Kassel

Ab geht die Feuerwehr

In echt: Die Gemeindekinder bestaunen die Rettungsfahrzeuge in der Feuerwache. Foto: Nelli Stürmer

Löschfahrzeuge vor der Kasseler Synagoge. Was ist passiert, ein Anschlag? Besorgte Anwohner hatten Rauch aus der Synagoge aufsteigen sehen und die 112 gewählt. Als die Mannschaft in der Bremer Straße den vermeintlichen Brand löschen wollte, stellte sich heraus, dass die Gemeinde gerade ein Grillfest veranstaltete. Und da sie nun schon einmal da waren, lud sie die Feuerwehrmänner gleich zum Schmaus ein. Das ist nun schon ein paar Jahre her.

Doch den Notruf der Feuerwehr kennen auch die Gemeindekinder, die am vergangenen Donnerstag nun ihrerseits der Berufsfeuerwehr einen Besuch abstatteten. »Wie heiß wird ein Feuer?« »Gibt es viele Fehlalarme?« »Wie entsteht Feuer?« Frank Langer beantwortet ruhig und sachlich die Fragen der Kinder. 17 Jungen und Mädchen im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren besuchten bei ihrem Minimachane die Berufsfeuerwehr der Stadt.

Erziehung Frank Langer ist Taucher und Koch bei der Kasseler Wehr. Außerdem fungiert er auch noch als Brandschutzerzieher. Er bringt also genügend pädagogisches Fingerspitzengefühl mit, um den Kindern die Arbeit seiner Feuerwehrkollegen anschaulich zu erklären. Ein Feuer, erfuhren die neugierigen Besucher, kann schnell über 1.000 Grad heiß werden, und dann schmilzt sogar Metall. Wie man die Wehr herbeiholt, wissen die Kinder natürlich auch. Die 112 scheint inzwischen fast jeder Junge und jedes Mädchen zu kennen. Fast 500 Anrufe nehmen Langers sechs Kollegen täglich an. 150 davon »sind nur Spaß«, erklärt er. Nicht so wie der Anruf, der die Synagoge betraf. Die Anwohner waren besorgt, zu viel hört man über Anschläge auf jüdische Gotteshäuser und Einrichtungen, da wird man vorsichtig. In der 114-jährigen Geschichte der Kasseler Feuerwehr wird das nicht der erste und letzte Vorfall dieser Art gewesen sein.

Doch die jungen Besucher hatten noch weitere Fragen zum Phänomen Feuer allgemein: Sie wollten wissen, wie ein Feuerzeug funktioniert und wie an einem Streichholz eine Flamme entsteht. Langers Kollegen in der Feuerwehrzentrale lösten dann eigens für die wissensdurstigen Gäste einen Probealarm aus. Und einer seiner Kollegen zeigte, wie schnell er über die Gleitstange in die Garage mit den Löschfahrzeugen rutschen kann.

Machanot sind inzwischen feste Bestandteile im Leben der Kasseler Gemeinde. Außer im Sommer gibt es auch welche im Herbst und im Frühjahr. Dieses Mal besuchten die Kinder einen Reiterhof, unternahmen einen Ausflug in die Kasseler Umgebung und bereiteten am Freitag den Schabbat vor. Wie es sich für die Ferien gehört, diente das Programm der Entspannung nach stressigen Schulmonaten. Doch die Kinder konnten ganz nebenbei trotzdem noch etwas lernen. Sie erfuhren von Rabbiner Shlomo Freyshist etwas über die jüdischen Festtage und übten gemeinsam das hebräische Alphabet.

kontakt »Viele Eltern haben kaum Zeit, um in die Gemeinde zu kommen. Durch solche Veranstaltungen wie die Machanot bekommen wir über die Kinder den Kontakt zur mittleren Generation unserer Mitglieder«, erklärt Freyshist und freut sich über den Erfolg. Ihm liegt daran, dass sich die Kinder in der Gemeinde zu Hause fühlen und sich gegenseitig besser kennenlernen.

Für Alla Hodorovska, die sich um die Betreuung der Kinder kümmerte, ist mit dem Machane, das es nun schon seit drei Jahren gibt, ein »großer Traum« in Erfüllung gegangen. Sie und andere Gemeindemitglieder organisierten das Programm für die Kinder. Das Küchenteam bereitete jeden Tag koscheres Essen zu. Vieles konnte die Gemeindekasse sponsern, doch nicht alles. Deshalb mussten sich die Eltern mit einem kleinen Betrag beteiligen. Um die 20 Kinder kommen inzwischen zu jeder Machane.

Statistik Die Kasseler Gemeinde mit ihren derzeit rund 1.000 Mitgliedern, die hauptsächlich aus der ehemaligen Sowjetunion kommen, bemüht sich seit geraumer Zeit intensiver um ihren Nachwuchs. Denn der viel beschworene demografische Wandel geht auch an ihr nicht spurlos vorüber. Sehr viele Mitglieder sind im Rentenalter, seit einiger Zeit sinkt die Mitgliederzahl leicht. Und da viele Jugendliche nach ihrer Schulzeit einen Ausbildungs- oder Studienplatz außerhalb Kassels finden, kehren sie dann der Gemeinde den Rücken. Wer einen Job in einer anderen Gegend findet, kehrt nur noch als Besucher nach Nordhessen zurück.

Ein Machane ist nur ein Weg, um Kinder und junge Eltern stärker in die Gemeinde zu integrieren. Ein anderer ist das »Kinderlehrhaus«, in dem Jungen und Mädchen spielerisch etwas über die jüdische Religion lernen. Außerdem gibt es inzwischen eine Kinderband. Zusätzlich bietet die Gemeinde Sprachunterricht und Nachhilfe für die jüngsten Gemeindemitglieder an. Schon seit einiger Zeit existiert die Idee, einen Kindergarten und vielleicht sogar eine Grundschule einzurichten, doch bis zur Realisierung, vermutet der stellvertretende Gemeindevorsitzende Grigori Lagodinsky, »ist es noch ein langer Weg«. Und so sieht auch er im Machane eine gute Möglichkeit, die Kinder und ihre jungen Eltern zu erreichen und mit den derzeit zur Verfügung stehenden Mitteln etwas für den Nachwuchs in der Gemeinde zu tun.

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