Fußballturnier

»Steh auf, wenn du ein Jude bist«

von Helmut Kuhn

Die Sonne brennt herab, als wäre es der Strand von Elat. Auf dem Kunstrasen in Kreuzberg gehen die jüdischen Kicker der
J-Unit gerade gegen die christlichen Spieler des Teams Crossfire mit einem Treffer von Gideon Joffe mit 2:0 in Führung. Aus den Lautsprechern schallt leise Easy-Listening, und es weht der Duft von gegrilltem Shishkebab herüber. »Das ist echter Wellneß-Fußball«, sagt Stürmer Hakan Celebi von der J-Unit, als er sich an der Auslinie ordentlich Wasser über den Kopf gießt.
Bereits in der ersten Begegnung des Tages hatten die mit einem Halbmond auf ihren Trikots bewehrten muslimischen Spieler von Türkyemspor mit einem 4:1 gegen die Heiden, die sich Trojan Helmets nennen, ein hohes Niveau vorgelegt, und die Kicker mit dem schwarzen Davidstern empfehlen sich nun mit ihrer überragenden Sturmspitze Moshico Saban als nächster heißer Titelaspirant. Am Spielfeldrand feuern sonnengebräunte junge Damen aus der Jüdischen Gemeinde ihr Team mit einem abgewandelten Schalker Schlachtruf an: »Steh auf, wenn du ein Jude bist« – aber Moment mal – Juden, Muslime, Kreuzritter und Ungläubige auf ein und demselben Fußballplatz?
»Es ist schon ein toller Tag«, sagt Avitall Gerstetter in die Kameras, die sie umringen. Der Kantorin des Egalitären Minjans der Oranienburger Straße ist das »interkonfessionelle« Fußballturnier zu verdanken, das in diesem Jahr zum zweiten Mal stattfindet und auch ihren Namen trägt: der Avitallscup. Aber während im letzten Jahr nach dem Anstoß von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse noch jüdische und muslimische Spieler kunterbunt durcheinandergewürfelt mit- und gegeneinander kickten, messen sich heute die Kreuzritter unter der Führung von Hanan Bracksmajer und die Heiden unter Rockstar Ulla Meinecke mit den Semiprofis von Türkyemspor und TuS-Makkabi.
Gerstetter will mit diesem Cup »eine Brücke zwischen den Religionen schlagen«. Die Spieler sollen sich »mit viel Freude, aber auch mit großer Achtung auf dem Spielfeld begegnen und davon etwas in ihren Alltag tragen«. Viele, die sie aus der Jüdischen Gemeinde und aus der Synagoge kennt, sind erschienen und mischen sich mit Freunden und Familien des türkischen Fußballvereins und der christlichen Kicker. Rund 300 Besucher kommen so trotz der Hitze zusammen.
»Obwohl es ja erst einmal eine Auseinandersetzung ist, hat Fußball doch etwas ungemein Vereinendes. Das wird beim Avitallscup gut genutzt«, sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, der als 67jähriger seinen Schiriposten in den sehr fairen Partien ebenso souverän wie erstaunlich durchtrainiert versieht. »Früher haben wir jede Woche bis zum Umfallen auf der Reichstagswiese gekickt.« Und dann trippelt er ein wenig ungeduldig auf der Stelle: »Da juckt es mich doch heute selbst in den Füßen.«
Rabbiner Andreas Nachama coacht die J-Unit, ein starkes Team mit vier Stammspielern des Verbandsligisten TuS Makkabi. Verstärkt werden sie vom Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, und dem rbb-Moderator Jörg Thadeusz. Andreas Nachama fiebert selbst in der größten Hitze am Spielfeldrand mit seinem Team – und fühlt sich an seine Tage als begeisterter Hobbyfußballer erinnert.
Auf dem Spielfeld rappelt es jetzt in der Kiste. Es sind die Ungläubigen, die gegen die J-Unit aus ihrer Abwehr kaum noch herauskommen. »Die glauben an gar nichts«, sagt ein Zuschauer, nicht mal an sich selbst.» Die J-Unit schlägt die hilflosen Heiden mit 8:0. Auch Joffe hat sich in die Torschützenliste eingetragen – «mit dem bahnbrechenden 2:0», scherzt er.
Kurz darauf laufen die Spieler der J-Unit und Türkyemspor zum Finale ein. Es ist ein packendes, ausgewogenes Spiel, bis den Muslimen durch einen indirekten Freistoß nach Handspiel von Thadeusz die Führung gelingt. Unmittelbar folgt das 2:0, bevor Celebi mit einem eleganten Hackentrick verkürzen kann. Es bleibt beim 2:1 für das Halbmond-Team. In den Jubeltanz im Mittelkreis reihen sich auch die Spieler von J-Unit ein.
«Es geht ja nicht nur ums Siegen, es geht vor allem ums Spiel», gibt sich Coach Nachama recht rabbinisch. «Absolut zufrieden» ist auch Gideon Joffe. «Wichtig ist doch, daß sich Juden, Christen und Muslime zusammen zeigen. Je häufiger man sich trifft, desto positiver ist das Ergebnis.»
«Es war ein ganz tolles Turnier», bedankt sich Mert Fuß von Türkyemspor, als er unter wildem Jubel den Wanderpokal entgegennimmt. «Campione Olé Olé» singen die Kicker mit dem Davidstern, «und nächstes Jahr jeder 10 Kilo weniger», flachst Tamir Zakai mit Blick auf das ein oder andere Speckröllchen in den Trikots der Blau-Weißen.

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