haskala

Rabbis für die Welt

Ein von der Forschung gut bearbeitetes Feld ist die jüdische Aufklärung, die Haskala. Ebenfalls nicht schlecht sieht es mit Untersuchungen zu jüdischen Migrationsbewegungen aus. »Einzelne Berufsgruppen hat man sich vorgenommen, hat untersucht, warum und wann sie gegangen sind. Warum hat man die Rabbiner ausgelassen?«, fragte sich die Historikerin Cornelia Wil-helm vom Lehrstuhl für jüdische Geschichte und Kultur der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Zusammen mit ihren Kollegen Tobias Grill und Michael Spieker von der Akademie für Politische Bildung Tutzing organisierte sie einen viertägigen Kongress. Zum Thema »German Rabbinate Abroad: Transferring German-Jewish Modernity into the World?« lud man nach Tutzing am Starnberger See. Unter dem Arbeitstitel »Deutsche Rabbiner – ein Exportschlager?« hatten sich an die 20 Wissenschaftler unter anderem aus den USA, Israel und Deutschland eingefunden, um zu bestätigen, dass es diese Emigration aus freien Stücken gab – und zwar deshalb, weil man nach ihnen, den deutschen Rabbinern, im Ausland verlangte.
Doch gibt es auch Stimmen, die die Freiwilligkeit dieser Wanderung hinterfragen. Es war die jüdische Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die den »neuen«, den »deutschen« Rabbiner geformt hatte, der wegen seiner Modernität im Ausland so begehrt war. Eine Bewegung also, die von ihrer Geburtsstunde an Ambi-valenz in sich trug: Traditionsverlust und Fortschrittlichkeit, Öffnung und Ausgrenzung, Meinungsfreiheit und gesellschaftlicher Zwang. »Neu« an den Rabbinern war ihre Ausbildung: Sie hatten studiert! An Universitäten setzten sie sich mit Religionsphilosophie und Vernunftkritik auseinander, knüpften Kontakte mit der nichtjüdischen Welt, sahen sich ihre Rolle bei den Protestanten ab. Eigene Seminare in Breslau und Berlin bildeten sie in ihrer orthodoxen, konservativen oder liberalen Richtung aus. Weltweit waren sie gefragt, und manche gingen auch, weil sie Probleme hatten, in Deutschland eine Anstellung zu finden.
In Tutzing näherten sich die Vortragenden dem Thema über Biografien – erwähnt wurden etwa die Rabbiner Nathan Adler, Robert Raphael Geis und I. E. Lichtigfeld. Andere untersuchten einzelne Länder oder Städte in bestimmten Zeiträumen. Felix Heinert sprach über »Deutsche Rabbiner in Riga vor 1914«, Jeffrey Lesser widmete sich der »Deutsch-jüdischen Identität in Brasilien 1930–1950«. Einzelne Zielländer (England, Russland, Amerika, Niederlande) kamen ebenso in den Blick wie bestimmte Institutionen, etwa das Leo Back College. Die zweite – erzwungene – Migration der deutschen Rabbiner unter den Nazis wurde von Robert Jütte zur Sprache gebracht. Schließlich ging es auch um die Rabbiner, die nach Deutschland zurückkehrten.
Im Vortrag von Michael A. Meyer, internationaler Präsident des Leo-Baeck-Instituts und Spezialist für Judentum und Moderne, kam das Doppelgesicht der Haskala zum Vorschein: Der aufgeklärte Rabbiner hatte seine Autorität verloren, er kannte seine Gemeindemitglieder nicht mehr. Und dann ging er nach Amerika und wurde aus der Synagoge geworfen, weil er eine Kippa auf dem Kopf trug. Zu Hause wurden die Synagogen erst wieder unter Hitler voll. Doch auch diese »Rückbesinnung« war bekanntlich nicht von Dauer. Katrin Diehl

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025

Jerusalem

Karin Prien in Yad Vashem: »Jedes Mal für mich erschütternd«

Bei ihrer Israel-Reise erinnert die Bildungsministerin an die Millionen Opfer des Holocaust. Der Moment berührt die CDU-Politikerin auch aus einem persönlichen Grund

von Julia Kilian  28.10.2025

Bildungsministerin

Karin Prien reist nach Israel

Die CDU-Ministerin mit jüdischen Wurzeln will an diesem Sonntag nach Israel aufbrechen. Geplant sind Treffen mit dem israelischen Bildungs- und Außenminister

 26.10.2025

München

Paul Lendvai: »Freiheit ist ein Luxusgut«

Mit 96 Jahren blickt der Holocaust-Überlebende auf ein Jahrhundert zwischen Gewalt und Hoffnung zurück. Besorgt zeigt er sich über die Bequemlichkeit der Gegenwart - denn der Kampf »gegen das Böse und Dumme« höre niemals auf

 21.10.2025