Gregor Gysi

Kritische Solidarität

von Daniel Kilpert

In der Partei »Die Linke« kommt allmählich eine Diskussion über das Verhältnis zu Israel in Gang. In der vergangenen Woche richtete die der Partei nahestehende Rosa-Luxemburg-Stiftung ein Seminar zum 60. Jahrestag der Staatsgründung Israels aus. Der Saal war voll besetzt – war doch eine programmatische Rede des Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi über »die Haltung der deutschen Linken zum Staat Israel« angekündigt.
Das Publikum erlebte einen Gysi, der einen ungewohnt theoretischen Vortrag hielt, den er – ebenso ungewöhnlich – fast komplett vom Blatt ablas. Der Antiimperialismus könne heute in Bezug auf Israel keine Kategorie mehr sein, so Gysi. Gysi rief die Linke zur »kritischen Solidarität« mit Israel auf, die auch »Unrecht« benennen sollte. Er kam zu dem Ergebnis, dass es keine einseitigen Parteinahmen geben könne. Bundeskanzlerin Angela Merkel hielt Gysi vor, bei ihrem Besuch in Israel eine »zu einseitige« Rede gehalten zu haben. Merkel hatte vor der Knesset die gesicherte Existenz Israels als Teil der deutschen Staatsräson bezeichnet. Die Linke solle den Begriff »Staatsräson«, auch wenn er für sie konservativ aufgeladen klinge, nicht völlig ablehnen, so Gysi. Der Bundesrepublik warf Gysi vor, bei der erst spät erfolgten Aufnahme diplomatischer Beziehungen anfänglich ein eher instrumentelles Verhältnis zum jüdischen Staat gehabt zu haben. Davon, dass das Eintreten für Israel ein Teil der bundesdeutschen Staatsräson gewesen sei, habe damals jedenfalls keine Rede sein können.
Ob man nach Gysis Rede nun schon von einer »Kehrtwende bei den Linken« sprechen kann, wie es etwa »Spiegel Online« tat, kann allerdings bezweifelt werden. Die Luxemburg-Stiftung wollte zum 60. Jahrestag der Staatsgründung ihre Veranstaltung nicht einmal ausschließlich Israel widmen. In einem zweiten Teil des Seminars ging es um »Eine Zukunft für Palästina« – mit dabei stramm antizionistische Vorkämpfer der Partei, wie die Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gehrcke und Heike Hänsel, die Israel kürzlich vorwarf, einen »Vernichtungskrieg« gegen die Palästinenser zu führen. In der Bundestagsfraktion sitzt auch der emeritierte Hochschullehrer Norman Paech als außenpolitischer Sprecher, der den Boykott der Hamas »ein Verbrechen« nannte.
Doch steht Gysi nicht völlig allein. Vor allem unter den jüngeren Parteimitgliedern tut sich etwas. Vor einigen Monaten gab Katja Kipping, stellvertretende Bundesvorsitzende, ein Positionspapier heraus, das für einige Unruhe sorgte. Dort fordert sie, sich mit den »antiimperialistischen und antizionistischen Traditionslinien« der Linken kritisch auseinanderzusetzen. Und in der Linksjugend, der Jugendorganisation der Partei, hat sich vor kurzem ein »Arbeitskreis Shalom« gegründet, der sich als »Plattform gegen Antisemitismus, Antizionismus, Antiamerikanismus und regressiven Antikapitalismus« versteht.
Auch in anderen Parteien begehrt der Nachwuchs gegen linken Antisemitismus auf. Die Vorsitzende der Jungsozialisten in der SPD, Franziska Drohsel, forderte am vergangenen Wochenende in einem Gastbeitrag für die »Welt am Sonntag«, das linke politische Spektrum solle sich nicht mit islamistischen und israelfeindlichen Kräften gemein machen. »Antisemitismus ist ein Übel, das bekämpft werden muss – egal wer es artikuliert und vertritt«, so Drohsel.

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025