Hochschullehrer

Verschwiegen

von Frank Lachmann

Verbittert wirkt er inzwischen, der Soziologe Heinz Gess, wenn es um seinen Arbeitgeber, die Fachhochschule Bielefeld, geht. Diese hat vor Kurzem ein Disziplinarverfahren gegen ihn eröffnet. Warum? Das weiß Gess auch nicht so genau. Denn sein »Vergehen«, »Maßnahmen der Hochschulleitung öffentlich kritisiert« zu haben, besteht vor allem darin, auf den Umgang der FH mit dem früheren Wirken eines Altnazis am Fachbereich für Sozialwesen hingewie- sen zu haben.
Werner Haverbeck hieß dieser Mann. Im Dritten Reich machte er eine steile Karriere, war SA- und SS-Mitglied und ab 1935 Leiter des »Reichsbundes für Volkstum und Hei- mat«. Haverbeck propagierte eine verquaste Mixtur aus Naturschutz und völkischer Rassenlehre, die etwa das »naturferne« Judentum dem »erdverbundenen« Wesen des deutschen Volkes gegenüberstellte. 1972 wurde er Professor für Sozialwissenschaften an der FH – auf dem Wege eines dubiosen »unauffälligen Verfahrens«, wie das nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerium mitteilt. Offenbar hat sich keiner der Verantwortlichen für Haverbecks politisches Vorleben interessiert, der seine Aktivitäten und Kontakte am äußersten rechten Rand auch während seiner Lehrtätigkeit kräftig hegte und pflegte, unter anderem als Vorsitzender des grün-braunen »Weltbundes für den Schutz des Lebens« und als Gründer des unlängst wegen nationalsozialistischer Bestrebungen verbotenen Collegium Humanum in Vlotho. Dass Haverbeck kein Nazi war, hat ihm das zuständige Ministerium damals sofort abgenommen – er habe schließlich »die üblichen Erklärungen unterschrieben«. Nachfragen seitens der FH: bis heute keine.
So viel Gleichgültigkeit lässt Gess nur mit dem Kopf schütteln. Er behauptet, den Gegenbeweis antreten zu können. So hätten Haverbeck und Konsorten unter Duldung der Hochschulleitung sogar offizielle Lehrveranstaltungen am Collegium Humanum durchführen können. »Die Professoren waren damals alle ›alte Kameraden‹«, sagt Gess. Er vermutet, dass Haver- beck von ihnen auf seinen Posten gehievt und dabei von allen Seiten gedeckt wurde. Einsicht in die Personalakte des längst Verstorbenen verwehrt das Ministerium bis heute.
Die Schärfe des neuerlichen Streits zwischen Gess und der FH erklärt sich aus ihrer Vorgeschichte. Vor einem Jahr warf Gess auf seiner Webseite www.kritiknetz.de den Besetzern der ehemaligen Paul-Gerhardt-Kirche in Bielefeld Nähe zum Antisemitismus vor, als diese versuchten, den Umbau der Kirche zu einer Synagoge zu verhindern. Neben einer Anzeige von den Besetzern erhielt Gess auch eine Nachricht der FH-Rektorin Beate Rennen-Allhoff, dass alle Verweise von Internetseiten der FH zu kritiknetz.de gelöscht würden – vorsorglich, um »Schaden von der FH abzuwenden«, wie es hieß.
In dieser Sache prozessiert Gess seitdem gegen seinen Arbeitgeber. Als der Professor Anfang Juni das Schweigen der Hochschule zum Fall Haverbeck mit seiner eigenen juristischen Verfolgung kontrastierte, war das zu viel für Rennen-Allhoff. Sie warf Gess vor, gegen seine Ver- schwiegenheitspflicht verstoßen zu haben, weil er diese Maßnahme öffentlich kritisierte, und eröffnete das Disziplinarverfahren gegen ihn. Auf Nachfrage der Jüdischen Allgemeinen wollte sich die Leitung der Fachhochschule zu diesem Thema nicht äußern.
Gess nennt das Disziplinarverfahren einen »Maulkorberlass«. Mundtot wolle man ihn machen, auch weil er sich gegen den Ausverkauf der Autonomie der FH zugunsten wirtschaftlicher Interessen wende. Einer inhaltlichen Beschäftigung mit seinen Argumenten sei die FH bisher stets aus dem Weg gegangen und habe sich lieber auf das Verwaltungsrecht zurückgezogen. Der drohenden gerichtlichen Auseinandersetzung sieht Gess aber gelassen entgegen. Es wäre das dritte Verfahren seitens der FH gegen ihn. Verloren hat er bisher keins.

USA

Israelfeindliche Proteste an der Columbia University

Die Aktivisten demonstrieren gegen die Abschiebung des Studenten Machmud Chalil, dem die Regierung eine Unterstützung der Hamas vorwirft

 08.05.2025

Gastbeiträge

Eine besondere Beziehung

Der 12. Mai 1965 markiert den Beginn des offiziellen deutsch-israelischen Verhältnisses. Was bedeutet die Verbindung zwischen Bundesrepublik und Israel, heute und vor 60 Jahren? Antworten deutscher Spitzenpolitiker

 07.05.2025

Eurovision Song Contest

Israelische Sängerin Yuval Raphael wird von der Schweiz nicht extra geschützt

Die Basler Sicherheitsbehörden wissen um die angespannte Lage, das Sicherheitsrisiko in der Schweiz ist hoch

von Nicole Dreyfus  06.05.2025

Berlin

Auswärtiges Amt gegen dauerhafte Besatzung des Gazastreifens

Das Auswärtige Amt in Berlin reagiert besorgt und kritisiert abermals Israel. Gaza gehöre den Palästinensern. Die weiterhin von der Hamas gehaltenen Geiseln kommen in der Erklärung offenbar nicht vor

 06.05.2025 Aktualisiert

Berlin

Sarah Wedl-Wilson neue Berliner Kultursenatorin

Die parteilose 56-Jährige übernimmt das Amt von Joe Chialo (CDU), der am Freitag wegen der Sparpolitik des Berliner Senats zurückgetreten war

 05.05.2025

Berlin

AfD klagt gegen Einstufung des BfV

Die rechtsextremistische Partei will nicht als solche eingestuft sein. Die Klage ist keine Überraschung

 05.05.2025

Kulturkolumne

Als Phil mich fütterte

Her mit den 90 Prozent!

von Sophie Albers Ben Chamo  04.05.2025

Nahost

Huthi schießen erneut Raketen auf Israel ab

Zweimal heulten im Norden des Landes am Freitag die Sirenen. Im Kibbuz Mishmar Ha’emek verursachen Trümmerteile Schäden

 02.05.2025

Gedenkstätten

70 Länder auf neuem Gedenkstein in Neuengamme

Zum 80. Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung der Häftlinge wird das Gedenkzeichen am Sonntag eingeweiht

 02.05.2025