Medizingeschichte

Der jüdische Patient

Mit Wissen und Witz: Historiker Robert Jütte Foto: saa

Vor einigen Jahren gab es im Jüdischen Museum Wien eine Ausstellung mit dem Titel Der schejne Jid. Das Bild des ›jüdischen Körpers‹ in Mythos und Ritual. Dazu erschien damals ein Buch von Sander Gilman, Gabriele Kohlbauer-Fritz und Robert Jütte. Die Vorstellungen vom Körper aus jüdischer Sicht ließen den Medizinhistoriker Robert Jütte seitdem nicht mehr los.

Im Jüdischen Museum in München stellte er nun auf Einladung der Literaturhandlung sein kürzlich im Jüdischen Verlag bei Suhrkamp erschienenes Werk über Leib und Leben im Judentum vor. Gastgeberin Rachel Salamander betonte, »dass es die erste umfassende Darstellung des jüdischen Körpers ist, eine systematische Zusammenfassung riesiger Stoffmengen und Quellen, die von biblischen Zeiten bis in unsere Tage reichen«.

Schönheitsideal In sieben großen Abschnitten untersucht Jütte alles Wissenswerte über Haut und Haare, Hygiene und Speisevorschriften, Menstruations- und Bestattungsregeln, Fremdwahrnehmung und Schönheitsideale, Lebensende und Auferstehungsvorstellungen. »Warum soll man sich als Historiker überhaupt mit dem Körper befassen, zumal mit dem jüdischen?«, fragte Jütte seine Zuhörer in München – und gab selbst die Antwort.

Humorvoll und kenntnisreich belegte er mit Beispielen aus Literatur und Medizin, Religionsphilosophie und Zeitgeschichte die Wechselwirkungen von überlieferter Körperwahrnehmung, menschlicher Physis und Vorurteilen. Zu den hartnäckigsten Stereotypen gehört das von der »jüdischen Nase«. Dabei soll eine Studie Ende des 19. Jahrhunderts den höchsten Anteil jüdisch anmutender Nasen ausgerechnet in Bayern ausgemacht haben.

Auf die Frage nach »jüdischen Krankheiten« antwortete der vielseitig beschlagene Medizinhistoriker Jütte mit Wissen und Witz. Es gebe einige wenige genetisch bedingte Krankheiten bei aschkenasischen Juden wie Tay-Sachs und bei sefardischen Juden das Mittelmeerfieber. Ursachen dafür lägen in der isolierten Lebensweise und Siedlungsgeschichte.

Maimonides Die Debatte etwa zu Diabetes mellitus reiche bis ins 19. Jahrhundert zurück. (O-Ton Jütte: »Wenn ein Goj Durst hat – ein Symptom der Zuckerkrankheit –, geht er in die Kneipe. Wenn ein Jude zu viel Durst hat, geht er zum Arzt.«)

Interessant ist der Umgang mit Gesundheit und Schmerz auf jeden Fall. Der Körper werde, so der Historiker Jütte, nicht nur bei Maimonides als Wunderwerk Gottes betrachtet. Ihn gesund und am Leben zu erhalten, habe allerhöchste Priorität. Gesundheit sei ungleich wichtiger als irdische Reichtümer. Nicht zu verwechseln mit Schönheit: »Denn nicht der ansehnliche, sondern der geistig gebildete Jude« sei das Ideal gewesen.

Sachsen

Zahlreiche Spenden für Rettung von Synagogen-Relikt

Baumaßnahmen für die Sicherung des Mauerrests sollen im kommenden Frühjahr beginnen

 09.07.2024

Potsdam

Neues Synagogenzentrum vor Einweihung

Zu dem Festakt wird auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet

 04.06.2024

Berlin

Mehrere Hundert Menschen bei bunter Lag-BaOmer-Parade

Rabbiner Yehuda Teichtal: Starkes Zeichen für fried- und respektvolles Miteinander

 27.05.2024

Boris Schulman

Dieses Jahr ist Jom Haschoa anders

Zum Tag des Gedenkens an die Schoah reflektiert unser Autor die Bedeutung des Heimatbegriffs in Bezug auf Deutschland und Israel

von Boris Schulman  07.05.2024

Oldenburg

Brandanschlag auf Synagoge: Erste Hinweise auf Tatverdächtigen

Für Hinweise, die zur Tataufklärung führen, ist eine Belohnung in Höhe von 5000 Euro ausgesetzt

 06.05.2024

Berlin

Zeichen der Solidarität

Jüdische Gemeinde zu Berlin ist Gastgeber für eine Gruppe israelischer Kinder

 15.04.2024

Berlin

Koscher Foodfestival bei Chabad

»Gerade jetzt ist es wichtig, das kulturelle Miteinander zu stärken«, betont Rabbiner Yehuda Teichtal

 07.04.2024

Hannover

Tränen des Glücks

Auf der Damentoilette gibt es eine Schminkorgie, während Backstage auch mal die Gefühle durchgehen. Aber »je näher der Abend, desto geringer die Aufregung«

von Sophie Albers Ben Chamo  31.03.2024

Hannover

»Alle sollen uns hören und sehen!«

Tag zwei der Jewrovision beweist, dass immer noch mehr Energie möglich ist. Nach Workshops und Super-Hawdala geht es zur Kirmes und auf die Zielgerade zur Generalprobe am Sonntagvormittag

von Sophie Albers Ben Chamo  30.03.2024