Sprengstoffanschlag

Schlimmer als Chicago

Der Killer wartet in Tel Avivs geschäftiger Yigal-Allon-Straße. Hier, zwischen den
Bürohochhäusern, wird bald das Opfer er-
scheinen. Hier! Der Isuzu Trooper nähert sich dem am Straßenrand versteckten Sprengsatz. Und was ein richtiger Profi ist, drückt genau im richtigen Augenblick auf den Knopf. Die Schockwelle der Explosion schiebt das Allrad-Fahrzeug vor sich her, als wäre es ein Spielzeugauto. Der Fahrer ist auf der Stelle tot. Die Leiche ist so entstellt, dass die Identität des Ermordeten erst nach mehreren Stunden endgültig feststeht: Yoram Chacham, ein prominenter Strafverteidiger, der sich auf Kunden aus der Schattenwelt des organisierten Verbrechens spezialisiert hat. Unter anderem vertrat er die Mafia-Familie Abutbul aus Netania vor Gericht.
»Es ist wie in Chicago«, lamentierte Ofir Pines, Vorsitzender des Innenausschusses der Knesset. Jossi Sedbon war anderer Meinung. »Das ist eine Beleidigung für Chicago«, kommentierte mit schwarzem Zynismus der ehemalige Befehlshaber der Ermittlungsabteilung der Polizei. Wohlgemerkt ist es nicht der erste Mafia-Mord, den Israel erlebt. In den letzten Jahren haben Mafiosi wiederholt einander – manchmal auch Unbeteiligte – in die Ewigkeit befördert. In einem besonders berüchtigten Fall starben im Jahre 2004 drei unbescholtene Bürger, als in der Tel-Aviver Jehuda-Halevy-Straße eine dem Mafia-Boss Seew Rosenstein zugedachte Bombe explodierte. Rosenstein selbst – inzwischen sitzt er ein – überlebte. Allerdings war die Liquidierung von Mafia-Anwälten bisher tabu. »Hier wurde eine Grenze überschritten«, warnte der Vorsitzende der israeli-
schen Anwaltskammer, Juri Gajron. Wenn Rechtsvertreter in Ausübung ihres Berufes ermordet würden, so Gajron, »ist die De-
mokratie in Gefahr.« »Darüber darf man nicht zur Tagesordnung übergehen«, se-
kundierte der heutige Chef der Ermittlungsabteilung, Jochanan Danino. Deshalb habe die Polizei ihre besten Beamten auf den Fall angesetzt.
Wer hinter dem Anschlag steht, weiß die Polizei allerdings noch nicht. Eine erste Spur führte zu einem aus der GUS eingewanderten Oligarchen, dessen Name geheim gehalten wird. Der Geschäftsmann hatte Chacham wegen angeblichen Gelddiebstahls angeklagt. Zudem hatte der Anwalt eine Affäre mit der Frau des Superreichen. Inzwischen aber verdichtet sich die Vermutung, dass der Rechtspfleger ins Visier eines unzufriedenen Klienten geraten war. Assi Abutbul, Chacham-Mandant und Mafiaboss, der gerade vor Gericht steht, glaubt, dass sein Anwalt von der Unterwelt »demontiert« wurde, wie es im Branchenjargon heißt. Dass Abutbul selbst den Mordbefehl gab, wird von Beobachtern als unwahrscheinlich eingestuft. Das besonders Brisante am Fall Chacham ist aber: Möglicherweise hätte die Tat verhindert werden können. Medienberichten zufolge wusste der Justizvollzugsdienst nämlich schon vor drei Monaten von einem Mordkomplott gegen den Anwalt. Allerdings versäumte es die Behörde, die Warnung an die Polizei weiterzuleiten. Anfang dieser Woche weigerten sich beide Organisationen, »Informationen über nachrichtendienstliche Tätigkeit« preiszu-
geben. Wenn die Vorwürfe jedoch zu-
treffen, dürften weit reichende organisatorische wie persönliche Konsequenzen un-
vermeidlich sein. Wladimir Struminski

Hamburg

Zehn Monate auf Bewährung nach mutmaßlich antisemitischem Angriff

Die 27-Jährige hatte ein Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft nach einer Vorlesung über antijüdische Gewalt attackiert

 28.04.2025

Fernsehen

Mit KI besser ermitteln?

Künstliche Intelligenz tut in Sekundenschnelle, wofür wir Menschen Stunden und Tage brauchen. Auch Ermittlungsarbeit bei der Polizei kann die KI. Aber will man das?

von Christiane Bosch  21.04.2025

Reaktionen

Europäische Rabbiner: Papst Franziskus engagierte sich für Frieden in der Welt

Rabbiner Pinchas Goldschmidt, der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, würdigt das verstorbene Oberhaupt der katholischen Kirche

 21.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Indischer Ozean

Malediven will Israelis die Einreise verbieten

Es ist nicht die erste Ankündigung dieser Art: Urlauber aus Israel sollen das Urlaubsparadies nicht mehr besuchen dürfen. Das muslimische Land will damit Solidarität mit den Palästinensern zeigen.

 16.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Spenden

Mazze als Mizwa

Mitarbeiter vom Zentralratsprojekt »Mitzvah Day« übergaben Gesäuertes an die Berliner Tafel

von Katrin Richter  10.04.2025

Jerusalem

Oberstes Gericht berät über Entlassung des Schin-Bet-Chefs

Die Entlassung von Ronen Bar löste Massenproteste in Israel aus. Ministerpräsident Netanjahu sprach von einem »Mangel an Vertrauen«

 08.04.2025

Würdigung

Steinmeier gratuliert Ex-Botschafter Primor zum 90. Geburtstag

Er wurde vielfach ausgezeichnet und für seine Verdienste geehrt. Zu seinem 90. Geburtstag würdigt Bundespräsident Steinmeier Israels früheren Botschafter Avi Primor - und nennt ihn einen Vorreiter

von Birgit Wilke  07.04.2025