Feuchtwanger

»Wir sind Bayern«

von Marina Maisel

Neben Lion Feuchtwanger zu gehen, dem Gespräch zwischen dem kleinen Lion und seinem Vater zu lauschen, das erlebt man nicht alle Tage. Eine ganz besondere Stadtführung durch die Münchener Vergangenheit organisierte die Theatergruppe Lo-Minor der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Zum 850. Geburtstag der Stadt München veranstaltete der Kreisjugendring München-Stadt in Zusammenarbeit mit zahlreichen Münchner Institutionen ein Theaterfestival unter dem Motto »München Stück für Stück«. Lo-Minor beteiligte sich dabei mit einer theatralischen Stadtführung zum Thema Jüdische Künstler.
Die Familie Feuchtwanger gehörte von Anfang an zu diesem Projekt. Vater und Sohn Feuchtwanger sind die Hauptfiguren, die, begleitet von den Teilnehmern der Führung, einen Spaziergang durch die Stadtmitte machen und dabei so einiges aus ihrer Zeit und ihrem Leben erzählen. Die Materialien über Feuchtwangers Leben in München hat Nina Safjan dem Theaterprojekt zur Verfügung gestellt. »Es war für uns sehr wichtig«, erzählt Anastasija Komerloh, die Leiterin der Theatergruppe, »die Umgebung neben dem neuen Gemeindezentrum und die Hauptsynagoge zu erkunden.« Die wichtigste Station der Stadtführung war dabei in der Herzog-Rudolf-Straße, wo an einem Haus eine Gedenktafel hängt, die an die Synagoge Ohel Jakob erinnert, die am 9. November 1938 zerstört wurde.
Ausgangpunkt für den zweistündigen Spaziergang durch das jüdische München war der Max-Josef-Platz. Zum Erstaunen zahlreicher Touristen waren zwei Menschen mit Kippot zu sehen (Vater und Sohn Feuchtwanger, gespielt von Yevgeniy Bondarskyy und Fedor Rusin), die Max Josef den Ersten, König von Bayern beobachten. Der König tanzte zusammen mit den jüdischen Bürgern und erinnert so an eines seiner Gesetze, mit dem gleichberechtigtes jüdisches Leben in Bayern ermöglicht wurde. Im Innenhof in der Platzlgasse hat eine Schulklasse Platz genommen. Eine Anekdote aus Feuchtwangers Leben wird hier aufgeführt. »Welcher Mitschüler trägt am Schabbat die Schultasche des kleinen Lion?« Im Lauf der Szene verwandelt sich das Klassenzimmer zum Esszimmer der Feuchtwangers. Denn der Lohn für die Gefälligkeit des Mitschülers besteht aus Naturalien. Auf dem Weg zum Hofbräuhaus, wohin Feuchtwangers immer am Samstag nach dem Schabbatsende gingen, wird die Biografie des jüdischen Architekten, Max Littmann dargestellt, der das Hofbräuhaus entwarf. Wenn der kleine Lion die Geschichte über Littman hört, freut er sich und ist stolz darauf, dass ein Jude das bekannteste Bauwerk Bayerns gebaut hat. »Schau, wir kleiden uns wie alle anderen, wir sprechen bayerisch, wir können bayerische Lieder singen, wir können tanzen! Wir sind Bayern!«, ruft Lion voller Begeisterung. Und zusammen mit den Münchnern oder den Touristen, die gerade am Platz sind, beginnen die Lo-Minor-Schauspieler einen bayrischen Volkstanz.
Wenn es neben dem Hofbräuhaus so lustig zugeht, darf Bier nicht fehlen. Das jedenfalls haben sich die Organisatoren der Führung gedacht. Nach dem Tanz können sich die Anwesenden mit Bier und Brezeln stärken. Weiter geht es dann zur Maximilianstraße. Dort steht zwischen den Bäumen am Brunnen ein Tisch. Ein grauhaariger Mann schreibt eifrig auf seine Blätter. Der Schriftsteller Lion Feuchtwanger bei der Arbeit, verkörpert von dem 22-jährigen Schauspieler Vladimir Kambur. Er steht auf und begrüßt das Publikum. Am Haupteingang der Münchner Kammerspiele erwartet das Publikum noch eine Überraschung. Aus den anderen Akteuren tritt eine berühmte jüdische Figur ins Rampenlicht: die Schauspielerin Therese Giehse. Die 24-jährige Elena Lobanova verkörpert ihr großes Vorbild. Für sie ist diese Aufführung eine Premiere. Der Applaus des Publikums bestätigt, dass es der jungen Schauspielerin offenbar gelungen ist, die Geschichte von Therese Giehse tief und einfühlsam vorzutragen. Auf dem Heimweg machen die Feuchtwangers noch eine Pause auf der Treppe in einem Hof. Die Mutter Johanna, gespielt von Anastasia Gomberg, beantwortet die Fragen der Kinder und erzählt aus der Familiengeschichte. Mit Opas Lieblingslied, »Adom Olam«, endet das Gespräch. Vor dem Haus am St.-Anna-Platz 2, in dem die Feuchtwangers eine zeitlang gelebt haben, stellt der kleine Lion seinem Vater die letzte Frage: »Papa, sag mir, wenn es uns nicht mehr geben wird, was wird dann? Wird man sich an uns erinnern?«

Hamburg

Zehn Monate auf Bewährung nach mutmaßlich antisemitischem Angriff

Die 27-Jährige hatte ein Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft nach einer Vorlesung über antijüdische Gewalt attackiert

 28.04.2025

Fernsehen

Mit KI besser ermitteln?

Künstliche Intelligenz tut in Sekundenschnelle, wofür wir Menschen Stunden und Tage brauchen. Auch Ermittlungsarbeit bei der Polizei kann die KI. Aber will man das?

von Christiane Bosch  21.04.2025

Reaktionen

Europäische Rabbiner: Papst Franziskus engagierte sich für Frieden in der Welt

Rabbiner Pinchas Goldschmidt, der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, würdigt das verstorbene Oberhaupt der katholischen Kirche

 21.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Indischer Ozean

Malediven will Israelis die Einreise verbieten

Es ist nicht die erste Ankündigung dieser Art: Urlauber aus Israel sollen das Urlaubsparadies nicht mehr besuchen dürfen. Das muslimische Land will damit Solidarität mit den Palästinensern zeigen.

 16.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Spenden

Mazze als Mizwa

Mitarbeiter vom Zentralratsprojekt »Mitzvah Day« übergaben Gesäuertes an die Berliner Tafel

von Katrin Richter  10.04.2025

Jerusalem

Oberstes Gericht berät über Entlassung des Schin-Bet-Chefs

Die Entlassung von Ronen Bar löste Massenproteste in Israel aus. Ministerpräsident Netanjahu sprach von einem »Mangel an Vertrauen«

 08.04.2025

Würdigung

Steinmeier gratuliert Ex-Botschafter Primor zum 90. Geburtstag

Er wurde vielfach ausgezeichnet und für seine Verdienste geehrt. Zu seinem 90. Geburtstag würdigt Bundespräsident Steinmeier Israels früheren Botschafter Avi Primor - und nennt ihn einen Vorreiter

von Birgit Wilke  07.04.2025