Israel

Nur Fliegen ist schöner

Lange Schlangen vor dem Abflug: Ben-Gurion-Airport bei Tel Aviv Foto: Flash90

Als ich gerade eben wieder von Deutschland nach Israel zurückflog, sagte mir noch am Vortag ein Freund, ich solle auf alle Fälle nur mit Handgepäck kommen, am Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv sei ein solches Chaos, dass manche Passagiere ihre Koffer, wenn überhaupt, erst nach Wochen wiederbekommen. Sein Rat war Gold wert. Während in der Ankunftshalle das absolute Chaos herrschte, spazierte ich mit meinem Handgepäck gemütlich durch und saß 15 Minuten nach meiner Ankunft bereits im Taxi.

Solches Chaos ist man in den vergangenen Wochen und Monaten eigentlich eher von der Abflughalle gewohnt. In-
zwischen muss man etwa vier Stunden vor Abflug erscheinen, um zumindest eine einigermaßen vernünftige Chance zu haben, den Flug nicht zu verpassen. Bilder von Menschenschlangen, die sich bereits vor der Abfertigungshalle bilden – und das in der israelischen Sommerhitze –, werden in den israelischen Abendnachrichten immer wie-
der gezeigt.

Wie überall auf der Welt gibt es nach den zwei Pandemiejahren, die den Flugverkehr extrem ausgedünnt hatten, auch in Tel Aviv kaum Personal. Die Flughafenverwaltung hat schon erklärt, dass man vor Sommer 2023 nicht mit einer Beruhigung der Lage rechnen kann. Am Boden hätte man normalerweise rund 1000 Mitarbeiter, im Augenblick seien es gerade mal ein Drittel davon. Nun ja, um in das »Gelobte Land« zu kommen (und von dort auch wieder weg), mussten Juden schon immer einiges an Mühsal auf sich nehmen. Nun also in der Variante 2022.

Doch das ist ja noch nicht alles. In den vergangenen zwei Jahren hat sich endgültig gezeigt, dass es einen Unterschied zwischen »Israelis« und »Juden« gibt. Mal abgesehen davon, dass es selbstverständlich christliche und muslimische Israelis gibt, so bezieht sich dieser Unterschied natürlich auf den jüdischen Anteil. Denn Israelis konnten und durften immer ins Land einreisen, die meisten Diaspora-Juden aber lange Zeit nicht. Es gab einige Ausnahmeregelungen, aber der Mehrheit war der Zugang nach Israel und damit auch oftmals zur Familie oder zur eigenen Immobilie verwehrt.

Das hatte schon nahezu eine metaphysische Dimension: Der jüdische Staat lässt Juden nicht ins Land. Natürlich gab es Begründungen. Man wolle das Virus draußen lassen, Staatsbürgern kann man die Einreise ja schlecht verwehren, hieß es. Doch die letzte Regierung Netanjahu konnte sogar das. Eine kurze Zeit durften nämlich lediglich Israelis einreisen, die eher rechts oder in der Orthodoxie zu verorten waren, andere blieben im Ausland hängen. Da war gerade mal wieder Wahlkampf. Honi soit qui mal y pense …

Irgendwie, irgendwann kommt man für teures Geld dann doch nach Zion.

Nun aber gibt es eine neue Variante der Exklusion: Die explodierenden Ticketpreise. Eventuell glauben die Fluggesellschaften ja an die antisemitische Mär, dass alle Juden reich seien. Denn wenn man das so beobachtet, dann werden sich die Preise für ein Economy-Ticket irgendwo bei rund 800 Euro einpendeln. An manchen Tagen ist es tatsächlich so, dass der Unterschied zur Businessklasse nur noch 150 bis 200 Euro ausmacht. Das mag verstehen, wer will. Was das langfristig für den Tourismus bedeuten wird? Keine Ahnung. Viele Juden aber, die ja nicht nur aus Urlaubsgründen nach Israel wollen, werden es sich ab jetzt wohl zweimal überlegen, ob es sich lohnt, ins »Eretz Nehederet«, ins großartige Land, zu reisen, wie eine beliebte politische Satiresendung im israelischen Fernsehen heißt.

Es ist ja schon schwierig genug, dass man im Grunde nur über den Luftweg nach Tel Aviv kommt. Mit dem Schiff dauert’s zu lange, mit dem Auto geht es schlicht nicht. Seit jeher waren bei den regulären Airlines die Tickets nach Israel teurer als auf vergleichbaren anderen Strecken. Man hatte das Monopol unter sich aufgeteilt, EL AL versuchte immer, ein bisschen billiger zu sein, irgendwie waren alle zufrieden, auch die Passagiere, man nahm das halt so hin.

Letztendlich sollte man sich aber bloß nicht über den Flugpreis beschweren, sondern der Fluggesellschaft und dem Ewigen danken, wenn man überhaupt angekommen ist. Denn natürlich werden auch auf der Strecke Deutschland–Israel Flüge einfach mal so gestrichen. Ein Bekannter, der am nächsten Morgen nach Tel Aviv reisen wollte, konnte froh sein über seine Insomnia, sie ersparte ihm den Weg zum Flughafen. EL AL hatte den Passagieren nachts eine Mail geschickt: Sorry, wir fliegen morgen nicht. Punkt. Nichts weiter. Er sah die Nachricht rechtzeitig, anders als diejenigen, die sich eines gesunden Schlafes erfreuten und brav in aller Herrgottsfrühe zwei Stunden vor Abflug zur Münchner Abfertigungshalle für Israelflüge fuhren. Tja …

Immerhin, es geht den Juden von heute ja nicht wie einst dem großen mittelalterlichen Philosophen Jehuda Halevi. Der wollte unbedingt nach Zion, starb aber auf dem Weg dahin in Ägypten. Wobei die Variante des großen Heinrich Heine irgendwie anmutiger ist. Er beschreibt in Romanzero, wie Halevi just in dem Augenblick, in dem er in Jerusalem ankommt und mit seiner Elegie »Zion halo tischali …« anhebt, vom Pferd eines vorbeiziehenden arabischen Reiters zertrampelt wurde. So weit geht’s dann heute doch nicht. Irgendwie, irgendwann kommt man für teures Geld dann doch nach Zion. Was dann Teheran, die Hamas oder die Hisbollah für einen so parat haben, das ist ein anderes Thema. Aber damit müssen Israelis ja das ganze Jahr über leben, der jüdische Besucher nur kurze Zeit.

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