Eruw

Tragfähig

von Tobias Müller

Amstel, Ij, Nieuwe Herengracht – das ist das Standardprogramm jedes Rundfahrtboots in der Grachtenstadt. Für orthodoxe Juden haben diese Wasserwege seit neuestem jedoch eine ganz andere Bedeutung: Seit Anfang März bilden sie auch den Verlauf des Eruw, der Schabbatgrenze, die sich nun um Amsterdam zieht. Das Verbot, am Schabbat außerhalb des eigenen Hauses Gegenstände zu transportieren, ist in diesem Gebiet aufgehoben. Damit ist es den Mitgliedern der größten jüdischen Gemeinde der Niederlande wieder »erlaubt zu tragen, von den Gassen in die Höfe, von den Höfen in die Gassen, von beiden in die Häuser und von den Häusern zu beiden, an allen Schabbat-Tagen des Jahres und an den Festtagen, für uns und für alle Bewohner der Stadt«, so der bei der Zeremonie verlesene Text.
Vor der Einweihung durch den Vorsitzenden der Nederlands-Israëlitische Hoofdsynagoge (NIHS) Ronnie Eisenmann wurde der Eruw durch den Beth Din aus Oberrabbiner Aryeh Ralbag, Dajan Eliezer Wolff und Rabbiner Raphael Evers bestätigt. Das Gebiet, in dem fast alle Synagogen der Gemeinde sowie zwei Krankenhäuser liegen, schließt neben großen Teilen Amsterdams auch das südlich angrenzende Amstelveen mit ein, wo viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde wohnen. Dazu wurden Gespräche mit fünf Kommunen geführt. »Amsterdam kennt natürlich eine lange jüdische Geschichte, daher wusste man bei der Stadt Bescheid über den Eruw und seine Bedeutung für die Juden. Bei anderen Gemeinden war es dagegen eine Herausforderung, die Funktion des Eruw zu erklären«, fasst David Serphos, Direktor der NIHS, zusammen. Letzten Endes habe man jedoch »viele positive Reaktionen« erhalten.
Der jahrhundertelang bestehende Eruw der Hauptstadt war 1972 vom damaligen Oberrabbiner Schuster aufgegeben worden, nachdem die Ausdehnung der Stadt eine Kontrolle der Schabbatgrenze unmöglich gemacht hatte. Die Errichtung eines neuen Eruw sei daher ein lang gehegter Wunsch der jüdischen Gemeinde gewesen, so Serphos. Leitung und Rabbinat der Gemeinde waren zwei Jahre lang damit beschäftigt, den Verlauf des neuen Eruw zu bestimmen, der miteinander verbundenen Wasserwegen folgt. Dazu wurden nicht nur Karten studiert und Wassertiefen gemessen, sondern auch Lösungen für die Besonderheiten der lokalen Geografie bedacht: Nur eine hochklappbare Brücke stellt schließlich keine Unterbrechung der Schabbatgrenze dar. Im Fall eines Viadukts ließ sich das Hindernis jedoch mit einem zwischen zwei Pfählen quer über die Brücke gespannten Draht umgehen.
Der ursprüngliche Eruw Amsterdams wurde wie in den meisten Orten durch die Stadtmauern gebildet. Nachdem diese abgerissen waren, verwendete man Schabbatpfähle, an denen Ketten befestigt wurden. Die meisten davon fielen der deutschen Besatzung zum Opfer; der einzig verbleibende steht noch heute an der Amstel – und damit auf der Linie der neuen Schabbatgrenze.
Amsterdam, von seinen jüdischen Bewohnern traditionell Mokum, auf Deutsch: Ort, genannt, ist damit eine der wenigen Städte Europas mit einem funktionierenden Eruw. »Das Leben für orthodoxe Juden wird dadurch um einiges erleichtert«, folgert David Serphos, und zieht nach wenigen Wochen bereits ein positives Fazit. »Familien mit kleinen Kindern konnten am Schabbat nicht aus dem Haus, da auch das Schieben eines Kinderwagens nicht erlaubt war. Dagegen sieht man jetzt schon mehr jüdische Familien samstags auf der Straße.«

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025