Rosch Haschana

Auf bessere Zeiten!

Grußwort der IKG-Präsidentin zum Neuen Jahr

von Charlotte Knobloch  11.09.2012 17:06 Uhr

Religiöse Heimat für die Gemeindemitglieder: die Synagoge Ohel Jakob Foto: Miryam Gümbel

Grußwort der IKG-Präsidentin zum Neuen Jahr

von Charlotte Knobloch  11.09.2012 17:06 Uhr

An Rosch Haschana blicken wir zurück auf das, was war, und hoffen auf das, was kommt. Die Töne des Schofar ermahnen uns, die Art und Weise zu überdenken, in der sich das Ereignete zugetragen hat. Wir bitten um Verzeihung und reichen die Hand zur Versöhnung. Wir danken Haschem für das Gute, das er uns hat angedeihen lassen, und bitten ihn, uns für das kommende Jahr in das Buch des Lebens einzuschreiben – ein erfolgreiches, glückliches, gesundes und friedvolles Jahr. Ein solches Jahr wünsche ich uns allen – persönlich und im Namen des Vorstandes.

Herausforderungen Nur Haschem weiß, was das kommende Jahr bringen wird. Doch Er fordert von uns, dass wir die vor uns liegenden Herausforderungen angehen. Im Namen des im Sommer neu gewählten Vorstandes danke ich auch hier noch einmal allen Wählerinnen und Wählern, die mit ihrer Beteiligung an den Gemeindewahlen ihr Interesse an der Mitgestaltung der Zukunft unserer Gemeinde bewiesen haben.

Die Aufgaben sind zahlreich und liegen auf unterschiedlichsten Feldern vor uns – innerhalb der IKG und im Dialog mit der nichtjüdischen Gesellschaft. Glücklicherweise leben wir in München in einem Umfeld, das seitens der Stadt mit Oberbürgermeister Christian Ude und des Freistaates mit Ministerpräsident Horst Seehofer uns und unseren Anliegen wohlgesonnen ist. Dies ist die positive Voraussetzung, wenn es bald um die Verhandlungen zum Staatsvertrag geht. Analog zu diesem hoffen wir auf eine entsprechende kommunale Einigung, in der die erforderlichen Fördermittel für die Kultusgemeinde hieb- und stichfest fixiert werden. Die finanzielle Basis ist ein wesentliches Fundament der Gemeindearbeit.

Betreutes Wohnen und Kinderkrippe sind da nur zwei Beispiele. Wichtig für uns alle ist und bleibt die Verbindung der Generationen untereinander und zur Gemeinschaft in der IKG. Mit dem Gemeindezentrum ist ein Zuhause für alle entstanden, das von vielen gerne angenommen wird. Wie in einer Familie, so muss auch das Miteinander in unserer Gemeinschaft – so selbstverständlich es auf den ersten Blick erscheint – immer wieder neu erarbeitet und manchmal auch erkämpft werden. Auch am Jakobsplatz reicht ein Haus alleine nicht.

Heimat Mit viel Engagement arbeiten die Verantwortlichen der einzelnen Abteilungen gemeinsam mit Präsidium und Vorstand erfolgreich daran, dass die Gemeindemitglieder, für die das Zentrum ja schließlich gebaut wurde, hier die religiöse Heimat finden, in der sie sich wohlfühlen. Das reicht von persönlichen und individuellen Hilfestellungen und Handreichungen etwa in Rabbinat und Sozialabteilung bis zum gemeinsamen Feiern im Hubert-Burda-Festsaal.

Dem Kindergarten, der Sinai-Schule und dem Jugendzentrum möchte ich für ihr Engagement besonders danken. Mein tiefer Dank gilt überdies der Sicherheitsabteilung, die mit größtmöglicher Sorgfalt und Aufmerksamkeit den Schutz unserer Brüder und Schwestern und unserer Einrichtungen gewährleistet. Ein gutes und freudvolles neues Jahr wünsche ich vor allem auch den Seniorinnen und Senioren, die im Saul-Eisenberg-Seniorenheim dank der fürsorglichen Betreuung der Pflegekräfte einen würdigen letzten Lebensabschnitt erleben. Dankbar und zugleich voller Vorfreude bin ich angesichts des breit gefächerten Angebots der Kulturabteilung, das wesentlich für die Förderung des Dialogs mit der nichtjüdischen Stadtgesellschaft ist.

Schließlich leben wir nicht auf einer Insel – nicht im luftleeren Raum. Jenseits der gemeindeinternen Agenda sind es vor allem die politischen Entwicklungen – in Deutschland wie in Israel und weltweit –, die unsere volle Aufmerksamkeit fordern. Wir erleben und beobachten zunehmend besorgt gesellschaftliche Tendenzen, die uns nachdenklich stimmen müssen.

Die Debatte über die Beschneidung schlägt nach wie vor hohe Wellen. Noch ist offen, ob wir bald mit einer guten Lösung rechnen dürfen. Nicht genug, dass wir ertragen müssen, dass ein Wesenselement unserer Religion und ein Kern unserer Identität zum Gegenstand einer unerträglichen öffentlichen Diskussion geworden ist, die von Unwissenheit, Gleichmacherei, gutmenschlicher Bevormundung und religionskritischer Besserwisserei geprägt ist.

Zeitgeist Zwischen den Zeilen, die gesagt und geschrieben werden, kommt ein Zeitgeist zum Ausdruck, der weit über die Grenzen aufklärerischen, freiheitlichen Denkens hinausgeht. Ich vermisse die Wertschätzung der christlich-jüdischen Basis, die doch gerade erst mit größter Begeisterung allerorts zitiert wurde. Diese jüngst gehäuft vorkommenden negativen Ausreißer des angestrebten respektvollen Miteinanders sind keine Basis für eine gemeinsame Zukunft – nach der wir uns alle sehnen.

Zumal angesichts der Grauen der Vergangenheit, die wir nicht mehr ändern können – die unkündbar sind. Gemeinsam gedenken und erinnern wir – die christliche und die jüdische Bevölkerung – an die Verbrechen und die Katastrophen der jüngeren Geschichte. Ich bin dankbar und glücklich, dass uns sowohl Vertreter des öffentlichen und politischen Lebens der Bundesrepublik sowie zahlreiche Bürger der Stadt in unserem Gedenken zur Seite stehen.

Und doch stelle ich mir immer wieder die Frage, was zu tun ist, damit die Erinnerung als Voraussetzung und Verpflichtung für unsere Zukunft auch in den Herzen der Menschen ankommt – also mehr wird als ein jährliches Ritual.

Wie geht es weiter mit unserer Erinnerungskultur, wenn die Geschichte ihrer Genossenschaft – den Überlebenden und Zeitzeugen – entschwindet? Ich hoffe und wünsche mir, dass sich die Jugend von heute ihrer Verantwortung bewusst ist. Wir wissen: Wer sich der Geschichte verschließt, ist verdammt, ihre Fehler zu wiederholen. Nur wer sich erinnert und die richtigen Lehren aus der Vergangenheit zieht, hat eine Zukunft.

Zeichen Bei der Gedenkfeier für die Opfer des Olympia-Attentats von 1972 in der vergangenen Woche gelang in Fürstenfeldbruck, was auf internationaler olympischer Ebene in London nicht gelingen sollte. In fester Geschlossenheit haben wir ein Zeichen gesetzt: für Frieden, für Freiheit, für Hoffnung und für den Erhalt und die Stärkung gemeinsamer Werte. Dabei wurde aber auch deutlich, dass nicht nur hinsichtlich dieser Tragödie noch viele Fragen offen sind.

Das Attentat war ein Anschlag auf alle – auf die olympische Idee, die Vision von Freiheit und Frieden für alle Menschen. Der international agierende Terrorismus richtet sich gegen die gesamte aufgeklärte, zivilisierte Welt. Gegen uns, die wir bewusst und wehrhaft in freiheitlich-demokratischen Systemen leben wollen. Gegen unsere innere Haltung – unsere liberale Lebensweise. Hier hat sich in den zurückliegenden 40 Jahren leider nicht viel geändert.

Die Vergangenheit lehrt uns, dass Zivilisation keine Einbahnstraße ist. Der Mensch war, ist und bleibt zu Unmenschlichkeit imstande. Es ist an uns, dieser Tatsache, dieser Gefahr ins Auge zu blicken und Tag für Tag in unserem Denken und mit unserem Handeln entgegenzutreten. Menschliche Stärke bedeutet die Fähigkeit zu Umkehr, zu Erkenntnis. Die Gabe, ja die geistig-moralische Selbstverpflichtung, auf den Ruinen einer Katastrophe eine neue, eine bessere Welt entstehen zu lassen – Wahn mit Vernunft zu beantworten.

Judenfeindschaft Dass dies alles andere als einfach ist, zeigt vor allem der wiedererstarkte Antisemitismus in unserem Land. In Gestalt von Antizionismus und Israelfeindlichkeit wurde er wieder salonfähig und offenbart sich immer ungenierter und zügelloser – auch in Deutschland. Die Hetzkampagne in Versform eines alternden deutschen Literaturnobelpreisträgers war letztlich nur die vorläufige Spitze des Eisbergs. Israel ist zum Ventil all jener geworden, die in ihren Augen lange genug ihre Judenfeindschaft heruntergeschluckt haben und die sich nun immer öfter lauthals und mit großer Genugtuung an Israel abarbeiten. Das erfüllt mich mit Trauer und mit Sorge.

Sorge habe ich auch um Israel. Jenseits von Europa warten wir auf nachhaltige positive Signale des Wandels in den Ländern der »Arabischen Revolution«. Und wir harren der Dinge in Syrien. Die Entwicklungen, insbesondere die Folgen für Israel, sind noch völlig unabsehbar. Die Menschen dort leben seit 64 Jahren in einem Zustand ständiger, latent abstrakter oder konkreter Bedrohung.

Solidarität Zuletzt ist es vor allem der Iran, dessen nukleare Ambitionen unübersehbar sind. Seine politischen und religiösen Führer drohen offen mit der Vernichtung des jüdischen Staates und werden dabei vom Westen außer mit halbherzigen Resolutionen kaum in Zaum gehalten. Das israelische Volk braucht in dieser Zeit echter Bedrohung echte Freunde und wahrhafte Solidarität. Dafür zu werben, ist unsere Aufgabe als Juden in der Diaspora.

Die Sehnsucht nach Frieden und einem Leben in sicheren und international anerkannten Grenzen ist in Israel mit Händen zu greifen. Wer das abstreitet, ist entweder blind oder verblendet. So wünsche ich mir für das neue Jahr mehr Empathie für Israel und auch für unsere Gefühle als Juden in Deutschland.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns allen – hier in Deutschland und in Israel – ein friedvolles, gesundes und glückliches Jahr 5773. Mögen wir eingeschrieben werden für ein Jahr, das uns unsere Wünsche und Sehnsüchte erfüllt.

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