Nachbarn

Kleiner Grenzverkehr

von Elke Wittich

Das Zusammenwachsen Europas ist zur Selbstverständlicheit geworden – auch in den jüdischen Gemeinden. Neben Russisch und Deutsch wird in den Gemeinden auch Flämisch, Französisch, Englisch, Portugiesisch oder Spanisch gesprochen.
Ohne lästige Formalitäten und ohne Geldumtausch über die Grenze fahren – für die Einwohner des Aachener Dreiländerecks ist der Alltag deutlich einfacher geworden. Und so suchen auch belgische Juden Kontakt zur Jüdischen Gemeinde in Aachen, »zum Beispiel zu Pessach, denn die nächste belgische Gemeinde ist im 140 Kilometer entfernten Antwerpen«, erzählt Verwaltungsleiter Daniel Lemberg. Umgekehrt profitieren die »Öcher Juden« vom koscheren Lebensmittelangebot einer niederländischen Supermarktkette.
Wie viele Niederländer oder Belgier Mitglieder in der Aachener Gemeinde sind, ist nicht bekannt. Man führe keine Statistik über die Herkunft der Gemeindemitglieder, sagt Lemberg. Dennoch ist der Verwaltungschef sicher, dass »der eine oder andere Holländer, Belgier, Israeli schon unter ihnen ist«. Offizielle Kontakte ins benachbarte Ausland blieben trotz der europäischen Freizügigkeit spärlich. Die nächste niederländische jüdische Gemeinde ist zwar nur 30 Kilometer entfernt, aber »dort arbeitet man sehr ruhig vor sich hin, wir hören nur immer mal wieder etwas vom Landesverband der Provinz Limburg, der uns seine Monatshefte oder Einladungen zu den Festtagen schickt.«
Weder unter den Dreiländer-Gemeinden noch zwischen den deutschen Gemeinden der Region gebe es eine gute Zusammenarbeit, sagt Lemberg. Er empfinde es als schade, dass »in Deutschland jeder so vor sich hinwurschtelt, dabei könnte eine engere Zusammenarbeit sicher Gewinn bringen. Mehr Austausch mit den Gemeinden der Nachbarländer wäre dann der nächste Schritt.«
Marcel Wainstock, Geschäftsführer der Synagogengemeinde Saar in Saarbrücken, bezeichnet sich selber als »Europäer durch und durch«. Wie die meisten jüdischen Kinder der Stadt ging auch er nach der Rückkehr 1954 in die von den französischen Alliierten gegründete Schule, »wohl auch, weil unsere Eltern fürchteten, dass wir an den deutschen Schulen von Nazi-Lehrern unterrichtet werden könnten.« Außerdem war der Donnerstag schulfrei, so dass »dann jeder zu seinem Religionsunterricht gehen konnte«.
Die zweisprachige Erziehung, die bis in die 70er-Jahre hinein gang und gäbe war, hatte für die Saarbrücker Gemeinde jedoch auch negative Konsequenzen. Nach dem Abitur gingen viele junge Juden zum Studium nach Frankreich und blieben dort.
Andererseits hatten sich nach Kriegsende viele saarländische Juden im französischen Grenzgebiet niedergelassen, weil sie zwar einerseits nicht zurück nach Deutschland wollten, andererseits aber doch in der Nähe der Heimat leben wollten. Mit den umliegenden Gemeinden habe man entsprechend guten Kontakt gehabt, erinnert sich Wainstein.
Heute ist man in Saarbrücken »leider nicht mehr so europäisch«, bedauert er. Einige Gemeindemitglieder haben noch den französischen Pass, »die meisten sind aus dem ehemaligen Ostblock, dazu kommen ein paar Israelis.« Und ein englischer Kantor, der – und in dem Punkt funktionieren die Beziehungen ins Nachbarland immer noch sehr gut – »meist von einem französischen Kantor vertreten wird.«
Auch die Religionslehrerin kommt aus Straßburg, »sie ist Schweizerin, deren Eltern aus Hannover kommen und die mit einem Franzosen verheiratet ist – echt europäisch eben.« Für die meisten Gemeindemitglieder sei das Nachbarland aber nur noch ein touristisches Ziel, bedauert Wainstein, »das Frankophile früherer Jahre ist verschwunden, die meisten Zuwanderer können einfach kein Französisch«. Was wohl auch ein bisschen viel verlangt wäre, betont der 61-Jährige, »sie müssen ja erst einmal hier ankommen, Deutsch lernen und sich im neuen Land zurechtfinden, das braucht alles seine Zeit.«
Das Gefühl, nicht nur in einem anderen Land, sondern gleich auch mitten in Europa anzukommen, kennt Jelena Sokolowski ganz genau. Die Ukrainerin ist eine der Mitbegründerinnen der nördlichsten jüdischen Gemeinde Deutschlands Flensburg und legt sehr viel Wert auf internationale Kontakte. 80 Mitglieder hat die Gemeinde, »aber leider ist kein Däne darunter«, kons-tatiert die studierte Pädagogin. Mit der dä- nischen Minderheit der Stadt, der immerhin 35 Prozent aller Einwohner angehören, pflege man aber ein sehr herzliches und kooperatives Verhältnis, sagt Sokolowski. »Unser Gemeindehaus gehört der dänischen Minderheit, und alle drei Monate veranstalten wir im dänischen Gymnasium einen Musikabend mit Künstlern aus dem Kulturprogramm des Zentralrats der Juden in Deutschland.«
Die nächste jüdische Gemeinde des nördlichen Nachbarlandes befindet sich in Kopenhagen. »Wir waren schon zwei Mal dort und haben uns unter anderem mit dem dänischen Landesrabbiner getroffen und die Synagoge besucht«, freut sich Sokolowski über die Kontakte. Dänisch zu lernen sei für jüdische Flensburger übrigens allein schon aus Jobgründen selbstverständlich, auch wenn die Sprache für Osteuropäer ausgesprochen schwer sei: »Einige unserer Zuwanderer arbeiten in Dänemark.«
Aber nicht nur die Flensburger Juden können von Europa profitieren. Die Zentralwohlfahrtstelle veranstaltete kürzlich ein Seminar zum Thema EU-Förderungen. Gerade für Gemeinden könne es sehr interessant sein, Anträge zu stellen, erklärt Pressesprecherin Heike von Bassewitz. »Man muss nur die Scheu vor dem Bürokraten-Dschungel verlieren.« Vorgestellt wurden unter anderem Aktionsprogramme für Jugendliche. Besonders kostengünstige Aktivitäten und Begegnungen wie mit Israelis, könnten durchaus gefördert werden. »Man muss sich nur gut überlegen, was man machen möchte und die Sache dann angehen«, sagt von Bassewitz.

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