Jerusalem

Abstimmung verschoben

Die Abstimmung über den Gesetzentwurf in der Knesset wurde um eine Woche verschoben. Foto: Flash 90

Israels Regierung hat die Abstimmung über den umstrittenen Gesetzentwurf, der Israel ausdrücklich als »Staat der jüdischen Nation« definiert, um eine Woche verschoben. Wie der israelische Rundfunk am Montag berichtete, soll damit ein drohender Bruch der Regierungskoalition abgewendet werden.

Das Kabinett in Jerusalem hatte eine Vorlage für das Nationalstaatsgesetz bereits am Sonntag nach einer teils ausgesprochen hitzigen Debatte gebilligt: 14 Minister stimmten für den Entwurf, sechs votierten dagegen.

koalition
Israels Justizministerin Zipi Livni, die das Gesetz vehement ablehnt, sagte am Sonntagabend in einem Interview mit dem israelischen TV-Sender Channel 2: »Ich werde dieses Gesetz nicht unterstützen, auch wenn ich gefeuert werde.« Am Montag wiederholte Livni ihre Haltung im Gespräch mit der Online-Zeitung ynet: »Der Premierminister (Benjamin Netanjahu) muss sich entscheiden, ob er seine Koalition zu Fall bringt und Minister feuert, weil sie ein Gesetz ablehnen, das sich gegen ein jüdisches und demokratisches Israel richtet. Wenn er deswegen Neuwahlen will – kein Problem.« Eine der diskutierten Fassungen sieht die Abschaffung von Arabisch als offizieller Amtssprache in Israel (neben dem Hebräischen) vor.

Bei dem Papier, über das das Kabinett am Sonntag abgestimmt hat, handelt es sich um einen Kompromiss aus verschiedenen Entwürfen der rechtsgerichteten Abgeordneten Ayelet Shaked (Das jüdische Haus) sowie der Likud-Politiker Yariv Levin und Zeev Elkin. Außer Justizministerin Livni (Hatnua) stimmten auch Finanzminister Yair Lapid (Jesch Atid) sowie vier weitere Minister, die Lapids säkularer Partei angehören, gegen den Gesetzentwurf.

Die Abstimmung, die für diesen Mittwoch geplant war und nun auf die kommende Woche verschoben werden sollte, wird voraussichtlich auf einer gemäßigteren Fassung des Entwurfs basieren. Darin enthalten sind 14 Prinzipien, die nach dem Willen von Premier Netanjahu klarstellen sollen, dass Israel das historische Heimatland des jüdischen Volkes ist. Außerdem soll die Gleichheit aller Bürger sowie laut der Zeitung »Times of Israel« nationale Rechte für Juden wie beispielsweise das Rückkehrrecht festgeschrieben werden.

Verfassung Der Staat Israel, in dem eine jüdische Bevölkerungsmehrheit und mehr als 20 Prozent arabische Bürger leben, hat keine Verfassung, die mit dem deutschen Grundgesetz vergleichbar wäre. Stattdessen gibt es mehrere einzelne Grundgesetze (Basic Laws). Justizministerin Livni kritisierte, die Regierung in Jerusalem versäume in der derzeitigen Debatte die Gelegenheit, auf die Ausarbeitung einer israelischen Verfassung hinzuwirken. Auch der israelische Generalstaatsanwalt Yehuda Weinstein lehnt den Entwurf ab. Die Gegner befürchten, das Gesetz könne Spannungen zwischen Juden und Arabern in Israel weiter verschärfen.

Koalitionschef Yariv Levin sagte dagegen am Sonntag: »Heute haben wir einen historischen Schritt unternommen, um Israel zu seinen zionistischen Wurzeln zurückzuführen, nachdem das Rechtssystem dem Staat und den Grundsätzen, auf denen er beruht, jahrelang Schaden zugefügt hat.«

Israels Wirtschaftsminister Naftali Bennett von der Partei »Das jüdische Haus«, einer der entschiedenen Befürworter des neuen Gesetzes, erklärte, es werde Süd-Tel Aviv vor »Eindringlingen« retten. In den ärmeren Stadtteilen im Süden der Mittelmeermetropole leben viele nichtjüdische Ausländer aus afrikanischen und anderen Ländern ohne Aufenthaltsgenehmigung.

Kritik Finanzminister Lapid dagegen kritisierte, das neue Gesetz versetze Israel in einen »vordemokratischen« Zustand. Wissenschaftsminister Yaakov Peri (Jesch Atid) sagte laut »Times of Israel«, es erinnere ihn »an Länder, die sich der Scharia unterwerfen«. Die Vorsitzende der linksliberalen Meretz-Partei, Zahava Gal-On, ging noch einen Schritt weiter: Netanjahu und seine Koalitionspartner begingen ein »Verbrechen gegen die israelische Demokratie«, sagte sie.

Ayelet Shaked vom »Jüdischen Haus« wiederum erklärte, es seien die Kritiker des Gesetzes, die Israels Zukunft gefährdeten. Netanjahus Kompromissvorschlag sei »eine gute Grundlage für das Gesetz«.

Der Likud-Abgeordnete Zeev Elkin meinte: »Die Manöver und Versuche derjenigen, die einen Palästinenserstaat gründen wollen, aber nicht bereit sind, den Staat Israel als Staat der jüdischen Nation zu definieren, werden nicht fruchten. Eine klare Mehrheit in der Regierung und im Volk besteht darauf, dass das Gesetz des Jüdischen Staats verabschiedet und in den Gesetzeskatalog aufgenommen wird.«

Anti-defamation League Abraham Foxman, Direktor der Anti-Defamation League (ADL) in den USA, kritisierte am Montagabend die politische Debatte über das Nationalstaatsgesetz in Israel. Sie unterminiere das grundlegende Prinzip Israels als jüdischer und demokratischer Staat, so Foxman: »Versuche, dieses Konzept in (Israels) Basic Laws (Grundgesetzen) weiter zu kodifizieren, sind gut gemeint, aber unnötig.«

Der jüdische und demokratische Charakter Israels, der den Staat als Heimatland des jüdischen Volkes festschreibe und all seinen Bürgern – unabhängig von ihrer Religion – gleiche Rechte garantiere, sei in der israelischen Unabhängigkeitserklärung von 1948 und anderen wichtigen Dokumenten und Gerichtsentscheidungen zum Ausdruck gekommen.

Beide Seiten hätten die aktuelle Debatte anhaltend und unnötigerweise politisiert, so Foxman. Es sei besorgniserregend, dass »einige einen politischen Prozess dafür nutzen, eine extreme Agenda voranzutreiben, die man als Versuch sehen könnte, den demokratischen Charakter Israels seinem jüdischen Charakter unterzuordnen«, beklagte der Direktor der Anti-Defamation League.

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann wird heute mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt. Bislang schwieg sie zur scharfen Kritik an ihrer Arbeit. Doch jetzt antwortete die ARD-Journalistin ihren Kritikern

 04.12.2025

Die letzte Geisel in Gaza

»Er ging als Erster – er kommt als Letzter zurück«

Ran Gvili war ein Polizist einer Eliteeinheit, der trotz gebrochener Schulter in den Kampf zog

von Sabine Brandes  04.12.2025

Prozess

Bitte um Gnade

Premierminister Netanjahu wendet sich überraschend an Staatspräsident Herzog

von Sabine Brandes  04.12.2025

Israel

Drei Brüder werden an einem Tag Väter - von vier Kindern

Zwillinge inklusive: Drei Brüder und ihre Partnerinnen schenken den Großeltern an einem Tag vier Enkel. Wie es zu diesem seltenen Familienglück kam

von Sara Lemel  04.12.2025

Preisvergabe

Charlotte Knobloch kritisiert Berichterstattung von Sophie von der Tann

Dass problematische Berichterstattung auch noch mit einem Preis ausgezeichnet werde, verschlage ihr die Sprache, sagt die Präsidentin der IKG München

 04.12.2025

Tel Aviv

Fast jeder vierte Israeli denkt über Auswanderung nach

Unter säkularen Juden ist die Zahl derer, die ein Auswandern erwägen, größer als in religiösen Gruppen und bei israelischen Arabern

 04.12.2025

Gaza

Sudthisaks letzte Reise hat begonnen

Der Leichnam des thailändischen Landarbeiters Sudthisak Rinthalak wurde am Mittwoch überführt. Nun befindet sich noch eine tote Geisel in Gaza, nämlich die von Ran Gvili

von Sabine Brandes  04.12.2025

Barcelona

Guinness World Records blockiert Bewerbungen aus Israel

Die israelische NGO Matnat Chaim will im kommenden Monat 2000 Nierenspender zusammenbringen. Dieser Rekord wird nicht registriert, da er im jüdischen Staat umgesetzt werden soll

 04.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  03.12.2025 Aktualisiert