Ich komme seit Jahren jeden Sonntagmorgen zum Einkaufen her. Es gibt alles und ist im Gegensatz zu den Supermärkten frisch und günstig.« Früher allerdings sei sie froh gewesen, wenn sie wieder auf dem Rückweg nach Hause war. »Jetzt macht es mir Spaß. Nachdem ich alles besorgt habe, gönne ich mir eine Pause und lasse inmitten des Treibens meine Seele baumeln.«

Viele Kunden bummeln nach dem Frühstück oder Mittagessen gestärkt an den Marktständen entlang, auf denen von Obst und Gemüse über Blumen und Haushaltswaren, »echt unechte« Luxussonnenbrillen bis zu gebrannten CDs so ziemlich alles zu haben ist. Gesundheitsbewusste Tel Aviver kehren gern für ihre Einkäufe bei »Nizat Duwdewan« ein, der Filiale der Biosupermarktkette mitten im Carmelmarkt.

Verfall Ein paar Stände weiter gen Süden runzelt Arik Cohen die Stirn, als er auf die Verjüngung angesprochen wird. Ein Trend? »Trend – Schmend!« Die Stadtverwaltung solle sich endlich um die Renovierung des Marktes kümmern, wie seit Ewigkeiten versprochen, wettert der Gemüsemann. »Wir haben keinen angemessenen Boden, keine richtigen Sanitäranlagen und vor allem kein Dach über dem Kopf.« Durch die halb offenen Wellblechdächer regnet es herein. Im Winter stehen Händler wie Kunden oft in zentimetertiefen Pfützen.

Auch die Politiker im Rathaus halten die Neugestaltung für unausweichlich. Im Bauplan steht geschrieben: »Der Markt und das umliegende Gelände sollen die Attraktivität und den Charme wiedererhalten, die sie in der Vergangenheit ausgemacht haben.« Doch noch lassen Abrissbirnen und Bulldozer auf sich warten. Fast ist alles so wie vor beinahe 90 Jahren, als an dieser Stelle – noch während der britischen Mandatszeit – die ersten Stände aufgebaut wurden.

Die Renovierung sei das Entscheidende, meint Cohen, alles andere Nebensache. »Aber die neuen Läden können da ja nichts für«, erklärt er versöhnlicher, »sie sind schon in Ordnung und locken auch neue Leute an.« Die Angst, dass die Alten langsam vertrieben werden könnten, hat er nicht. »Es kommt ja nur jemand Neues rein, wenn ein anderer geht.« Allerdings gebe es durchaus Kollegen, die Sorge hätten, dass durch die neuen Stände der alte Charakter des Marktes verloren gehen könnte.

Abbild Im »Olia« winkt Avnet Levy ab. »Das wird nie so sein. Auf dem Carmelmarkt ist Platz für alle. Er ist ein Abbild der Bevölkerung – und die besteht ja auch aus Alt und Jung.«

Das Geschäft für Olivenöl und alles, was dazugehört, ist fein herausgeputzt. Auf der gläsernen Theke sind die Produkte aufgereiht, jeder, der den Laden betritt, wird zum Probieren aufgefordert. Missstimmung zwischen den Neuankömmlingen und den alteingesessenen Händlern sei ein Hirngespinst, sagt der Leiter des Olia. »Es ist der Zeitgeist. Alles wird neu und frisch, egal, wo man hinschaut. Und das ist gut so. Denn die Besucher sind begeistert, und von dieser positiven Stimmung profitieren wir alle hier.«

Tel Aviv

Was passiert nach Netanjahus Begnadigungsantrag?

Versuche, die Prozesse durch eine Absprache zu beenden, gab es bereits. Selbst die Richter regten eine Einigung an. Wie steht es um die beantragte Begnadigung?

 01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Ehemalige Geiseln

»Eli war wie ein Vater für mich«

Alon Ohel und Eli Sharabi treffen sich nach der Freilassung zum ersten Mal wieder

von Sabine Brandes  01.12.2025

Haifa

Nach abgesagter Auktion: Holocaust-Zeugnisse jetzt in Israel

Die geplante Versteigerung von Holocaust-Zeugnissen in Deutschland hatte für große Empörung gesorgt. Nun wurden viele der Objekte nach Israel gebracht und sollen dort in einem Museum gezeigt werden

von Sara Lemel  01.12.2025

Jerusalem

Sa’ar kritisiert geplante Umbenennung des Dubliner Chaim-Herzog-Parks

Israels Präsident und Außenminister üben scharfe Kritik. Von einem »schändlichen und beschämenden Schritt« ist im Büro Isaac Herzogs die Rede

 01.12.2025

Tel Aviv

Tausende demonstrieren für Ran Gvili und Sudthisak Rinthalak

Der Vater von Ran Gvili sagt, es dürfe keinen »nächsten Schritt« geben, solange die Terroristen die letzten Leichen nicht herausgäben

 01.12.2025

Jerusalem

Bennett befürwortet Begnadigung Netanjahus – unter einer klaren Bedingung

Israel sei »ins Chaos und an den Rand eines Bürgerkriegs geführt worden«, so der Oppositionspolitiker. Um das Land aus dieser Lage herauszuholen, unterstütze er ein »verbindliches Abkommen«

 01.12.2025

Jerusalem

Netanjahu bittet Israels Präsidenten um Begnadigung

US-Präsident Trump hat eine Begnadigung des wegen Korruption angeklagten Regierungschefs Netanjahu gefordert. Nun schreibt Netanjahu selbst ein Gnadengesuch. Israels Opposition übt scharfe Kritik

 30.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025