Deportationen

Späte Strafe

von Rudolf Balmer

Als 1942 im besetzten Frankreich die antijüdischen Razzien begannen, hatte die Familie Lipietz zunächst in der Gegend von Pau Zuflucht gefunden. Nach einer Denunziation durch Nachbarn wurden Guidéon und Georges Lipietz sowie dessen Frau aber am 8. Mai 1944 verhaftet und im nächsten Konvoi ins Lager von Drancy überstellt, wo sie bis zur Befreiung am 17. August 1944 festgehalten wurden. 2003 starb Georges Lipietz. Seine Angehörigen, unter ihnen sein Sohn Alain, ein Europaparlamentarier und Führungsmitglied der Grünen (Les Verts), setzten seinen juristischen Kampf um Wiedergutmachung fort. Jetzt gab ihnen am 6. Juni in Toulouse das Verwaltungsgericht recht und sprach ihnen eine Entschädigung von 60.000 Euro zu. In dem aufsehenerregenden Urteil steht, daß die Bahnbetriebe und der französische Staat zur Verantwortung gezogen werden können, weil sie nichts unternahmen, um sich der Deportation zu widersetzen.
Vergeblich hatte schon der aus Österreich stammende Kurt Werner Schaechter seit Jahren versucht, der französischen Staatsbahn wegen ihrer aktiven Beihilfe bei der Deportation von Juden in die NS-Konzentrationslager den Prozeß zu machen. Auf der Suche nach Beweisen war er 1992 in den Archiven von Toulouse fündig ge- worden. Er kopierte (illegalerweise) Akten der Staatsbahn SNCF, aus denen hervorging, daß selbst nach der Befreiung die Eisenbahn beim französischen Staat nachträglich die Bezahlung der Deportationszüge verlangte. Vor französischen Gerichten scheiterte sein Versuch, die SNCF wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Verantwortung zu ziehen an Verjährungsfristen. Auch seine Klage gegen die SNCF in den USA führte nicht weiter. Jetzt kann Schaechter doch noch mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen, daß dank der Klage der Familie Lipietz sein Lebenswerk und seine jahrelangen Recherchen von Erfolg gekrönt werden.
Die SNCF hat sogleich Berufung eingelegt und verweist darauf, daß seit 1992 alles unternommen werde, um mit Hilfe von Historikern die Wahrheit über dieses finstere Kapitel ihrer Geschichte darzustellen. Auch in der jüdischen Gemeinschaft freuen sich nicht alle über das Urteil. Der frühere Vorsitzende des französisch-jüdischen Dachverbands Theo Klein, selbst ein Überlebender der Deportation, zweifelt an der Verantwortung der Staatsbahn: »Die SNCF handelte auf Befehl der Deutschen, wenn auch über den Umweg des französischen Staates.« Auch »Nazi-Jäger« Serge Klarsfeld meint, dieser Staatsdienst habe unter NS-Ordern gestanden: »War es etwa die SNCF, die bei den Deutschen um den Auftrag (der Deportation) nachsuchte? Konnte sie sich entziehen? Vielen Franzosen war damals das Auto oder ihr Haus beschlagnahmt worden. Sollen sie dafür auch verurteilt werden? Das ist absurd.« Sein Sohn Arno trat in den USA gar als Verteidiger der SNCF gegen die Schaechter-Klage auf. »Wenn jedermann schuldig ist, ist es niemand mehr. Ein solches Urteil verwässert die Verantwortung.«

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025