Wiesbaden

Sechs Jahrzehnte Leben

von Lisa Borgemeister

Bücher, Fotos, Kisten und Papiere stapeln sich in der Bibliothek. Vom großen Tisch in der Mitte des Zimmers ist kaum noch etwas zu sehen. »Die Vorbereitungen für unsere Festschrift und die Ausstellung laufen auf Hochtouren«, erklärt Jacob Gutmark, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden. Die Wiesbadener haben zum 60. Jubiläum ein umfangreiches Programm geplant. Auch eine Ausstellung gehört dazu. Sie erzählt die Geschichte der Gemeinde seit der Neugründung 1946.
Eigentlich lebten bereits zur Römerzeit Juden in der Wiesbadener Region. Die erste jüdische Gemeinde gründete sich aber erst im Jahr 1882. Die Verfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus vernichtete das jüdische Leben fast vollständig. Auch die prächtige Synagoge am Michelsberg und weitere in den Vororten und an der Friedrichstraße wurden zerstört. Nach der Schoa, 1946 zum Chanukka-Fest, gründete sich die Gemeinde neu.
Mit der Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion veränderte sich die Gemeinde. Die Zuwanderer machen heute rund zwei Drittel der 750 Mitglieder starken Gemeinde aus. »Ihre Integration bildet auch jetzt noch einen wich- tigen Schwerpunkt unserer Arbeit«, sagt Jacob Gutmark. Eine Fraktionsbildung zwischen den alten und neuen Mitgliedern könne erfolgreich verhindert werden.
»Es hat uns viel Anstrengung gekostet, daß die Gemeinde nicht zerfällt«, bestätigt auch Susan Pringsheim, die von 1991 bis 2005 Geschäftsführerin war. »Viele der Einwanderer waren es nicht gewohnt, in einer jüdischen Gemeinde zu leben. Wir mußten ihnen vermitteln, daß wir ihnen zwar viel geben können, aber auch ihre Unterstützung brauchen.«
Wie wichtig Integrationsarbeit ist, spiegelt sich auch in der Ausstellung im Wiesbadener Rathaus wider. Individuelle Lebensläufe geben Einblick in die Situation der Immigranten. Dokumentiert wird die Geschichte der jüdischen Gemeinde seit 1946. Als gestalterisches Element bilden mehr als 200 blau gestrichene Stühle einen roten Faden durch die Schautafeln, Fotos, Texte und Kisten. Sie sollen Seßhaftigkeit und Mobilität symbolisieren. Gestaltet haben die Ausstellung Design-Studenten der Wiesbadener Fachhochschule. »Wir haben schon oft mit der jüdischen Gemeinde zusammengearbeitet«, erzählt Dozent Edgar Brück, der die Arbeit betreut. Dazu gehörten etwa eine virtuelle Rekonstruktion der Synagoge am Michelsberg und eine Plakatserie, die sich mit den jüdischen Feiertagen beschäfigte.
Edgar Brück möchte mit der Arbeit eine kulturelle Schnittstelle entstehen lassen. »Was man in der Schule über das Judentum lernt, ist eine sehr einseitige Darstellung«, sagt der Diplom-Designer. Ihm gehe es darum, gängige Vorurteile abzubauen und den gegenseitigen Austausch zu befördern. Die Projekte stoßen bei den Studenten auf reges Interesse. »Da entsteht eine gewisse Eigendynamik«, freut sich Brück.

Die Ausstellung »Zu Hause? – 60 Jahre Jüdische Gemeinde nach dem Krieg« ist bis zum 16. Dezember im Foyer des Wiesbadener Rathauses am Schloßplatz zu sehen und vom 20. Dezember bis zum 13. Januar im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst.

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025