Rechtspopulisten

»Verteidiger des Abendlandes«

von Hans-Georg Betz

Der 12. Dezember 2007 wird als politischer Wendepunkt in die Schweizer Geschichtsbücher eingehen. Zum ersten Mal wurde ein amtierender und von seiner Partei (der Schweizer Volkspartei, SVP) zur Wiederwahl aufgebotener Bundesrat von der Parlamentsmehrheit abgewählt: Christoph Blocher, dem es innerhalb weniger Jahre gelun- gen war, eine vormals provinzielle Bauernpartei zur stärksten politischen Kraft im Lande zu machen. Wie kein anderer verstand es Blocher, die in weiten Kreisen der Bevölkerung grassierende Verunsicherung angesichts weltweiter Veränderungen populistisch zu vermarkten. So rekurrierte Blochers Partei zum einen auf traditionelle Überfremdungsängste, zum anderen auf Ressentiments gegen die politische Elite, der man vorwarf, den wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Ausverkauf des Landes zu betreiben. Zwar verwahrte sich Blocher dagegen, mit rechtsextremen Politikern wie Jean-Marie Le Pen in einen Topf geworfen zu werden. Doch in der Realität war die SVP auf bestem Wege, dem französischen Front national die Vorreiterrolle im internationalen rechtspopulistischen Lager streitig zu machen.
Blochers Abwahl hat daran nicht viel geändert. Im Gegenteil, die verfehlte Wiederwahl entband ihn von den Zwängen, die mit der Regierungsverantwortung einhergehen. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass rechtspopulistische Parteien erfolgreicher sind, wenn sie aus der Opposition heraus Fundamentalkritik betreiben können. Eine Regierungsbeteiligung – wie in Österreich, Italien und kurz in den Niederlanden –, hat sich für sie als eher kontraproduktiv erwiesen. Der Einfluss der Dänischen Volkspartei auf die Regierungspolitik der letzten Jahre (aus der Opposition heraus) war weit höher als der Einfluss der FPÖ und der Lega Nord auf ihre Koalitionspartner. Und dort, wo die traditionellen Parteien sich strikt nach rechts abgrenzten – vor allem in Belgien und Norwegen –, haben sie eher das Gegenteil bewirkt: Der Vlaams Belang und die Fortschrittspartei gehören heute zu den stärksten rechtspopulistischen Parteien in Westeuropa.
Der andauernde Erfolg dieser Parteien hat aber vor allem mit ihrer Fähigkeit zu tun, neue Entwicklungen und Stimmungen aufzunehmen und programmatisch umzusetzen. Ihren Aufstieg verdankten sie in den 90er-Jahren vor allem ihrer dezidierten Haltung zur Migrationsproblematik. Seit einigen Jahren vermarktet sich die radikale Rechte immer mehr als Verteidiger kultureller Identität, westlicher Werte und der liberalen Demokratie. Richtete sich die Agitation vorher in erster Linie gegen Arbeitsmi- granten und Asylbewerber, so konzentriert sie sich heute vor allem auf die wachsende Herausforderung durch den Islam. Spätestens seit die Dänische Volkspartei am Anfang des neuen Jahrhunderts die »moslemische Frage« erfolgreich zum Kernpunkt ihres Wahlkampfs machte, steht die Verteidi- gung der »christlich-abendländischen Zivilisation« gegen die »Rückständigkeit« islamischer Kultur im Mittelpunkt von Mobilisierungskampagnen. Nach dieser Lesart ist der Islam eine »aggressive Eroberungsideologie« (Filip Dewinter, Vlaams Belang) mit dem Ziel der Weltherrschaft, die Botschaft des Koran nichts anderes als die von Hitlers Mein Kampf (Carl Hagen, Vorsitzender der norwegischen Fortschrittspartei). Deshalb, so Geert Wilders, Chef der niederländischen Partij voor de Vrijheid, sollte der Koran verboten werden.
Heute haben sich fast alle führenden Politiker im westeuropäischen rechtspopulistischen Lager dem Kampf gegen die »schleichende Islamisierung« Europas verschrie- ben. Dabei geht es zur Zeit vor allem um die Verhinderung des Baus von Moscheen. Für die populistische Rechte sind Moscheen und vor allem Minarette Zeichen eines »politisch-religiösen Machtanspruchs« (Ulrich Schlüer, SVP) des Islam. Ihr Bau sollte deshalb verboten werden – so die zentrale Forderung einer von der SVP im letzten Jahr lancierten Volksinitiative.
Solche Kampagnen, das zeigen Beispiele aus Italien, Österreich, der Schweiz und Deutschland, sind medienwirksam und geben der populistischen Rechten kostenlose Publicity. Gleichzeitig tragen sie zur Knüpfung von Netzwerken bei. Jüngstes Beispiel ist das Gründungstreffen der »Städte-Allianz gegen die Islamisierung« am 17. Januar in Antwerpen. Unter den Teilnehmern war auch Markus Beisicht, der Vorsitzende von »pro NRW«, die im nächsten Jahr bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen als dezidierte Anti-Islam-Partei an die Erfolge von »pro Köln« anknüpfen will. Es ist nicht auszuschließen, dass die neue Mischung aus Islamhass und Identitätspolitik auch in Deutschland zur Wiederbelebung rechtspopulistischer Tendenzen führt.

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025