Kundgebung

Aufstehen gegen Antisemitismus

Auf dem Platz der Opfer des Nationalsozialismus haben sich am Dienstagabend rund 1000 Menschen versammelt, jüdische und nichtjüdische Münchner, um ein Zeichen zu setzen, dass Antisemitismus in jeder Form in Deutschland geächtet wird. Unter dem Motto »Wehret den Anfängen« hatte die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern zu der Kundgebung gegen Antisemitismus und Antizionismus eingeladen.

Die jüdische Gemeinschaft sieht sich in der jüngsten Vergangenheit auch in der Bundesrepublik mit einer neuen Dimension des Judenhasses konfrontiert. Deshalb, so Präsidentin Charlotte Knobloch, solle die Kundgebung die Gesellschaft aufrütteln: »Wir dürfen unser Land nicht dem radikalen Mob auf der Straße überlassen. Die Zivilgesellschaft muss dem ein Signal des Widerstandes entgegensetzen.«

Ungeist Unter den Teilnehmern der Veranstaltung waren auch viele hochrangige Vertreter aus Politik und Kirchen. Knobloch dankte ihnen und sah darin ein Zeichen, dass die Repräsentanten der parlamentarischen Demokratie verlässlich an der Seite ihrer jüdischen Bürger stehen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, so Knobloch, habe sie angerufen: »Sie ist selbst entsetzt und entrüstet und sie hat versichert, diesen Ungeist mit aller Entschlossenheit einzudämmen.«

Für Charlotte Knobloch ist dieser Rückhalt aus Politik, Kirchen und Verbänden ein Zeichen für die Stabilität der Staatsräson in Deutschland – und der entscheidende Unterschied zu den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Ausdrücklich dankte sie auch der Polizei, die nicht nur an diesem Abend für Sicherheit sorgte.

Doch eines vermisst Charlotte Knobloch: einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung, einen Aufschrei gegen die verbalen und auch tätlichen Übergriffe gegen die jüdische Bevölkerung. Ihre Anerkennung galt deshalb auch den 50 Persönlichkeiten, die sich in einer deutschen Tageszeitung mit einem Statement unmissverständlich gegen Antisemitismus zu Wort gemeldet hatten.

Medien Dass es bei der Berichterstattung stets auch auf die Wortwahl ankomme, hatte bereits der frühere IKG-Vizepräsident Yehoshua Chmiel in seiner Anmoderation unterstrichen. Unter den vielen Presseberichten der zurückliegenden Tage konnte er nur wenige entdecken, die Ursache und Wirkung klar benannten.

Deutliche Worte sprachen an diesem Abend die Redner aus Politik, Kirchen und Gewerkschaften. Es war viel mehr als nur ein Akt der Höflichkeit, dass derart viele hochkarätige Repräsentanten aus Politik und Kirche an der Kundgebung gegen Antisemitismus und Antizionismus teilnahmen.

Und Präsidentin Charlotte Knobloch hätte angesichts der neuen Dimension an Judenhass, der in den vergangenen Tagen ganz Deutschland überzog, wohl auch kaum einen geeigneteren Ort als den Platz der Opfer des Nationalsozialismus in der Münchner Innenstadt wählen können. Das Kundgebungsmotto »Wehret den Anfängen« erinnerte an jene Zeit der deutschen Geschichte, als Antisemitismus das perverse Credo der Nazis war.

Holocaust Charlotte Knobloch, selbst Überlebende der Schoa, machte aus ihrem Entsetzen über den neu entflammten Antisemitismus keinen Hehl: »Wo Synagogen wieder angegriffen werden, wie heute in Wuppertal, wo aufgerufen wird, Juden zu ermorden und ihre Gotteshäuser abzubrennen, wo der Holocaust relativiert oder gar glorifiziert wird, offenbart sich blanker Hass, der vor nichts zurückschreckt. Aber wir Juden werden nicht mehr Opfer sein, nicht in diesem, unserem Land. Wir erwarten, dass unsere Gesellschaft diesen Hass eben nicht toleriert.«

Bundeskanzlerin Angela Merkel erfüllt diese Erwartung, wie Charlotte Knobloch nicht zuletzt nach dem Telefonat mit ihr feststellte. »Auch sie«, sagte die Präsidentin, »ist zutiefst entsetzt darüber, was sich in unserem Land ereignet, und versichert, diesen Ungeist mit aller Entschlossenheit einzudämmen.«

Ein »Signal des Widerstandes« erwartet Knobloch aber auch von der Zivilgesellschaft. »Wir dürfen unser Land nicht dem radikalen Mob auf der Straße überlassen«, erklärte sie unter dem Beifall der Kundgebungsteilnehmer, unter die sich viele prominente Gäste gemischt hatten. CSU-Vize Peter Gauweiler gehörte zum Beispiel dazu, Focus-Herausgeber Helmut Markwort, der Münchner Altoberbürgermeister Hans-Jochen Vogel sowie eine ganze Reihe von Landtagsabgeordneten, Stadträten und Vertretern von DGB und des Kreisjugendrings.

Rückhalt Charlotte Knobloch verstand dies als Beweis für den Rückhalt aus Politik, Kirchen und Verbänden. Der Applaus, der ihre Rede immer wieder unterbrach, bestärkte sie in dieser Hinsicht, ebenso wie die Worte der anderen Redner des Abends. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt etwa brachte zum Ausdruck, dass er sich zum Kommen verpflichtet gefühlt hat. »Deutschland ist unsere Heimat, Deutschland ist auch die Heimat der deutschen Juden«, betonte er.

Auch er zeigte sich schockiert von »der bedrohlichen Kombination aus Hass und Menschenverachtung«, die jüdischen Bürgern derzeit entgegenschlage und als »Angriff auf die Wertgemeinschaft« verstanden werden müsse. Schmidt erinnerte an das Nazi-Regime und an die daraus resultierende besondere Verantwortung der Deutschen gegenüber dem jüdischen Volk und dem Staat Israel: »Die Existenz Israels darf nicht infrage gestellt werden.«

»Was in den letzten Tagen passiert ist, hat uns tief getroffen. Es ist eine Schande für unser Land«, unterstrich Landtagspräsidentin Barbara Stamm ihre Stimmungslage. »Jetzt ist Zivilcourage gefragt und offene Ohren, offene Augen und eine laute Stimme. Wir wissen, wohin Intoleranz und Rassismus führen können.«

Solidarität In ähnlicher Weise äußerten sich auch Kultusminister Ludwig Spaenle, der in Vertretung für Ministerpräsident Horst Seehofer gekommen war, sowie Münchens zweiter Bürgermeister Josef Schmid, Altoberbürgermeister Christian Ude und Bayerns DGB-Vorsitzender Matthias Jena. Mit Weihbischof Wolfgang Bischof und Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler als Redner bekundeten auch die großen Kirchen ihre Solidarität mit den jüdischen Bürgern und dem Staat Israel. Christian Ude betonte, dass er sich nie hätte vorstellen können, dass hierzulande noch einmal solcher Antisemitismus wieder aufflammen würde.

Die Kundgebung endete mit einer Schweigeminute für die Opfer des Nationalsozialismus sowie für die unschuldigen Opfer des Nahostkonflikts. Den Blick auf die Zukunft und ihre Herausforderungen hatte Charlotte Knobloch präzise formuliert: »Jetzt gilt es, unsere Freiheit zu schützen, unsere Demokratie und unsere Werte – gemeinsam, als Gesamtgesellschaft! Ich rufe die Menschen auf, an dieser Kundgebung teilzunehmen – als wehrhafte Demokraten, als Münchner, Bayern, Deutsche und Weltbürger. Kurzum: als Menschen.«

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