italien

Neue Seiten

Von seinem Büro fällt der Blick auf die mächtigen Platanen am Ufer des Tibers, dessen grünes Band sich zwischen hohen Travertinwänden durch die Ewige Stadt windet. Den vom Lungotevere hereindringenden Verkehrslärm dämpft der Sound des Senders Swiss Classic – eine Entspannung, die Guido Vitale in diesen Wochen gut gebrauchen kann. Denn als Chefredakteur einer Zeitung, die es noch nicht gibt, durchlebt er turbulente Zeiten.
Den ersten Meilenstein hat der 58-jährige Römer gesetzt: Die in einer Auflage von 100.000 Exemplaren gedruckte Nullnummer der »Pagine Ebraiche« wurde mit Interesse und Neugier aufgenommen. Auf der Buchmesse in Turin, die mehr Besucher anzieht als jene in Frankfurt, stießen Tausende verteilter Freiexemplare auf lebhaftes Echo.

zukunft Wie es weitergeht? »Eine komplizierte Frage« , gesteht Vitale angesichts der organisatorischen und finanziellen Probleme, um deren Bewältigung er sich kümmern muss. Fest steht: Die Vorsitzenden der 21 jüdischen Gemeinden stehen hinter dem Projekt. »Italiens Juden sind die einzigen ohne eigene Zeitung. Deshalb hat der Dachverband der jüdischen Gemeinden im März in Livorno beschlossen, diese Lücke endlich zu schließen«, schildert Vitale die Ausgangslage.
»Die neue Zeitung wendet sich nicht vordringlich an Juden, sondern sucht den Dialog mit der italienischen Gesellschaft. Wir sind nur 30.000 in einem Land mit 60 Millionen Einwohnern. Da wäre jede Abschottung fatal.«
Freilich stößt Vitales Zeitungsprojekt nicht auf ungeteilte Zustimmung. In einigen jüdischen Gemeinden ortet der Chefredakteur »Provinzialismus, Kirchturmpolitik und Kurzsichtigkeit«. So fürchten die Mitteilungsblätter großer Gemeinden wie Rom und Mailand um ihre Existenz, »Eifersüchteleien und Traditionsbesessenheit« bremsen die Verwirklichung des Projekts.
Doch einen Teil seines Plans hat der umtriebige Journalist mit langer Berufserfahrung in Triest, Mailand und den USA bereits umgesetzt. Mit www.moked.it verfü- gen Italiens jüdische Gemeinden über eine neue attraktive Webseite mit vielseitigem Informationsangebot. Täglich wird ein Newsletter ins Netz gestellt und an Interessierte verschickt. Jeden Morgen finden Leser in Moked eine nationale und internationale Presseschau mit über 100 Artikeln in Originalansicht – von Ha’aretz bis zur Gazzetta di Mantova. Im Archiv können sie fast 100.000 Zeitungsausschnitte einsehen. Guido Vitale hat prominente Intellektuelle angeworben, die Moked kostenlos Beiträge zur Verfügung stellen. Das Portal ist mit den Webseiten aller jüdischen Gemeinden verlinkt.
Dass die neue Zeitung im Herbst startet, steht für Vitale, der von vier Redakteuren unterstützt wird, außer Zweifel. »Wir denken zunächst an ein monatliches Erscheinen.« Zur Unterstützung des Projekts soll ein Teil jener 3,7 Millionen Euro genutzt werden, die Italiener der jüdischen Gemeinschaft des Landes jedes Jahr zur Verfügung stellen. In Italien kann jeder Bürger auf seiner Steuererklärung eine Religions- gemeinschaft oder Nichtregierungsorganisation angeben, die 0,8 Prozent seines Steuerbetrags erhält. »Das Geld stammt weniger von Juden als von nichtjüdischen Bürgern«, sagt Vitale, »vielfach von solchen, die Das Tagebuch der Anne Frank gelesen, aber noch nie einen Juden gesehen haben.«
zuspruch Vor allem diese Zielgruppe will er mit seiner neuen Zeitung erreichen, an die prominente jüdische Intellektuelle große Hoffnungen knüpfen. Sie träumen von einem Ausbruch aus dem Ghetto. »Guido Vitale hat eine Leiche zum Leben erweckt«, freut sich der italienisch-israelische Politikwissenschaftler Vittorio Dan Segre, der an der Hebräischen Universität Jerusalem lehrt. Nach der Vorstellung ihres Chefredakteurs soll die neue Zeitung Israel nicht als »rein geopolitisches Phänomen« beleuchten. »Wir wollen von der zivilen Gesellschaft erzählen, ihrem Alltag, ihren Problemen und Hoffnungen.« Den vielfach an »Überalterung und Verknöcherung leidenden jüdischen Gemeinden« Italiens will Vitale neues Leben einhauchen. Vonnöten seien dafür »Diskussion, Öffnung und Dialog«, sagt er.
Prominentester Fürsprecher des neuen Mediums ist Renzo Gattegna, Vorsitzender der Unione delle comunità ebraiche. »Der Durchschnittsitaliener weiß über seine ›jüdischen Mitbürger‹ fast nichts. Er kennt weder ihre Traditionen und Bräuche noch
ihre Kultur und Geschichte. Über ihre Religion weiß er nur oberflächlich Bescheid«, klagt Gattegna. Das neue Medium müsse ein breites Informationsspektrum bieten und weit über Standardthemen wie Schoa und Nahost hinausreichen, wünscht er sich.

chancen Zu den Mitarbeitern der neuen Zeitung gehört neben der Historikerin Anna Foa und der Autorin Elena Loewenthal auch der an der Hebräischen Universität Jerusalem lehrende Demograf Sergio Della Pergola. Er rühmt das große Potenzial der »Pagine Ebraiche«: »Wer die erste Ausgabe der neuen Zeitung gelesen hat, erkennt die enormen Chancen, die dieses neue Projekt Italiens Juden bietet.«

Interview

»Sehr präzise und äußerst wirksame Schläge«

Arye Sharuz Shalicar über Israels Angriff auf den Iran, die Situation der iranischen Bevölkerung und die Zukunft des Mullah-Regimes

 15.06.2025

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025

Medien

Presseschau zur Debatte um Deborah Feldmans »Weltbühne«-Artikel

In dem Blatt des umstrittenen Verlegers Holger Friedrich zieht die Autorin die Jüdischkeit des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen in Zweifel. In Zeitungskommentaren wird nun vernichtende Kritik an ihrem Text geübt

 26.05.2025

Israel

Geisel-Angehörige fordern Ende des »Albtraums«

Seit bald 600 Tagen hält die Hamas noch 58 lebende und tote israelische Geiseln im Gazastreifen fest. Israelis demonstrieren vehement für ihre Freilassung und fordern ein Ende des Krieges

 24.05.2025

Nachrichten

Strände, Soldat, Flüge

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  21.05.2025