Jerusalem

Unheil in der Heiligen Stadt

Es waren Bilder wie von schweren Mai-Krawallen in Berlin oder Hamburg. Nächtelang wüteten Randalierer auf den Straßen, atta-ckierten Polizisten und städtische Angestellte, blockierten Straßen, zündeten Müllkübel an, rissen Ampeln und Laternen um. Diese Krawallmacher jedoch wohnen in Jerusalem, nennen sich fromm, tragen züchtige Kleidung und unter ihren Hüten lugen Schläfenlocken hervor. Die Gewalt brach aus, als eine ultraorthodoxe Frau wegen des Vorwurfs der Kindesmisshandlung vorläufig festgenommen worden war. Um die Gewalt in der Stadt zu entschärfen, hat Richterin Schulamit Dotan die Entlassung der Frau aus dem Polizeigewahrsam angeordnet, sie steht aber weiter unter Hausarrest.
Bereits in den vergangenen Wochen war die Stimmung in der Hauptstadt immer wieder eskaliert. Grund für den Streit war zuvor ein städtischer Parkplatz gewesen, den der säkulare Bürgermeister Nir Barkat am Schabbat für Touristen geöffnet hatte –entsprechend den Regeln der Halacha kos-
tenlos und ohne jüdisches Management. Dieses Mal jedoch kochte der Zorn der strengreligiösen Haredim richtig über. Die Polizei hatte die Frau, ein Mitglied der antizionistischen Sekte »Neturei Karta«, die den Staat Israel ablehnt, in Gewahrsam ge-
nommen, nachdem ihr dreijähriger Sohn in kritischem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Sie steht unter dem Verdacht, dass sie ihn in den vergangenen zwei Jahren fast verhungern ließ, er wog nur noch sieben Kilogramm. Für die gewalttätigen Demonstranten offenbar kein Grund: Sie forderten ihre sofortige Freilassung und tobten auf den Straßen Je-
rusalems.
Mehr als 1.000 Ultraorthodoxe lieferten sich regelrechte Straßenschlachten mit Polizisten an verschiedenen Hauptverkehrsadern der Stadt, 18 Sicherheitskräfte wurden dabei verletzt, 50 Demonstranten festgenommen. Städtische Angestellte wurden geschlagen und bedroht, bis der Bürgermeister zeitweilig alle Dienste in den Stadtteilen Geula und Mea Schearim einstellte. Ein Büro der Wohlfahrtsbehörde in einem religiösen Viertel wurde derart belagert, dass die Mitarbeiter mit Polizeigewalt befreit werden mussten. Sowohl Barkat wie auch der Jerusalemer Polizeichef Aharon Franco kritisierten die ultraorthodoxe Führung für ihre Untätigkeit: »Sie haben Rabbiner, sie haben eine Führung, aber ich habe nicht einen von ihnen ge-
hört, der sich gegen die Gewalt ausgesprochen hat.«
Der Gesundheitsminister und Vorsitzende der strengreligiösen Partei Vereintes Torajudentum, Yakob Litzman, zahlte die Hälfte der Kaution für die Frau, wegen der die Ausschreitungen begonnen hatten, der Haredi-Lobbyist Abraham Fröhlich nahm sie in sein Haus auf, um die Situation zu entspannen. Dennoch ist die Stimmung in der Stadt gespannt. Durch die Ausschreitungen sei Sachschaden in Millionenhöhe entstanden, gab die Stadtverwaltung an. Barkat will das nicht mehr hinnehmen und beauftragte seine Rechtsabteilung, Klagen gegen einige Zerstörungswütige einzuleiten. Dem TV-Sender »Arutz 2« sagte er: »Nicht nur Rabbiner sollten die Unruhen verurteilen, die Regierungsminister müss-ten ihre Meinung sagen und uns mit Artillerie und der Luftwaffe versorgen, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen.« Es scheint, als habe die Konfrontation zwischen dem säkularen Bürgermeister und der ultraorthodoxen Gemeinde in der Hauptstadt gerade erst begonnen.
Sabine Brandes

Krieg

Zwei Raketen aus Gaza auf Israel abgeschossen

Am Sonntagmorgen wurde Israel aus dem Gazastreifen mit Raketen beschossen. Eine Bekenner-Erklärung gibt es auch

 07.09.2025

Berlin

Uni-Präsidentin rechnet mit neuen »propalästinensischen« Aktionen

Die Präsidentin der Humboldt-Universität, Julia von Blumenthal, rechnet zum Wintersemester erneut mit »propalästinensischen« Aktionen. Dabei seien unter den Beteiligten kaum Studierende

 07.09.2025

Diplomatie

Netanjahu geht auf Belgiens Premier los

Für seine Entscheidung, Palästina als Staat anzuerkennen, wird Bart De Wever vom israelischen Ministerpräsident persönlich attackiert

von Michael Thaidigsmann  04.09.2025

Hannover

Angriff auf Gedenkstätte: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage

Ein 26-jähriger Rechtsextremist war im Mai in Budapest festgenommen worden

 02.09.2025

Nahost

Deutscher Beauftragter für Menschenrechte reist nach Israel

Lars Castellucci macht sich ein persönliches Bild von der Lage in Israel und den palästinensischen Gebieten. Ein Augenmerk liegt darauf, wo deutsche Hilfe möglich ist - und wo sie behindert wird

 01.09.2025

Rotes Meer

Huthi greifen Öltanker an

Das Schiff gehört einem israelischen Milliardär

 01.09.2025

Ankara

Türkei bricht Handelsbeziehungen zu Israel ab

Der Handel der Türkei mit Israel belief sich im Jahr 2023 noch auf mehrere Milliarden US-Dollar. Nun bricht die Türkei alle Handelsbeziehungen zu Israel ab. Doch es ist nicht die einzige Maßnahme

 29.08.2025

Geburtstag

Popstar der Klassik: Geiger Itzhak Perlman wird 80

»Sesamstraße«, »Schindlers Liste« und alle großen Konzertsäle der Welt natürlich sowieso: Der Geiger gehört zu den ganz großen Stars der Klassik. Jetzt wird er 80 - und macht weiter

von Christina Horsten  29.08.2025

Bonn

Experte: Opfer mit Bewältigung von Rechtsterror nicht alleinlassen

Der erste NSU-Mord liegt beinahe 25 Jahre zurück. Angehörige der Opfer fordern mehr Aufmerksamkeit - und angemessenes Gedenken, wenn es um rechtsextreme Gewalt geht. Fachleute sehen unterschiedliche Entwicklungen

 29.08.2025