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Kultur zum Mitmachen

Der Künstler Leonard Gabler steht vor einer großen Leinwand. Schemenhaft skizziert ist darauf die Trennung von Himmel und Wasser zu sehen, die Gischt geht in eine Wolke über. Das Publikum soll den Pinsel in die Hand nehmen und mitmalen. Es geht um den zweiten Tag der Schöpfungsgeschichte. Zwischen 18 Uhr und drei Uhr früh geben sich an diesem Tag die Besucher die Türklinke in die Hand, tauchen ein in eine neue kulturelle Erfahrung, in den jüdischen »Salon Vienna«.
»Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich Juden außerhalb Israels entweder über die Religion oder über politisches Engagement definieren«, sagt der Israeli Benny Bailey. Das gab den Anstoß, darüber nachzudenken, wie ein Umfeld aussehen könnte, in dem man sich auf andere Weise mit seinem Judentum, seiner Identität auseinandersetzen kann. Den Schlüssel fand Bailey – er ist Sozialarbeiter und betreibt in Tel Aviv ein Café – in der Kultur. Zeitgenössische Kunst und Kultur, so sein Befund, nicht nur ansprechend präsentiert, sondern auch zum Mitmachen animierend, können das jüdische Wir-Gefühl stärken.

begegnung So entstand vor vier Jahren das Konzept der Jewish Salons. Was um 1900 in Wien oder Berlin als Ort intellektuellen Austauschs funktionierte, wird hier zur Begegnungsstätte der Generation Facebook. Dort sind alle Salons ebenfalls vertreten. Weltweit gibt es inzwischen fünf Salons: in Tel Aviv, Mexiko-City, Amsterdam, Prag und eben in Wien. Bailey hat eine Art Franchise-System entwickelt: Organisationsform und der visuelle Auftritt nach außen werden von der Zentrale in Israel vorgegeben, die Verantwortung fürs konkrete Programm liegt jeweils bei den örtlichen Salonbetreibern. Wichtig ist Bailey allerdings, dass Kunstschaffende aus anderen Gemeinden zum Zug kommen. »Woher hat man bisher in Prag erfahren, was in der jüdischen Gemeinde in Mexiko passiert?« Die Vernetzung der Salons bringe hier jede Menge neue Inputs.
Der als Kulturverein organisierte Salon Vienna öffnete dieses Frühjahr seine Pforten. Bereschit, das erste Buch Moses, wählten die Wiener Salonmacher als Thema für ihren ersten Event. Umgesetzt wurde die Schöpfungsgeschichte in Installationen, die sich über sieben Räume erstreckten. Dabei sollten die Tage der Erschaffung der Welt nicht einfach nur dargestellt werden. Vielmehr galt es, »diese Tage im Hinblick auf die moderne Welt zu improvisieren«, sagt Yvonne Feiger, organisatorische Leiterin des Salon Vienna. Antworten sollte es geben auf die Fragen: »Wie könnte dieser Tag heute aussehen? Wie geht der Mensch mit dem an diesem Tag Erschaffenen um?«
Tag sechs beispielsweise, an dem Gott die Menschen nach seinem Ebenbild erschuf, wurde von Sheri Avraham, Marek Bozuk und Josef Baraka gestaltet. An Nylonschnüren aufgefädelte Porträtfotos bildeten in dieser Installation einen von der Decke baumelnden Menschenregen. Lichtkegel in dem ansonsten abgedunkelten Raum ließen die Plastikfäden glitzern. Manchen Besucher beschlich das Gefühl, in der Kindererinnerungsstätte von Yad Vashem zu sein.
Feiger betont zwar, der Salon habe nicht die Absicht, die Schoa zu thematisieren, »uns geht es um die Lebendigkeit des Judentums und nicht um die Last, die wir tragen«. Doch selbst wenn man den Holocaust aus allen Konzepten verbannt, scheint jüdische Identität auch mehr als 60 Jahre nach der Schoa untrennbar mit ihr verbunden.
Beim zweiten Salon im Juni war Schemot, das zweite Buch Moses, die Klammer des Abends – und zu Gast die israelische Band »Funk’n’stein«. Regte der erste Salon vor allem zur Reflexion an, entwickelte sich der zweite zu einem ausgelassenen Abend, »der auch die Lebendigkeit unserer Kultur verkörpern sollte«, so Feiger. Demnächst steht Wajikra auf dem Programm, nächstes Jahr folgen Bamidbar und Dewarim. Für Dezember ist ein »Salon Vienna Light« geplant. Dabei soll das Chanukka-Fest einen modernen Bezug erhalten. Nenny Bailey zeigt sich erfreut über die Tatkraft der Salonverantwortlichen in Wien und anderswo. Hier werde wirklich etwas Neues auf die Beine gestellt. Auch wenn man in einigen weiteren Städten in losen Gesprächen über die Eröffnung weiterer Salons ist, wie etwa auch mit einer Interessentin in Berlin, sei derzeit noch an keine Erweiterung des bestehenden Salonangebots gedacht. »Wir leiten jetzt ein Projekt an fünf verschiedenen Orten, das muss sich erst alles einspielen, wir möchten nichts überstürzen.«

geld Sorge macht Bailey vor allem die Finanzierung. Rund 50.000 Euro kostet das Projekt in jeder der beteiligten Städte pro Jahr. Die Hälfte davon kommt aus der Tel Aviver Zentrale und wird meist über Spender und Sponsoren in den USA aufgebracht. Die restlichen 25.000 Euro sollten in der Stadt des Salons aufgetrieben werden. In Wien jedoch sei ein potenzieller Geldgeber aufgrund der Finanzkrise wieder abgesprungen.
Durch den intensiven Kontakt mit jungen Leuten aus jüdischen Gemeinden außerhalb Israels hat Bailey Anstöße bekommen, in welche Richtung sich der Salon Tel Aviv entwickeln könnte.
»Es ist paradox, aber säkulare Juden in Israel wissen viel weniger übers Judentum als Juden in der Diaspora. Viele Israelis interessieren sich überhaupt nicht für jüdische Traditionen.« Ihm ist es daher ein Anliegen, mit dem Salon einen Ort zu schaffen, an dem israelische Juden wieder in die eigene Tradition eintauchen – ohne gleich religiös zu werden.
Für 2010 plant der Wiener Salon ein großes Projekt in Zusammenarbeit mit Tel Aviv, »etwas Bahnbrechendes in der Nachkriegszeit und Gegenwartskultur«, sagen die Organisatoren. Doch mehr wird nicht verraten.

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