Kunst

Bilder gegen das Vergessen

Adolf Frankl hat Auschwitz überlebt. Losgelassen haben ihn die Erinnerungen daran nie. Mit hunderten Gemälden und noch mehr Zeichnungen und Grafiken hat der österreichische Maler nach dem Krieg versucht, seine traumatischen Erlebnisse auszudrücken und aufzuarbeiten. Es sind beeindruckende Werke entstanden, die von nun an in der Sonderausstellung Adolf Frankl – Kunst gegen das Vergessen im NS-Dokumentationszentrum zu sehen sind.

Die meisten Bilder zeigen das Grauen des Vernichtungslagers Auschwitz: leblose und grotesk verzerrte Körper, Gesichter, denen sich der Schrecken förmlich eingebrannt hat – so wie sich auch die Erinnerungen in Frankls Gedächtnis eingebrannt haben. Zur Eröffnung der Ausstellung in der vergangenen Woche waren Frankls Sohn Thomas und dessen Frau Inge Ruth aus Wien angereist – und suchten den Dialog. »Es ist wichtig, dass wir miteinander sprechen und aufklären. Und wir sollten auch in der Lage sein, Untaten zu verzeihen«, beschreibt Thomas Frankl das Vermächtnis, das sein Vater hinterlassen hat.

erinnerung IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, selbst Holocaust-Überlebende, kann sich in die Gedankenwelt von Adolf Frankl gut hineinversetzen. »Das Durchlittene lässt uns Zeitzeugen niemals los, aber wir mussten Wege finden, mit der Erinnerung weiterzuleben und unsere Erfahrungen an die nachfolgenden Generationen zu vermitteln«, sagte sie bei der Eröffnung der Sonderausstellung. Adolf Frankl, so die IKG-Präsidentin, habe die Kunst zu seiner Überlebensstrategie gemacht und mit seinen Bildern der Nachwelt auch eine klare Botschaft hinterlassen: Nie wieder!

Diesen Anspruch formulierte auch der Sohn des 1983 verstorbenen Künstlers. »Mein Vater wollte mit seinen Bildern ein Zeichen gegen das Vergessen setzen. Diese Mission von ihm hat sich mit der Schau ein weiteres Mal erfüllt«, erklärte er im NS-Dokumentationszentrum und war sich der besonderen Bedeutung des Ausstellungsortes durchaus bewusst. Es sei eine besondere Ehre, die Bilder an einem derart geschichtsträchtigen Ort zeigen zu können.

Von einer besonderen Ehre wollte Münchens Kulturreferent Hans-Georg Küppers nichts wissen, ganz im Gegenteil. »Es ist unsere Aufgabe«, erklärte er, »Erinnerungen von Zeitzeugen festzuhalten und weiterzugeben – in der Literatur, der Musik, der bildenden oder darstellenden Kunst –, um auch damit eine demokratische Zukunft zu gestalten, die die Würde des Einzelnen in den Mittelpunkt stellt.« Adolf Frankl als Zeitzeuge gelinge es besonders eindringlich, den Verbrechen des NS-Terrors für die nachfolgenden Generationen ein Bild zu geben. »Sein Werk ist ein bewegender künstlerischer Appell an die Menschlichkeit«, so Küppers.

intensiv Winfried Nerdinger, Gründungsdirektor des NS-Dokumentationszentrums, ging auf die besonders intensive Farbgebung ein, die Adolf Frankl seinen Werken trotz der inhaltlichen Schwere der Thematik verliehen hat. »Die Farbigkeit in seinen Bildern ist Ausdruck der Authentizität und psychischen Wirkkraft des Erlebten.« Die Darstellung wie auch die Verarbeitung des Traumas übertrage sich von den Bildern mit der ungeheuren Intensität direkt auf den Betrachter, so Nerdinger weiter. »Die Bedeutung dieser Bilder liegt darin, dass ein hochbegabter Künstler als Augenzeuge das Grauen von Auschwitz vermittelt.«

Der Direktor des NS-Dokumentationszentrums erinnerte bei der Ausstellungseröffnung auch daran, dass die Frage, ob Kunst den Holocaust überhaupt darstellen kann, viel und kontrovers diskutiert wird. Die Argumentation, dass Bilder die Erinnerung zerstören und das Grauen verniedlichen würden, könne er durchaus nachvollziehen, sagte Nerdinger. Dennoch ist er überzeugt: »Ja, ein Augenzeuge kann den Schrecken darstellen.«

Im ersten Drittel der Ausstellung ist ein längerer Text von Adolf Frankl zu finden, der dieser Frage ebenfalls nachgeht. »Wie ich meine Visionen auf die Leinwand bringe«, hat er den Beitrag überschrieben. »Über seine Erlebnisse in Auschwitz sprach Adolf Frankl nie, er hat sie ausschließlich in seine Werke eingebracht«, erlaubte Sohn Thomas einen weiteren Einblick in das Selbstverständnis seines Vaters.

Mahnung Seine Absichten hat Adolf Frankl zu Lebzeiten klar formuliert: »Mit meinen Werken habe ich allen Völkern dieser Welt ein Mahnmal gesetzt. Es soll niemandem, egal welcher Religion, Rasse oder politischen Anschauung, dieses oder Ähnliches widerfahren.« Seine über 1000 Zeichnungen und fast 300 Gemälde befinden sich zum größten Teil in Familienbesitz. Nach dem Willen von Thomas Frankl und seiner Frau soll dies auch so bleiben, um das Gesamtwerk des Künstlers nicht auseinanderzureißen.

Bei ganz wenigen Persönlichkeiten und Institutionen hat Frankl eine Ausnahme gemacht: Bundespräsident Richard von Weizsäcker bekam eines seiner Bilder, die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem ebenfalls. Eine ständige Ausstellung seiner Werke ist in Wien, Am Judenplatz 2, im »Art Forum« zu sehen. Wie lange noch, hängt von der Großzügigkeit der Sponsoren ab.

Adolf Frankl: »Kunst gegen das Vergessen«. Bis 25. September im NS-Dokumentationszentrum München

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