Jerusalem

Ärger im Garten des Königs

Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat präsentierte am Dienstag vergangener Woche eine Vision: »Schließen Sie nur kurz die Augen und stellen sich vor, wie es aussehen könnte.« Und er fuhr fort: »Plätscherndes Wasser, ein grüner Park, die Schönheit dieses historischen Ortes.« Anhand von Grafiken stellte Barkat sein ehrgeizigstes Projekt vor: Gan Hamelech, den Garten des Königs, nennt er das Tal südöstlich des Tempelbergs. Hier soll König Salomo spazieren gegangen sein und sein »Hohelied« komponiert haben, König David soll an dieser Stelle seine Psalmen verfasst haben. Nach dem Tempelberg sei dies der zweitwichtigste Ort der Stadt. Das Areal im Stadtteil Silwan könnte jetzt zum Teil eines grünen Gürtels um die Altstadt und eine Attraktion für hunderttausende Touristen werden.

obstgarten Doch erinnert in dieser »Grünzone« nichts ans Bild vom friedlichen Touristenmagneten. Kaum etwas weist darauf hin, dass man sich in der Hauptstadt Israels befindet. Israelische Krankenwagen kommen hier nur mit militärischem Geleitschutz her. Jugendliche rasen in aufgemotzten Autos herum, wohl wissend, dass kein Polizist sie anhalten wird. Aus den offenen Wagenfenstern dröhnt arabische Musik und übertönt sogar den Ruf des Muezzins von der Al-Aksa-Moschee, die auf dem Berg thront. Wind wirbelt Müll durch die mit Schlaglöchern übersäte Bergstraße. Willkommen in Al Bustan, dem Obstgarten, wie das Tal der Könige bei den Palästinensern heißt.

Dass Barkat den palästinensischen Bewohnern des Stadtteils Wohlstand bringen will, glaubt in Al Bustan niemand. Seit Jahrzehnten ist man Versprechen der Stadtverwaltung gewöhnt. Sie wurden nie gehalten. Städtische Dienstleistungen sind ein Fremdwort: Es gibt keine Bibliothek, städtische Kindergärten, Parks oder andere Einrichtungen. Dringlichste Not ist jedoch der Mangel an Wohnraum. Für Palästinenser, die im Durchschnitt fünf Kinder pro Familie haben, ist es fast unmöglich, in Jerusalem eine Baugenehmigung zu erhalten. Deswegen errichten Tausende ihre Häuser unerlaubt.

Illegale Bauten So entstand in den vergangenen 20 Jahren Al Bustan. Insgesamt 88 palästinensische Häuser stehen dicht an dicht, völlig planlos und mit viel Improvisation aneinandergereiht. Es sieht aus wie in einem Flüchtlingslager: enge Gassen, die sich durch die Häuser winden, arabisches Graffiti glorifiziert den patriotischen Kampf gegen Israel.
Diesem Durcheinander will Barkat ein Ende setzen: Sein ambitionierter Plan sieht den Abriss von 22 Häusern vor, die anderen sollen rückwirkend eine Bauerlaubnis erhalten. Die Hälfte von Al Bustan soll dann in einen Park umgewandelt werden, als Entschädigung will Barkat ein 2.000 Quadratmeter großes Gemeindezentrum errichten und auf 3.000 Quadratmetern Raum für Geschäfte machen, die von den Bewohnern Al Bustans betrieben werden. »Es ist ein Gewinn für alle«, sagt Barkat. »Barkat ist ein Lügner. Es geht nicht darum, unsere Lebensbedingungen zu verbessern, sondern uns auszusiedeln«, sagt Khaled Zabarka, einer von vier Rechtsanwälten, die die Bewohner Al Bustans vertreten. »Wir wollen keinen Park. Wir wollen in unseren Häusern bleiben.«

Gegenentwurf Ein arabischer Architekt hat für Al Bustan einen alternativen Plan verfasst: Demnach sollen alle Häuser stehenbleiben dürfen, nur die Mauern zwischen ihnen werden abgerissen, aus Vorgärten soll ein öffentlicher Park werden.
Doch Barkat lehnte ab. Er will einen großflächigen Park für hunderttausende Touristen, verspricht aber Entschädigung und Baugenehmigungen für die verbleibenden Häuser. Palästinenser sehen dahinter eine Finte, die ihnen Jerusalem entreißen wird: »Die Idee vom Park soll die Welt beruhigen«, sagt Farhi Abu Diab, ein Aktivist aus Al Bustan. »Erst werden sie unsere Häuser abreißen, und dann wird ihnen plötzlich das Geld fehlen, um ihre Versprechen zu halten. Dann ziehen Juden ein«, sagt Abu Diab.
Während Barkat im Rathaus von Touristenströmen träumt, herrscht in Al Bustan Kriegsstimmung. Die Stimmung ist hier ohnehin aufgeheizt, seitdem die israelische Regierung historische Stätten im arabischen Westjordanland zum »jüdischen Kulturerbe« erklärte.
Seit Tagen liefern sich israelische Soldaten und Palästinenser deswegen Straßenschlachten. Auch am vergangenen Wochenende wieder. Ein paar Männer sitzen in einem Protestzelt: »Wir werden unter Einsatz unseres Lebens unsere Häuser und unser Land verteidigen, die Symbol unserer Ehre sind«, steht in roten arabischen Lettern auf einem Poster. »Wir gehen mit rechtlichen Mitteln gegen Barkats Plan vor. Sollte er trotzdem versuchen, uns aus unseren Häusern zu vertreiben, trägt er die Schuld für die Konsequenzen«, droht der ansonsten sanfte Zabarka. »Wenn man einem Mann sein Haus nimmt – wofür sollte er dann noch leben?«, fragt ein anderer Palästinenser, der seinen Namen nicht nennen will. »Ich werde mein Land nicht verlassen, solange ich lebe«, gelobt er. »Wir haben fast alle unter Kontrolle, aber wenn man uns in die Enge treibt, kann ich die Jugendlichen hier nicht mehr zurückhalten«, sagt auch Abu Diab.

Die Stadtverwaltung und die Bewohner scheinen auf einem unausweichlichen Kollisionskurs. Der nächste Kampf um Al Bustan ist nur eine Frage der Zeit.

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