Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) hat sich gemeinsam mit ihrem Kooperationspartner IsraAID an der erstmals durchgeführten »Nacht der Solidarität« beteiligt. So hatte der rot-rot-grüne Berliner Senat seine Zählaktion genannt, die in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch auf Berliner Straßen durchgeführt wurde und die Zahl der Obdachlosen erfassen sollte.
»Unsere beiden Teams bestanden aus jeweils vier Personen und waren im Bereich Westend rund um die U-Bahn-Stationen Ruhleben und Olympiastadion im Einsatz«, sagte Günter Jek von der ZWST. Die Gebiete, in denen die Helfer unterwegs waren, wurden von der Sozialverwaltung zugeteilt.
Das Zählteam von ZWST und IsraAID war im Bereich Westend unterwegs.
Die Zählteams durchstreiften auf festgelegten Routen und Karrees die zwölf Berliner Bezirke. Jedes Team hatte einen eigens geschulten Leiter, der vorab Instruktionen gab, wie vorzugehen ist. An den sogenannten Hotspots von Obdachlosen wie Bahnhof Zoo und Bahnhof Lichtenberg, der Rummelsburger Bucht oder dem Kottbusser Tor wurden die Zählteams durch Straßensozialarbeiter verstärkt.
Die Zahl der Obdachlosen in Berlin hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Menschen, die unter Brücken, in Parks und vor Hauseingängen schlafen, gehören längst zum Stadtbild, hieß es. Nicht sicher ist bislang jedoch, wie viele es sind. Schätzungen gehen von 6000 bis 10.000 Obdachlosen aus, die auf den Berliner Straßen leben. Um Klarheit zu bekommen, hatte Berlin nun die bundesweit erste Obdachlosenzählung durchgeführt. Vorbilder gibt es unter anderem in New York und Paris.
Nach fünfmonatiger Vorbereitungszeit in der Senatssozialverwaltung waren zwischen 22 und ein Uhr morgens mehr als 3700 freiwillige Helfer in der Stadt unterwegs. In blaue Westen gekleidet, waren sie als Helfer kenntlich. 600 Teams zählten und befragten die Obdachlosen.
Die Beantwortung der Fragen war freiwillig. Wer nicht antworten wollte, wurde nur gezählt.
Die Fragebögen in acht Sprachen thematisierten zum Beispiel, wie lange die Obdachlosen auf der Straße leben und aus welchen Ländern sie kommen. Die Beantwortung war freiwillig. Wer nicht antworten wollte, wurde nur gezählt.
Die Zählbezirke, die ZWST und IsraAID übernommen hatten, »gehörten nicht zu den Kiezen, in denen es besonders viele Obdachlose gibt, da dort einfach keine Infrastruktur für sie besteht«, sagte Jek. So habe sein Team lediglich einen auf der Straße lebenden Menschen angetroffen.
Hilfsangebote Auch wenn die Ergebnisse der Berliner Zählung erst am 7. Februar bekannt gegeben werden, wertete Jek die Aktion schon jetzt als Erfolg. »Um gezielt soziale Hilfsangebote bereitstellen zu können, muss es Klarheit darüber geben, wie groß der Bedarf ist«, sagte Jek.
Die große Zahl an Freiwilligen, die sich an der Zählaktion beteiligt haben, stimme ihn positiv. »In der Berliner Zivilgesellschaft gibt es ein großes Problembewusstsein für die Herausforderung, die die im Stadtbild präsente Obdachlosigkeit darstellt.«
Die Zählaktion soll zu verbesserten Hilfsangeboten für Obdachlose führen.
Von den konkreten, in der »Nacht der Solidarität« gesammelten Zahlen erhoffen sich die Sozialverwaltung und Sozialverbände, die Hilfsangebote für wohnungslose und auf der Straße lebende Menschen verbessern zu können. »Wenn wir etwas verändern wollen, dann auf Grundlage von Daten und nicht eines Bauchgefühls«, wie Berlins Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) im Vorfeld der Aktion gesagt hatte.
auswertung Wissenschaftlich ausgewertet werden die Zahlen unter anderem an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin unter Leitung der Armutsforscherin Susanne Gerull. Valide Daten zur Wohnungslosigkeit fordern Wohlfahrtsverbände und Wissenschaft von der Politik schon seit Jahrzehnten.
Deshalb dürfe die Zählung auch kein einmaliges Event bleiben, sagte die Professorin für Soziale Arbeit. Sie könne sich vorstellen, dass die Zählungen regelmäßig im Winter und im Sommer durchgeführt werden. Zudem müssten bei weiteren Erhebungen auch diejenigen Menschen erfasst werden, die wohnungslos sind, aber nicht auf der Straße leben. »Aus Daten müssen dann Taten werden«, sagte Gerull. jlo/epd