Kulinarisch

Mehr als Kigl und Kischke

»Unser Erbe sind die Geschichten, Anekdoten und die Tradition«: Autorinnen Ellen Presser und Ruth Melcer (r.) Foto: Marina Maisel

Die Zahl der Kochbücher ist inflationär. Insofern wäre Ruths Kochbuch. Die wunderbaren Rezepte meiner jüdischen Familie, jüngst im Gerstenberg-Verlag erschienen und im Restaurant »Einstein« im Gemeindezentrum am Jakobsplatz vorgestellt, nur eine weitere Publikation von vielen.

In diesem Fall ist es aber anders. Die Schoa-Überlebende Ruth Melcer, die die überlieferten Rezepte ihrer jüdischen Familie aufschrieb, lieferte die Basis dieses ganz besonderen Buches, und IKG-Kulturchefin Ellen Presser hat daraus in Kooperation mit Melcer ein kleines Kunstwerk entstehen lassen. Auch IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch ist voll des Lobes und spricht von einem »wahren Schatz«.

Erinnerungen »Unser Erbe sind die Geschichten, Anekdoten und die Tradition. Und viele unserer Traditionen sind sehr eng mit dem Essen verknüpft, mit besonderen Speisen, erst recht an den Feiertagen. Deshalb habe ich die Rezepte festgehalten«, begründet Ruth Melcer ihre Motivation für das Buch. Darin sind die authentischen Familienrezepte mit Erinnerungen und Geschichten verwoben, die interessante Einblicke in die jüdische Kultur und Religion ermöglichen.

Ruth Melcer gewährt darüber hinaus auch Einblick in ihre eigene Familie, oftmals hoch amüsant. So schreibt sie über ihre Anfänge, der Kochkunst zu frönen: »Doch die besten Zutaten nützen nichts, wenn man nicht mit ihnen umzugehen weiß. Anfangs erledigte ich in der Küche alles, ohne Neigung und Können. Jossi musste das in den ersten Jahren unserer Ehe aushalten, denn nur Übung macht den Meister. Einmal setzte ich ihm ein Steak vor, zu dem ihm nur ein Kommentar einfiel: ›Ich wusste, dass du Chemie studiert hast. Dass man das an einem Steak ablesen kann, war mir neu‹.«

Es gibt aber auch Seiten im Buch, auf denen Humor und Ironie nichts zu suchen haben. Auf ihnen erfährt der Leser, welche fundamentale Bedeutung der Begriff »Essen« für Ruth Melcer hat. »Was ich als Kind zu essen bekam, weiß ich nicht mehr. Meine Erinnerung an Essen beginnt mit dem Moment, als es so gut wie nichts mehr gab.« Im Kapitel »Hunger« berichtet sie von Auschwitz, wohin sie 1944 als Mädchen zusammen mit ihrer Mutter deportiert wurde. »Da lernte ich, was Hunger bedeutet. Es war eine trostlose Zeit des Dahinvegetierens«, erinnert sich Melcer.

Gemeinschaft Mehr als 70 Jahre später hat Essen für Ruth Melcer eine wichtige soziale Komponente. »Heute bedeutet Essen für mich Gesellschaft, Gemeinschaft, wie ich das schon bei meinen Eltern kennengelernt habe. Alleine zu essen, macht keine Freude. Essen zuzubereiten nur, wenn ich sehe, wie gut es allen am schön gedeckten Tisch schmeckt. Das ist Esskultur für mich.« Ruth Melcer hat das Buch ihrer Großmutter, ihrer Mutter und ihren Tanten gewidmet.

Wie einem kleinen Nebensatz zu entnehmen ist, hat das Schreiben des Buches Ruth Melcer und Ellen Presser nicht nur viel Arbeit eingehandelt, sondern auch großen Spaß gemacht. Ellen Presser hat am Rande der Kochbuchvorstellung zudem durchblicken lassen, dass ein erheblicher Teil der Arbeit an der Publikation direkt in der Küche von Ruth Melcer stattfand. Ebenso ernüchtert wie vielsagend stellte sie deshalb fest: »Diese Kalorien!« Gleichzeitig lässt sie sich nicht beirren: »Der Blaubeerkuchen von Ruth Melcer ist einfach unschlagbar!«

Ruth Melcer/Ellen Presser: »Ruths Kochbuch. Die wunderbaren Rezepte meiner jüdischen Familie«. Gerstenberg, Hildesheim 2015, 160 S., 19,95 €

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