Wahlkampf

Pöbeln und prügeln

von Tobias Kaufmann

Das politische Berlin ist aufgeschreckt. Nachdem zuletzt mehrfach Veranstaltungen von demokratischen Parteien im Berliner Wahlkampf von Rechtsextremisten gestört und »gesprengt« wurden, fordert Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD. Wenn Veranstaltungen demokratischer Parteien »durch rechtsextreme Brüller- und Schlägertrupps gestört werden, dann ist das eine ganz neue Qualität«, sagte Thierse der Leipziger Volkszeitung. Die Voraussetzungen für ein Parteienverbot müßten neu diskutiert werden, sollten sich Verhältnisse wie in der Weimarer Republik abzeichnen. »Weimarer Verhältnisse« – damit hat Thierse das Schreckgespenst angesprochen, das angesichts einiger Szenen im Berliner Wahlkampf, aber auch im ebenfalls vor einer Landtagswahl stehenden Mecklenburg-Vorpommern, die Runde macht. Darauf deuten auch Äußerungen von SPD-Vorstandsmitglied Niels Annen hin, der feststellte, die NPD habe ihre »Nadelstreifenanzug- und Biedermann-Strategie aufgegeben«. Das Selbstbewußtsein der Rechtsextremisten werde unterschätzt. Sie gäben sich keine Mühe mehr, »die Gewaltbereitschaft zu verschleiern.«
Vergangene Woche erreichte die Einschüchterungstaktik einen Höhepunkt, als ein SPD-Wahlhelfer von zwei Neonazis krankenhausreif geschlagen wurde. Zuvor hatten Rechtsextremisten bereits zwei Veranstaltungen der Jusos, der SPD-Nachwuchsorganisation, gestört. Nachdem Neonazis, die angetreten waren, um »mitzudiskutieren«, geäußert hatten, die Juden seien am Holocaust selbst schuld, wurde die Veranstaltung abgebrochen. Auch PDS, Grüne und die CDU hatten mit Störattacken von Rechtsextremisten zu kämpfen. »Das ist die bekannte Wortergreifungsstrategie«, sagte der Berliner Juso-Landessekretär Emanuel Höger der Jüdischen Allgemeinen. »Aber in dieser Form und Qualität ist das eine neue Dimension.« So seien zu der abgebrochenen Veranstaltung im West-Bezirk Zehlendorf Dutzende stadtbekannte Neonazis aus dem Ost-Berliner Bezirk Treptow/Köpenick gekommen – was nahelegt, daß die Aktionen organisiert stattfinden. »Es handelt sich um eine Stragie, mit der Angst verbreitet werden soll«, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Gabriele Fograscher der Jüdischen Allgemeinen. Fograscher, die Sprecherin der AG Rechtsextremismus ihrer Fraktion ist, warnte jedoch davor, überstürzt auf die Provokationen zu reagieren. Ein NPD-Verbotsverfahren sieht sie skeptisch. »Daß diese Partei verfassungsfeindliche Ziele vertritt, ist unstrittig. Das erste Verfahren ist aber nicht aus inhaltlichen Gründen gescheitert, insofern müßte vor einem erneuten Versuch gründlich geprüft werden, ob es Aussicht auf Erfolg gibt.«
Berlins CDU-Generalsekretär Frank Henkel verurteilte die Vorfälle scharf, betonte aber zugleich, das Spektrum der Extremisten gehe über Neonazis hinaus. »Unsere Gegner sind klar definiert: Rechte, linke und islamistische Extremisten. Alle Demokraten müssen zusammenstehen und Flagge zeigen.«

Hamburg

Zehn Monate auf Bewährung nach mutmaßlich antisemitischem Angriff

Die 27-Jährige hatte ein Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft nach einer Vorlesung über antijüdische Gewalt attackiert

 28.04.2025

Fernsehen

Mit KI besser ermitteln?

Künstliche Intelligenz tut in Sekundenschnelle, wofür wir Menschen Stunden und Tage brauchen. Auch Ermittlungsarbeit bei der Polizei kann die KI. Aber will man das?

von Christiane Bosch  21.04.2025

Reaktionen

Europäische Rabbiner: Papst Franziskus engagierte sich für Frieden in der Welt

Rabbiner Pinchas Goldschmidt, der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, würdigt das verstorbene Oberhaupt der katholischen Kirche

 21.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Indischer Ozean

Malediven will Israelis die Einreise verbieten

Es ist nicht die erste Ankündigung dieser Art: Urlauber aus Israel sollen das Urlaubsparadies nicht mehr besuchen dürfen. Das muslimische Land will damit Solidarität mit den Palästinensern zeigen.

 16.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Spenden

Mazze als Mizwa

Mitarbeiter vom Zentralratsprojekt »Mitzvah Day« übergaben Gesäuertes an die Berliner Tafel

von Katrin Richter  10.04.2025

Jerusalem

Oberstes Gericht berät über Entlassung des Schin-Bet-Chefs

Die Entlassung von Ronen Bar löste Massenproteste in Israel aus. Ministerpräsident Netanjahu sprach von einem »Mangel an Vertrauen«

 08.04.2025

Würdigung

Steinmeier gratuliert Ex-Botschafter Primor zum 90. Geburtstag

Er wurde vielfach ausgezeichnet und für seine Verdienste geehrt. Zu seinem 90. Geburtstag würdigt Bundespräsident Steinmeier Israels früheren Botschafter Avi Primor - und nennt ihn einen Vorreiter

von Birgit Wilke  07.04.2025