9. November

Kanzler Scholz und Zentralratspräsident Schuster gedenken der Pogrome

»Es ist etwas aus den Fugen geraten«, warnte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden bei der zentralen Gedenkveranstaltung zum 85. Jahrestag der NS-Novemberpogrome. Schuster warnte mit Blick auf die israelfeindlichen und antisemitischen Demonstrationen in ganz Deutschland vor einem »Pogrom unserer Zeit«.

Zahlreiche Politiker waren zu der vom Zentralrat der Juden organisierten Gedenkveranstaltung in der Beth Zion Synagoge in der Berliner Brunnenstraße gekommen. Allen voran Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Mitglieder seines Kabinetts wie Wirtschaftsminister Robert Habeck, Außenministerin Annalena Baerbock (beide Grüne) oder Innenministerin Nancy Faeser. Darüber hinaus kamen auch Parteispitzen wie CDU-Chef Friedrich Merz, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert oder der Grünen-Co-Chef Omid Nouripour.

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Unter den Gästen waren auch die Schoa-Überlebende Margot Friedländer und Israels Botschafter Ron Prosor.

Massiver Polizeischutz

Der Ort für die Gedenkveranstaltung war nicht zufällig gewählt. Elf Tage nach den Massakern der Hamas vom 7. Oktober in Israel gab es einen versuchten Brandanschlag auf die Beth Zion Synagoge in Berlin-Mitte. Mehr als 1300 Polizisten waren am Donnerstag im Einsatz, um die Veranstaltung zu schützen. Vor dem Eingang der Gemeinde Kahal Adass Jisroel. Der Straßenzug wurde durch Scharfschützen gesichert.

Zentralratspräsident Schuster entsetzt über Hass auf Juden

Zu Beginn der Veranstaltung spielte ein Musiker die Titelmelodie aus dem Holocaust-Film »Schindlers Liste«. Dann sprach der Präsident des Zentralrats. Schuster äußerte sich entsetzt über antijüdische Anfeindungen und antiisraelische Demonstrationen in Deutschland seit dem Terrorangriff der Hamas: »Wer verstehen will, warum der Terroranschlag auf Israel in der jüdischen Gemeinschaft auch in Deutschland tiefe Traumata, Ängste und Verunsicherungen hervorruft, der muss sich bewusst sein, was auch 85 Jahre nach der Reichspogromnacht in den jüdischen Seelen vorgeht, wenn wieder Davidsterne an Häuser von Juden gemalt werden, wenn wieder jüdische Geschäfte attackiert werden.«

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Er verwies auf »eine Parallele in der Geisteshaltung« bei radikalen Islamisten und Rechtsextremen und geißelte auch die Verachtung für Lehren aus der Geschichte, die er bei linksextremen und linken Kreisen spüre. Hinter vorgehaltener Hand sei Antisemitismus bis in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen.

Was aus den Fugen geraten sei, könne noch repariert werden, sagte Schuster. »Doch dafür muss man sich auch eingestehen, was in den letzten Jahren schiefgelaufen ist, was man nicht hat sehen können oder wollen.«

Scholz will Terror-Unterstützer ausweisen

Nach Schuster ergriff Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das Wort. Er warnte in seiner Rede vor Ausgrenzung. Andernfalls beginne »der Abstieg einer Gesellschaft in die Katastrophe der Indifferenz, der Intoleranz, der Inhumanität«, sagte Scholz am Donnerstag bei der zentralen Veranstaltung in der Synagoge Beth Zion in Berlin. Dies habe der Theologe Martin Niemöller beschrieben.

»Ausgrenzung trifft Jüdinnen und Juden seit Jahrhunderten besonders«, sagte Scholz. »Immer noch und immer wieder auch hier in unserem demokratischen Deutschland«, und das nach dem von Deutschen begangenen Zivilisationsbruch der Schoa.

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Das Versprechen nach 1945 laute »Nie wieder«, und darauf sei das demokratische Deutschland gegründet. »Dieses Versprechen müssen wir gerade jetzt einlösen«, betonte der Kanzler. Dazu gehöre, für den Schutz von jüdischen Einrichtungen und Gemeinden zu sorgen. Polizei und Justiz müssten geltendes Recht konsequent durchsetzen.

»Nichts, rein gar nichts - keine Herkunft, keine politische Überzeugung, kein kultureller Hintergrund, kein angeblich postkolonialer Blick auf die Geschichte - kann als Begründung herhalten, die Ermordung, das grausame Abschlachten Unschuldiger zu feiern«, bekräftigte Scholz mit Blick auf den Terrorangriff der Hamas auf Israel vor einem Monat. Wer Terrorismus unterstütze, wer antisemitisch hetze, werde strafrechtlich verfolgt. »Mit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht regeln wir ganz klar, dass Antisemitismus einer Einbürgerung entgegensteht.«

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Im Einwanderungsland Deutschland müssten auch die erreicht werden, in deren Herkunftsländern über den Holocaust nicht oder vollkommen anders gesprochen werde, erklärte Scholz. »Und zugleich dürfen wir denen nicht auf den Leim gehen, die jetzt ihre Chance wittern, über fünf Millionen muslimische Bürgerinnen und Bürgern pauschal den Platz in unserer Gesellschaft abzusprechen.«

Den Hamas-Angriff nannte Scholz eine »schreckliche Zäsur«. Deutschlands Platz sei an der Seite Israels. Und: »Unsere Gedanken sind bei denen, die weiter um Kinder, Eltern, Geschwister, Ehepartner, um ihre Liebsten bangen, die als Geiseln in der Gewalt der Terroristen sind.«

1300 Menschen starben bei Novemberpogromen

1938 hatten die Nationalsozialisten in der Nacht vom 9. auf den 10. November landesweit eine Gewaltwelle gegen Juden begonnen. In der Folge wurden nach Angaben des Deutschen Historischen Museums mehr als 1300 Menschen getötet, 1400 Synagogen zerstört und beschädigt, 7000 Geschäfte überfallen und 30 000 Juden in Konzentrationslager verschleppt. Es war der Beginn der systematischen Vernichtung der Juden in Deutschland und Europa durch die Nationalsozialisten.

Lesen Sie mehr zum Thema in unserer nächsten Printausgabe.

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