Regierungsbündnis

Partner in der Not

von wladimir Struminski

Anfang dieser Woche war es soweit: Ehud Olmert hatte für seine neue Regierung die erforderliche Parlamentsmehrheit zusammen. Es war eine schwere Geburt. Bis zum letzten Augenblick hatten die Koalitionspartner um Details gefeilscht, echte oder auch nur vermeintliche Krisen vom Zaun gebrochen und jede Menge Desinformation gestreut. Im Endergebnis jedoch sieht das Regierungsbündnis fast so aus, wie es die meisten Kommentatoren bereits wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale prophezeit hatten: Kadima, Arbeitspartei, Rentnerpartei und die orthodoxe Schas machen gemeinsame Sache. Das Tora-Judentum hatte die Verhandlungen mit Olmert bis zum Unabhängigkeitstag noch nicht abgeschlossen, doch gingen die meisten Beobachter davon aus, daß die sechs aschkenasischen Ultraorthodoxen den Kabinett zu einem späteren Zeitpunkt beitreten würden. Damit würde die Koalition über 72 der 120 Knesset-Sitze verfügen.
Die Verhältnisse innerhalb des neuen Bündnisses sind kompliziert. Der einzige Partner, der Olmert in der Friedenspolitik einigermaßen nahesteht, ist die Arbeitspartei. Die Rentner unter dem Ex-Spion Rafi Eitan übernahmen den Part ideologiefreier Lückenbüßer und fanden sich bereit, den Rückzugsgedanken gegen Etatmittel für ihre Klientel zu unterstützen. So verfügt der räumungswillige Kern des Regierungsbündnisses nur über 55 Mandate. Die Regierungsmehrheit beschafft sich Olmert bei der Schas. Allerdings für einen hohen Preis: Olmert stellte die frommen Partner von der Pflicht frei, den Rückzug zu unterstützen, sicherte ihnen 1,8 Milliarden Schekel für soziale Zwecke zu und nahm vier Schas-Minister in die Regierungsriege auf. Zugleich hat sich Kadima verpflichtet, die Verabschiedung einer von den Ultras vehement abgelehnten Verfassung einzufrieren. Auch die Einführung der Zivilehe und andere Reformen im Verhältnis zwischen Staat und Religion sind vom Tisch.
Als wären die unsicheren Kantonisten von Schas nicht genug, mußte bei der Regierungsbildung auch die tiefe wirtschaftspolitische Kluft zwischen Kadima und Arbeitspartei überbrückt werden. Im End-
ergebnis mußte Arbeitsparteichef Amir Peretz bei seiner zentralen Forderung klein beigeben: Statt der von ihm zuerst ultimativ geforderten Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns um 1.000 Schekel (180 Euro) ließ sich Kadima nur eine feste Zusage für ein Plus von 380 Schekel abringen. Um diesen Betrag soll das Mindestarbeitseinkommen bis 2007 steigen. Eine Anhebung um weitere 500 Schekel ist vage »bis Ende der Legislaturperiode« fällig. Da in Israel zumeist der Grundsatz »aufgeschoben ist auch aufgehoben« gilt, hat das Versprechen keinen großen Wert. Deswegen mußte sich Peretz heftige Kritik von Sozialorganisationen anhören, die sich von dem Ex-Gewerkschaftsboß verraten und verkauft fühlen. Auch sein zweites Hauptziel, nämlich Finanzminister zu werden, hat der Spitzengenosse verfehlt. Für die neoliberale Kadima war die Vorstellung, die Staatskasse dem spendablen Peretz anzuvertrauen, ein Alptraum. Zum Schluß begnügte sich Peretz mit dem Verteidigungsministerium. Zwar hat der Ex-Hauptmann der wehrtechnischen Truppe kaum Erfahrung in Fragen der nationalen Sicherheit. Indessen setzt Olmert darauf, der Generalstab werden schon dafür sorgen, daß der neue Dienstherr keinen Schaden anrichtet. Das Finanzressort fällt nun dem bisherigen Fremdenverkehrsminister Abraham Hirschson zu (Kadima). Der enge Vertraute des neuen Regierungschefs gilt als ein Wirtschaftsliberaler und wird sich für weitere Marktreformen einsetzen.
Bei allen sonstigen Erfolgen mußte auch Schas auf ein heißbegehrtes Ressort verzichten – das Innenministerium. Dagegen hatte sich Olmert mit Händen und Füßen gewehrt, kann doch ein ultraorthodoxer Innenminister den Kulturkampf zwischen dem religiösen und dem weltlichen Lager anheizen. Statt des Innenressorts übernimmt der Schas-Vorsitzende Eli Jischai deshalb das Ministerium für Industrie, Handel und Arbeit. Deutlich besser als ihre größeren Partner schnitt die Rentnerpartei bei der Postenverteilung ab. Sie darf im Kabinett den Gesundheitsminister stellen und übernimmt zudem das für sie geschaffene Ressort für Rentnerfragen.
Eine weitere Folge von Olmerts Versuch, widerspenstige Partner mit Posten zu besänftigen: Das Kabinett hat 25 Minister –fast soviel wie die bekanntlich etwas größere Volksrepublik China. Mit Schrecken stellte die staatliche Fuhrparkverwaltung fest, daß die Zahl der Minister zustehenden Volvo-Limousinen nicht für alle Mitregenten reicht. Daher werden einige Regierungsmitglieder mit Dienstwagen von Skoda vorliebnehmen müssen.
Wie lange die heterogene Regierungsrunde allerdings die Staatsgeschicke lenken wird, bleibt abzuwarten. Die meisten Beobachter gehen davon aus, daß sie die volle Legislaturperiode nicht überlebt.

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025