Mauricio Kagel

Mann der neuen Töne

von Jonathan Scheiner

»Ich habe jahrelang Lock- und Jagdpfeifen gesammelt, in mehr als 80 Sorten für ungefähr 130 verschiedene Rufe.« Nein, Mauricio Kagel ist kein Ornithologe. Die exotischen Pfeifenklänge sind in sein Stück Bestiarium – Musik für Lockpfeifen in drei Sätzen (1974/75) eingegangen, ein Hauptwerk dieses großen zeitgenössischen Komponisten.
Nicht nur aus Entenpfeifen hat Kagel im Laufe seiner fünfzigjährigen Karriere Musik gemacht. Für seine Kompositionen zog und zieht er scheinbar alles heran: einzelne Klänge, Worte, visuelle und gestische Elemente sowie Requisiten aller Art. Selbst die Eigenschaften eines technischen Mediums oder einen historischer Stil hat er musikalisch genutzt.
Geboren wurde Mauricio Kagel vor 75 Jahren, am 24. Dezember 1931 in Buenos Aires, wohin seine Eltern vor den Pogromen in der Ukraine geflohen waren. Die argentinische Hauptstadt war eine multikulturelle Metropole. Einwanderer aus aller Herren Länder brachten ihre Traditionen mit; nach 1933 kamen namhafte Vertreter der von den Nazis vertriebenen europäischen Intelligenz hinzu. Das prägte auch das musikalische Leben. Klassik und Moderne vermischten sich mit lokalen und Immigrantentraditionen wie Tango, italienischen Volksweisen und Klesmer.
Zur Musik kam Kagel, wird erzählt, weil ein Arzt bei ihm Anzeichen von TBC entdeckt und dem Jungen zur Stärkung der Lungen Gesangsunterricht verschrieb. Klavier-, Cello- und Klarinettenstunden kamen dazu. Mit Anfang zwanzig arbeitete er als Korrepetitor unter Erich Kleiber am Teatro Colón in seiner Heimatstadt, später dirigierte er die dortige Kammeroper. 1957 übersiedelte der junge Musiker auf Anraten von Pierre Boulez nach Köln, wo er bis heute lebt. Im Elektronischen Studio des Westdeutschen Rundfunks begann seine Komponistenkarriere. Kagel wurde zu einem der wichtigsten Vorreiter der Neuen Musik. Ab 1960 war er Dozent bei den legendären Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik, er lehrte in Berlin, Göteborg und New York und wurde 1968 als Nachfolger von Karlheinz Stockhausen Leiter der Kölner Kurse für Neue Musik. 23 Jahre lang war er Professor für Neues Musiktheater an der Musikhochschule in Köln.
In dieser Zeit ist ein gewaltiges Werk entstanden: dreißig Instrumental- und Vokalwerke, sieben Bühnenstücke. Aber Kagels Werk beschränkt sich nicht auf die Musik. Er ist, wie Klaus Schöning, der Leiter des legendären Studios für Akustische Kunst sagt, ein »Künstler der Intermedia, ein Polyartist«. Er hat Geisteswissenschaften studiert, pflegte Kontakt zu Witold Gombrowicz, war 1950, mit 19 Jahren, Mitbegründer der argentinischen Cinemateque und anerkannter Kritiker für Film- und Fotozeitschriften. Er verehrt Jorge Luis Borges, dessen Gedicht Muertes de Buenos Aires den jungen Kagel zu seinem ersten eigenen Film inspiriert hatte. Und da ist das Hörspiel, als dessen großer Innovator er gilt. Schon mit seiner ersten Arbeit (Hörspiel). Ein Aufnahmezustand (1969), revolutionierte er das Genre. Für seine Werke ist Kagel vielfach ausgezeichnet worden: mit dem Preis der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik 1966 und 1972, dem Prix Italia 1977 und 1985, dem Karl-Szuka-Preis 1970 und 1995, dem Hörspielpreis der Kriegsblinden 1979 und zuletzt 2000 mit dem Ernst-von-Siemens-Preis, der als der Nobelpreis der Musik gilt.
Wer sich einen Eindruck von Kagels Arbeit machen möchte, dem seien zwei Alben empfohlen, beide bei Winter & Winter erschienen. The Mauricio Kagel Edition besteht aus zwei CDs und einer DVD, unter anderem mit dem Bestiarium, dem Aufnahmezustand, dem Film Ludwig van von 1969, in dem Joseph Beuys mit Beethovens Totenmaske eine Hauptrolle spielt, sowie dem Tango Alemán, gespielt auf dem Bandoneon von Kagel selbst. Das zweite Album heißt Quirinus’ Liebeskuß. Das Titelstück, ein Werk für Vokalensemb-le und Instrumente von 200o/2001, ist aus Kagels Suche nach einsilbigen deutschen Worten entstanden, die durch den Gesangsvortrag klingen wie Chinesisch – ein- Musterbeispiel für Kagels Neigung zu ab seitigem und spannendem Material.
Seine Geburtstadt Buenos Aires widmet dem Jubilar zum 75. Geburtstag ein zweiwöchiges Festival. In Amsterdam werden vierzehn Tage lang seine Werke aufgeführt. Und in Berlin zeigt das Kino Arsenal eine kleine Reihe mit Kagel-Filmen. Sie beginnt an Weihnachten. Schließlich hat auch Kagel, wie ein anderer bekannter Jude, am 24. Dezember Geburtstag.

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025

Medien

Presseschau zur Debatte um Deborah Feldmans »Weltbühne«-Artikel

In dem Blatt des umstrittenen Verlegers Holger Friedrich zieht die Autorin die Jüdischkeit des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen in Zweifel. In Zeitungskommentaren wird nun vernichtende Kritik an ihrem Text geübt

 26.05.2025

Israel

Geisel-Angehörige fordern Ende des »Albtraums«

Seit bald 600 Tagen hält die Hamas noch 58 lebende und tote israelische Geiseln im Gazastreifen fest. Israelis demonstrieren vehement für ihre Freilassung und fordern ein Ende des Krieges

 24.05.2025

Nachrichten

Strände, Soldat, Flüge

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  21.05.2025

Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt: Verfassungsschutz sieht Demokratie bedroht

Im Osten ist die AfD besonders stark. Allerdings etablieren sich auch andere rechtsextremistische Bestrebungen

von Christopher Kissmann  19.05.2025