Serge Cwajgenbaum

»Wir dürfen uns nicht selbst zerstören«

Vor einem Monat haben die Dachverbände der jüdischen Gemeinschaften Frankreichs, Portugals, Österreichs und Deutschlands ihre Mitgliedschaft im Europäisch-Jüdischen Kongress (ECJ) vorübergehend eingefroren (vgl. Jüdische Allgemeine vom 14. und 21. Februar). Sie protestieren damit gegen den Umgangsstil von EJC-Präsident Moshe Kantor und die rückwirkende Amtszeitverlängerung des Präsidiums von bislang zwei auf vier Jahre, die bei der letzten EJC-Vollversammlung am 10. Februar in Paris beschlossen wurde. Tobias Kühn hat mit Serge Cwajgenbaum gesprochen, der seit vielen Jahren als Generalsekretär die Geschäfte des Europäisch-Jüdischen Kongresses führt.

Herr Cwajgenbaum, haben Sie Ihre Organisation jemals in einer so tiefen Krise erlebt?
cwajgenbaum: Nein, niemals. Es ist das erste Mal, und ich bedauere es sehr. In jeder Familie, in jeder Körperschaft kommt es gelegentlich zu Meinungsverschiedenheiten, und es ist gesund, dass es Debatten gibt. Die sollten aber niemals ein solches Ausmaß erreichen, dass Einzelne ihre Gemeinschaft als Geisel nehmen.

Präsident Kantor hat vor zwei Wochen eine Schlichtungskommission angekündigt. Gibt es die inzwischen?
cwajgenbaum: Ja. Die Verhandlungen werden von Henry Grunwald geführt, dem Präsidenten des Board of Deputies of British Jews. Der Prozess ist im Gange. Weiter möchte ich aber dazu nichts sagen. Denn je weniger man spricht, desto fruchtbarer wird hoffentlich das Ergebnis.

Wie wirkt sich die Selbstbeurlaubung der vier Verbände finanziell für den EJC aus?
cwajgenbaum: Geld ist nicht das Problem. Rund 40 Prozent unseres regulären Haushalts kommen vom World Jewish Congress, und weitere 50 Prozent erhalten wir von größeren privaten Spendern über eine Stiftung, die von Präsident Kantor geleitet wird. Die EJC-Mitgliedsverbände tragen insgesamt nur zehn Prozent zu unserem Haushalt bei.

Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, möchte einen europäisch-jüdischen Kongress in den Grenzen der EU errichten. Was halten Sie davon?
cwajgenbaum: Zu trennen und zu spalten ist einfacher als wiederaufzubauen und zu vereinigen. Den Menschen einzureden, das Konzept »Europäische Union« entspräche dem jüdischen Leben mehr als der EJC, ist ein großer Fehler. Wir unterstützen das Prinzip der Europäischen Union, aber wir sollten unser Ziel nicht verfehlen: Es gibt eine europäische Agenda, und wir haben unsere jüdische Agenda.

Wie stehen Sie zu der Idee des Präsidenten der französisch-jüdischen Dachorganisation CRIF, Richard Prasquier, die Vertreter der jüdischen Gemeinschaften der EU-Länder sollten sich innerhalb des EJC zusammentun?
cwajgenbaum: Wir diskutieren darüber und sind von Herrn Prasquiers Idee nicht weit entfernt. Es gibt im EJC bereits ein Komitee für die Beziehungen zur EU. Doch wichtig ist: Der EJC spiegelt die Landkarte des europäischen Judentums wider. Wir dürfen uns nicht selbst zerstören.

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025