Katharina Geiser

Wiener Melange

von Oliver Renn

Um über eine »Stadt nachzudenken – Wien zum Beispiel«, schreibt Katharina Geiser, muß der Leser »weder wissen, in welchem Haus Katharina Fröhlich dem Franz Grillparzer Zähne gezogen hat oder wo Maria Theresia ihre elf Töchter und fünf Söhne gebar«. Recht hat sie. Zumal wenn es wie in Geisers Roman Vorübergehend Wien, dem Anspruch nach weniger um Österreichs Hauptstadt als solche geht, denn um die Jahre nach dem »Anschluß«, als jüdische Kinder vorsorglich nach England verschickt wurden, und die Eltern in Deportationszügen landeten.
Doch die Autorin hält sich nicht an ihre eigene Maxime. Stattdessen läßt sie ihre in Kaffeehäusern und noch öfter im Jüdischen Museum einkehrende Ich-Erzählerin Gedanken, Erlebnisse und Assoziationen ungefiltert mitteilen. Straßennamen und Hausnummern werden ebenso ausführlich erwähnt, wie das, was gerade an Nachrichten und Alltagsweisheiten über den Fernsehbildschirm flimmert. Auch allerlei namhafte Menschen tauchen unvermittelt auf, verschwinden nach ein paar Seiten wieder, um später noch einmal, abermals unvermittelt erwähnt zu werden. Das Personenregister umfaßt denn auch beachtenswerte zwanzig Seiten und verrät unter anderem, daß der Schriftsteller Peter Altenberg (1859-1919) ein »Späher, Schwärmer, Schimpfer und Schreiber« war oder daß die Autorin Berta Zuckerkandl sich neben ihrem »Engagement für ein modernes österreichisches Kunsthandwerk« noch »jahrzehntelang schreibend und handelnd für Frieden und Völkerverständigung« einsetzte. Auch Gustav Klimt, Karl Kraus, und Max Reinhardt tauchen auf und wieder ab. Das liest sich wie auf poetisch getrimmte Lexikoneinträge.
Die eigentliche Hauptfigur droht bei soviel Namedropping fast unterzugehen. Es ist das jüdische Mädchen Lilli Bial. Im dritten Stock des Jüdischen Museums in Wien ist die Ich-Erzählerin auf eine von Lillis Eltern gepackte Schachtel mit Fotoalben, Tagebuchnotizen, Liederbüchern und Kinderspielen gestoßen. Das Paket und sein Inhalt lassen nicht fortan nicht mehr los. Daß es kein schönes Schicksal ist, das dem Mädchen in den folgenden Kapiteln widerfahren wird, läßt sich schon anhand des Zeitrahmens ahnen: »Vater und Mutter, Franz und Anni Bial, wurden am 27. Mai 1942 deportiert und fünf Tage später getötet. So.«
Bei aller Zerfahrenheit und Wichtigtuerei hat Katharina Geisers Buch auch gelungene Passagen. Etwa wenn sie beiläufig berichtet, daß einer jüdischen Familie, die nach dem Krieg ihr beschlag nahm- tes Haus wieder nutzen wollte, von den österreichischen Behörden »nachträglich die Steuern für sieben Jahre Abwesenheit« abverlangt wurden. Vor allem im letzten Drittel des Buchs nimmt sich die Ich-Erzählerin endlich etwas mehr zurück und widmet sich ihrer Heldin, statt dem Leser zu bekunden, daß ihr »Ablaufdaten mißfallen« oder daß ihr Blumen in den Händen welken, ehe sie sie in eine Vase stellt, und. Lillis Geschichte wird lebendig, die innere Zerrissenheit der Eltern spürbar, als sie für ihre aufgeweckte und verwöhnte Tochter als einzige Rettung den Kindertransport nach England sehen. Undschließlich wartet noch das Schlußkapitel, in dem die Erzählerin eine reale Begegnung mit Lilli Bial haben wird.

katharina geiser: vorübergehend wien
Zsolnay, Wien 2006, 304 S., 23,50 €

New York City

UN-Sicherheitsrat verurteilt Israels Angriff auf Katar einhellig

Sogar die USA schlossen sich der Erklärung an

 12.09.2025

Eurovision Song Contest

Gegen Israel: Irland erpresst Eurovision Song Contest-Veranstalter

Nach Slowenien hat auch Irland verkündet, dem Eurovision Song Contest fernzubleiben, sollte Israel teilnehmen. Damit verstoßen sie gegen Grundregeln des international beliebten TV-Wettbewerbs

 11.09.2025

Krieg

Zwei Raketen aus Gaza auf Israel abgeschossen

Am Sonntagmorgen wurde Israel aus dem Gazastreifen mit Raketen beschossen. Eine Bekenner-Erklärung gibt es auch

 07.09.2025

Berlin

Uni-Präsidentin rechnet mit neuen »propalästinensischen« Aktionen

Die Präsidentin der Humboldt-Universität, Julia von Blumenthal, rechnet zum Wintersemester erneut mit »propalästinensischen« Aktionen. Dabei seien unter den Beteiligten kaum Studierende

 07.09.2025

Diplomatie

Netanjahu geht auf Belgiens Premier los

Für seine Entscheidung, Palästina als Staat anzuerkennen, wird Bart De Wever vom israelischen Ministerpräsident persönlich attackiert

von Michael Thaidigsmann  04.09.2025

Hannover

Angriff auf Gedenkstätte: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage

Ein 26-jähriger Rechtsextremist war im Mai in Budapest festgenommen worden

 02.09.2025

Nahost

Deutscher Beauftragter für Menschenrechte reist nach Israel

Lars Castellucci macht sich ein persönliches Bild von der Lage in Israel und den palästinensischen Gebieten. Ein Augenmerk liegt darauf, wo deutsche Hilfe möglich ist - und wo sie behindert wird

 01.09.2025

Rotes Meer

Huthi greifen Öltanker an

Das Schiff gehört einem israelischen Milliardär

 01.09.2025

Ankara

Türkei bricht Handelsbeziehungen zu Israel ab

Der Handel der Türkei mit Israel belief sich im Jahr 2023 noch auf mehrere Milliarden US-Dollar. Nun bricht die Türkei alle Handelsbeziehungen zu Israel ab. Doch es ist nicht die einzige Maßnahme

 29.08.2025