Jubiläum

Die Frau mit der Kamera

»Margrit Schmidt soll 80 sein? Das will ich nicht glauben«, sagt Hermann Simon, Gründungsdirektor der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum. Wie fast alle in der Gemeinde kennt er die Fotografin, die jüdisches Leben in Berlin und deutschlandweit dokumentiert, seit vielen Jahren. Wann immer man zu einer jüdischen Veranstaltung komme, so Simon, Margrit Schmidt sei »schon da: zuverlässig wie eine gute Uhr und dabei geräuschlos«.

Auch die ehemalige Gemeindechefin und WIZO-Ehrenvorsitzende Lala Süsskind schätzt Margrit Schmidt – als Fotografin wie als Mensch. »Wenn ich sie kurzfristig um Hilfe bitte, dann weiß ich, dass sie alles möglich macht«, so Süsskind. Margrit Schmidt sei »zurückhaltend, ruhig, freundlich und unprätentiös«. Das Schöne an ihr sei, dass man gar nicht merke, »wenn sie einen fotografiert«.

veranstaltungen In den vergangenen Jahrzehnten hat Margrit Schmidt Tausende von Fotos in Synagogen, im Gemeindehaus und bei Veranstaltungen aufgenommen. In so ziemlich jeder Ausgabe des »Jüdischen Berlin« sind Bilder von ihr abgedruckt; sie ist ebenso für die Israelische Botschaft im Einsatz wie für die Gedenkstätten Topographie des Terrors und Deutscher Widerstand sowie für die Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum. »Wenn ich angerufen und gebeten werde, dann komme ich«, sagt die Berlinerin bescheiden.

Anlässlich ihres 80. Geburtstags am vergangenen Samstag hatte sie zum Kiddusch in ihr Bethaus, die Synagoge Pestalozzistraße, eingeladen. Neben ihren beiden Söhnen und deren Familien kamen auch etliche Freunde und Beter, um mit ihr zu feiern.

familie Margrit Schmidt wurde 1937 in Berlin geboren. Die ersten Lebensjahre verbrachte die Tochter eines jüdischen Vaters in Schöneberg – bis ihre Eltern sie aus Angst zu einer Tante schickten. 1943 kam sie zu ihrer jüdischen Familie ins damalige Rathsdamnitz bei Danzig. Der Onkel war nichtjüdisch – deshalb wurde die Familie dort geduldet, verlor aber allen Besitz. »Dort musste ich auch zur Schule gehen und bin gleich angeeckt, weil ich den Hitlergruß verweigerte«, erinnert sich Schmidt.

Nach Kriegsende kehrte sie zu ihren Eltern nach Berlin zurück. Ein Jahr später starb ihr Vater an den Folgen der Nazigräuel. »Das war schlimm für mich«, sagt sie. Heute bedauert sie vor allem, dass sie nicht weiß, wie ihre Eltern die Schoa überlebten – mit ihrer Mutter habe sie nie darüber gesprochen. Sie weiß nur, dass eine Tante in Riga und weitere Verwandte in Auschwitz ermordet wurden.

Mit ihrer Mutter lebte Margrit Schmidt als junges Mädchen in Lankwitz. Dort besuchte sie das Gymnasium, musste es allerdings nach der zehnten Klasse verlassen – die Familie konnte sich den Schulbesuch nicht leisten. So nahm sie eine Fotografenlehre auf, und als ihr Meister den Betrieb aufgab, wechselte sie zur Theaterfotografin Ruth Wilhelmi.

beruf »Das war eine tolle Sache, weil ich eine große Opern- und Theaterliebhaberin bin.« Schließlich wurde sie erst Gehilfin, dann Meisterin. Sie arbeitete bis zur Geburt ihres ersten Sohnes. Als ihr Mann eine Stelle in Nürnberg annahm, zog die Familie um. Nach der Scheidung – die beiden Söhne waren mittlerweile erwachsen – wollte Margrit Schmidt wieder in ihren geliebten Beruf einsteigen. Doch sie zögerte.

»Ich kannte mich nur mit Schwarz-Weiß-Bildern aus.« Ein ehemaliger Kollege sprach ihr jedoch Mut zu. Sie bildete sich fort und begann mit einer Teilzeitstelle, später war sie für fünf Filialen zuständig. Zusammen mit ihrem neuen Lebenspartner, einem Grafiker, machte sie sich in Wertheim/Main selbstständig. Dort stand sie auch für die Jüdische Gemeinde Nürnberg hinter der Kamera und erstellte eine Dokumentation über die jüdischen Landfriedhöfe.

Als sich ihre Mutter im Alter von 95 Jahren den Oberschenkelhals brach, kehrte sie nach Berlin zurück, um sich um sie zu kümmern. Die ersten Bilder knipste sie für die WIZO, später kamen immer mehr Auftraggeber hinzu. Noch in Nürnberg hatte sie sich dazu entschieden, offiziell zu konvertieren. Das sei ihr »ein Bedürfnis« gewesen.

»Möge sie uns noch lange mit ihren Fotos erhalten bleiben«, wünscht Hermann Simon der Jubilarin. Diesen Wunsch erfüllt sie gerne. Denn eines steht für sie fest: Den Fotoapparat wird sie auch in Zukunft immer dabei haben.

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