Berlin

Frauen erheben Vorwürfe gegen Rabbiner

Blick in die sefardisch-orthodoxe Synagoge »Tiferet Israel« in der Passauer Straße in Schöneberg Foto: Rolf Walter

Einem Bericht der Jewish Telegraphic Agency (JTA) zufolge sollen gegen einen Berliner Rabbiner Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe erhoben worden sein. Laut JTA sollen mehrere Frauen entsprechende Angaben gemacht haben.

Nach Informationen, die unserer Zeitung vorliegen, wurde in Berlin ein Fall 2018 zur Anzeige gebracht. Dabei soll es sich um Vorgänge in den Jahren 2008 bis 2009 gehandelt haben. Laut Anzeige habe der Rabbiner »psychischen und emotionalen« Druck auf die Frau ausgeübt und sie zudem mit »Heilsversprechen« zu sexuellen Handlungen gebracht. Es gebe »weitere Opfer«, so die Anzeigenstellerin.

ERMITTLUNGEN Die Berliner Staatsanwaltschaft teilte 2021 der Rechtsanwältin der Frau mit, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Rabbiner wegen des Vorwurfs »Sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung« eingestellt wurde, da es keinen hinreichenden Tatverdacht gegen den Beschuldigten gebe.

Laut Anzeige habe der Rabbiner »psychischen und emotionalen« Druck auf die Frau ausgeübt und sie zudem mit »Heilsversprechen« zu sexuellen Handlungen gebracht.

Die Frau hätte die dem Rabbiner vorgeworfenen mutmaßlichen Handlungen als Erwachsene »aus spirituell-religiösen Gründen geduldet und hingenommen«, so die Staatsanwaltschaft weiter. Die Anwältin beantragte daraufhin, die Ermittlungen wiederaufzunehmen.

Auf Anfrage teilte die Behörde nun mit, dass »weitere Ermittlungsverfahren wegen Vorwürfen im Bereich der Sexualstraftaten« bei der Staatsanwaltschaft Berlin nicht anhängig seien.

KONSEQUENZEN Wie berichtet wird, habe sich eine Betroffene nun direkt an den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, gewandt. Der Sprecher der Gemeinde, Ilan Kiesling, teilte unserer Zeitung mit, dass der amtierende Vorstand erst kürzlich von den Vorwürfen Kenntnis erlangt habe. »Angesichts der Schwere der Vorwürfe war der Vorstand schockiert und entrüstet«, der Rabbiner sei umgehend freigestellt und schließlich mit Wirkung zum 31. Mai fristlos gekündigt worden.

»Mit voller Transparenz muss das mutmaßliche Fehlverhalten juristisch aufgearbeitet werden.«

Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD)

Die Gemeinde werde Maßnahmen entwickeln, so Kiesling, um in Zukunft das Risiko derartiger möglicher Vorfälle zu minimieren. »Den Opfern hat die Gemeinde uneingeschränkte Unterstützung zugesagt – auch in Hinblick auf ein mögliches Verfahren vor dem Beit Din der ORD.«

UNTERSTÜTZUNG Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) hat inzwischen Kenntnis vom Sachverhalt, wie sie auf Nachfrage betätigte: »Der Beschuldigte war nie Mitglied der ORD. Auch wurde die ORD von der Jüdischen Gemeinde Berlin über diese Vorfälle offiziell nie informiert, aber betroffene Frauen sind in den letzten Tagen informell an uns herangetreten.«

Weiter heißt es seitens der ORD: »Wir ermutigen alle, die Opfer dieser Vorfälle waren, sich bei uns zu melden, damit wir hier Unterstützung und Hilfestellung leisten können. Ebenso muss mit voller Transparenz das mutmaßliche Fehlverhalten juristisch aufgearbeitet werden.«

Die Synagoge Passauer Straße bleibe bis zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts geschlossen, teilte die Gemeinde mit.

Die mutmaßlichen Vorwürfe würden in Richtung eines schwerwiegenden sexuellen und Machtmissbrauchs weisen, der auch nach der Halacha, also dem jüdischen Religionsgesetz, absolut verboten ist, so die ORD weiter. Jeder Fehltritt sei nicht nur unmoralisch und unethisch, sondern erschüttere auch das Vertrauen innerhalb einer Glaubensgemeinschaft, sodass, sollten sich die Vorwürfe letztlich bewahrheiten, aus Sicht der ORD auch eine künftige Tätigkeit als Rabbiner ausgeschlossen werde.

Auf Nachfragen verweist der Rabbiner auf seinen Anwalt, von dem bislang keine Stellungnahme zu erhalten ist.

HINTERGRUND Der Rabbiner war in der sefardisch-orthodoxen Synagoge »Tiferet Israel« in der Passauer Straße in Schöneberg tätig. Diese Einrichtung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin wurde 2006 eröffnet.

Unlängst teilten Beter unserer Redaktion mit, dass die Synagoge ohne Vorankündigung geschlossen worden sei. Dazu ließ die Gemeinde jetzt wissen: »Die Synagoge Passauer Straße bleibt vorübergehend bis zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts geschlossen. Die Beter können vorübergehend am Gottesdienst der nahe gelegenen Synagoge Joachimsthaler Straße teilnehmen.« ja

Anmerkung der Redaktion (Mittwoch, 21. Juni 2023):

Inzwischen hat der Rechtsanwalt des beschuldigten Rabbiners mitgeteilt, dass ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen seinen Mandanten bereits vor Jahren rechtskräftig eingestellt worden sei, ein strafrechtlich relevantes Verhalten habe diesem nicht nachgewiesen werden können. Die Jüdische Gemeinde Berlin habe bislang keinen Kündigungsgrund genannt, eine Kündigungsschutzklage sei anhängig. Gegen die Berichterstattung der JTA werde »zeitnah« vorgegangen.

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