Georg Stefan Troller

Sympathie auf beiden Seiten

von Miryam gümbel

Georg Stefan Troller hat ein weiteres Buch geschrieben: Lebensgeschichten. Die Stars. Die Heiligen. Die Poeten. Die Sünder. Die Autoren. Die Künstler. Erschienen ist es im Verlag Artemis und Winckler. Eine seiner ersten Lesungen hat auch diesmal wieder in München stattgefunden. In dieser Stadt und im Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde ist er seit vielen Jahren ein gern gesehener und gehörter Autor. Im Mai besuchte er es zum fünften Mal. Doch warum kommt er so gerne hierher? Die Antwort fällt Troller nicht schwer: »Das Publikum hier mag mich wohl und zeigt das.« Andernorts, so erzählt er, säßen die Zuhörer im Raum, verzögen keine Miene, auch bei den besten Pointen, ließen keinerlei Reaktionen von ihren Gesichtern ablesen. Erst hinterher erfahre er dann, wie sehr sich die Besucher seiner Lesung amüsiert hätten. In München hingegen offenbare das Publikum seine Empfindungen immer sehr spontan. So war es auch diesmal wieder.
Der 1921 in Wien Geborene emigrierte 1938 über Frankreich in die USA. Als amerikanischer Soldat kam er nach Europa zurück und lebt seit 1949 in Paris. Seither beschäftigen ihn Gespräche mit Menschen. Berühmt wurde er mit den Fernsehserien »Pariser Journal« und »Personenbe- schreibung«. Bis heute drehte er rund 150 Porträts und schrieb zahlreiche Bücher. Darunter auch Drehbücher wie bespielsweise die Emigrantentrilogie »Wohin und zurück«. Was sich aus dieser Arbeit in seinen Büchern niedergeschlagen hat, sind nicht etwa Interviews in einem Frage- und Antwortspiel. Im Gespräch gibt er seine eigenen Gedanken preis, macht Verhaltensweisen seines Gegenübers mit kurzen fast wie Regieanweisungen klingenden Bemerkungen, sichtbar. Manche Verkürzung bringt die Charaktere auf den Punkt.
Und davon ist das Münchner Publikum wieder einmal begeistert. Noch eine Geschichte? Aber klar, gerne. Lachen, Applaus. Dieses Wechselspiel mit den Zuhörern ist es, was dem Autor am Münchener Publikum gefällt. Doch das möchte auch Persönliches erfahren. Wen hätte Troller gerne interviewt und konnte es nicht tun? Pablo Picasso nennt er, Brigitte Bardot. Bei Letzterer ginge es ja noch, vernimmt man leises Raunen im Raum, verbunden auch mit der Neugier, was er darüber zu berichten hätte.
Welche Dinge würde er gerne noch machen? Auch da ist der 85-Jährige nicht um eine Antwort verlegen: einen Film über »das jiddische Land«, die früheren jüdisch geprägten Ostgebiete. Aber das werde wohl ein Traum bleiben. Ein neues Buch wolle er jedoch realisieren – und damit wieder nach München kommen, ins Jüdische Zentrum am Jakobsplatz.
Die Lesung im Hubert-Burda-Saal war auch für Georg Stefan Troller eine Premiere. »Er hat sich bei seinen Lesungen immer mehr an diesen Ort herangearbeitet«, hatte die Leiterin des IKG-Kulturzentrums, Ellen Presser, bei ihrer Einführung augenzwinkernd bemerkt. Die erste Lesung hatte weit vom Stadtzentrum entfernt in der Pasinger Fabrik stattgefunden. Bei seiner zweiten Lesung in München im kleinen Saal des früheren Jugend- und Kulturzentrums war dieser schon zu klein. Größere Locations wurden mit dem Gasteig und dem Stadtmuseum gefunden. Mit Letzterem war Troller schon an den Jakobsplatz vorgedrungen. Das neue IKG-Zentrum war damals noch nicht fertig. Und so wollte der Autor vor seinem jetzigen Vortrag dieses neue Zentrum auch besichtigen. Vor allem die Ohel-Jakob-Synagoge.
Gemeinsam mit Ellen Presser ging er hinunter in den Verbindungsgang zum Synagogengebäude. Beim Betreten des »Gangs der Erinnerung« mit den Namen der in der Schoa umgekommenen Münchner verstummte der sonst so ironisch-treffsichere Autor. Bei allem Wissen um die Geschichte war er betroffen und leise. Längere Zeit verweilte er vor dem in die Wand eingezeichneten, reduzierten Grundrissplan des neuen Zentrums. Er ist auf der gegenüberliegenden Seite der Namenstafeln auf der Synagogenseite zu sehen. Das Datum 9. November wiederholt sich auf dieser Seite mehrmals: Es nennt den 9. November von 1938 mit der Reichkristallnacht, von 2003 mit der Grundsteinlegung des Zentrums am Jakobsplatz und von 2006 mit dessen Einweihung.
Ellen Presser erinnerte Troller vor dem Plan stehend auch daran, dass kurz vor der Grundsteinlegung ein geplantes antisemitisches Bombenattentat gerade noch verhindert werden konnte.
Über den Grundstein ging es dann die Treppe hinauf in die Synagoge. Auch hier trafen den Gast erst noch einmal Erinnerungen an eine schmerzende Vergangenheit. Hier ist in die Wand der Grundstein der alten Hauptsynagoge eingelassen. Er kam bei den Abbrucharbeiten im Sommer 1938 wieder ans Tageslicht. Sie war schon vor der Brandnacht vom 9. November 1938 zerstört worden, weil sie Hitler schon lange zuvor »im Weg stand«.
Tief beeindruckt zeigte sich Troller auch im Synagogenraum selbst. Von außen habe er sich diese Größe nicht vorstellen können, sagte er. Der architektonischen Gestaltung zollte er hohen Respekt. In lockerer und gelöster Atmosphäre genoss er nach der Lesung dann im Gemeinderestaurant »Fleming’s« noch so manches Gespräch mit Freunden und Bekannten. Wenn das nächste Buch fertig ist, so versprach er Ellen Presser, werde er wieder hierher an den Jakobsplatz kommen.

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