Walther Bensemann

Kicker mit Durchblick

Das Spiel, das den zehnjährigen Walther Bensemann derart begeisterte, dass es sein ganzes Leben prägen sollte, funktioniert immer noch so, wie er es im Jahr 1883 im Schweizer Internat von englischen Mitschülern lernte: Zwei Mannschaften à elf Spieler versuchen 90 Minuten lang, einen Ball mit den Füßen ins gegnerische Tor zu befördern. Der Sohn eines Berliner Bankiers machte sich nach dem Ende der Schulzeit umgehend daran, seinen Landsleuten das Kicken näherzubringen, und gründete nicht nur gemeinsam mit Freunden den Karlsruher FV, sondern gehörte im Jahr 1900 auch zu den Gründungsvätern des Deutschen Fußballbundes (DFB).
20 Jahre später ging Walther Bensemann einen Schritt weiter und ein ziemliches Risiko ein: Mit ein paar hundert Mark Startkapital und mehr Selbstvertrauen als Know-how gründete er eine eigene Fußball-Wochenzeitung, den noch heute existierenden Kicker. Das redaktionelle Konzept entsprach dem, was man heute als Fanzine bezeichnet: Jemand schreibt über alles, was ihn interessiert. Bensemann schrieb Glossen, Spielberichte, Statistiken und antwortete auf Leserbriefe wie den eines katholischen Geistlichen und Turners, der im Fußball eine unchristliche Sportseuche sah.
Nach einigen wirtschaftlichen Rückschlägen wird der Kicker schließlich amtliches Organ des Mitteldeutschen Fußballverbandes und erreicht eine Auflage von 20.000 Exemplaren. Die Texte des Mannes, der 1933 in die Schweiz flüchten musste, wo er ein Jahr später verarmt starb, gerieten allerdings rasch in Vergessenheit.
Dass der Kicker einen jüdischen Gründer hatte, der dazu noch die deutsche Fußballgeschichte maßgeblich mitgeprägt hatte, wurde genauso vergessen, bis Bernd M. Mayer 2003 im Werkstatt-Verlag seinen biografischen Roman über den Mann, der den Fußball nach Deutschland brachte, veröffentlichte. Nun hat Mayer im selben Verlag ausgewählte Texte Bensemanns herausgegeben. Der König aller Sports ist eine Sammlung ausgewählter Glossen des Kicker-Gründers.
Darin zeigte Bensemann schon vor mehr als 80 Jahren, wie intelligenter, kritischer Sportjournalismus geht. Eloquent und weit entfernt vom heutigen Poldi-Klinsi-Gestammel, beschrieb Bensemann mehr als nur Spiele. Als ausgesprochener Idealist sah er im Fußball eine Möglichkeit zur Völkerverständigung. »Was wir in stetem Kampf gegen eine Unsumme von Borniertheit, Missgunst und Spießertum, gegen Streber, Mu- cker und Philister aller Observanzen durchgekämpft und erfolgreich erstritten haben, bildet heute das Gemeingut aller Völker, entzückt heute Sonntag für Sonntag unzählige Augen begeisterter Menschen«, jubelte er anlässlich des ersten Spiels der deutschen Nationalmannschaft gegen England nach dem Ersten Weltkrieg am 13.5.1930. Und er merkte an, dass die vor allem von deutschen Funktionären strikt bekämpfte Professionalisierung des Fußballs wohl kaum zu verhindern sei. Die »verlogene Marke Amateurismus« nannte Bensemann, der keine Angst hatte, Funktionären auf die Füße zu treten, die Weigerung, Spieler zu bezahlen: »Flausen von Leuten, die verdienen wollen und sich ein angenehmes Leben auf Kosten unserer Fußballsklaven zu sichern suchen«. Elke Wittich

walther bensemann:
der könig aller sports
Die Werkstatt, Göttingen 2008, 256 S., 22,90 €

Hamburg

Zehn Monate auf Bewährung nach mutmaßlich antisemitischem Angriff

Die 27-Jährige hatte ein Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft nach einer Vorlesung über antijüdische Gewalt attackiert

 28.04.2025

Fernsehen

Mit KI besser ermitteln?

Künstliche Intelligenz tut in Sekundenschnelle, wofür wir Menschen Stunden und Tage brauchen. Auch Ermittlungsarbeit bei der Polizei kann die KI. Aber will man das?

von Christiane Bosch  21.04.2025

Reaktionen

Europäische Rabbiner: Papst Franziskus engagierte sich für Frieden in der Welt

Rabbiner Pinchas Goldschmidt, der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, würdigt das verstorbene Oberhaupt der katholischen Kirche

 21.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Indischer Ozean

Malediven will Israelis die Einreise verbieten

Es ist nicht die erste Ankündigung dieser Art: Urlauber aus Israel sollen das Urlaubsparadies nicht mehr besuchen dürfen. Das muslimische Land will damit Solidarität mit den Palästinensern zeigen.

 16.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Spenden

Mazze als Mizwa

Mitarbeiter vom Zentralratsprojekt »Mitzvah Day« übergaben Gesäuertes an die Berliner Tafel

von Katrin Richter  10.04.2025

Jerusalem

Oberstes Gericht berät über Entlassung des Schin-Bet-Chefs

Die Entlassung von Ronen Bar löste Massenproteste in Israel aus. Ministerpräsident Netanjahu sprach von einem »Mangel an Vertrauen«

 08.04.2025

Würdigung

Steinmeier gratuliert Ex-Botschafter Primor zum 90. Geburtstag

Er wurde vielfach ausgezeichnet und für seine Verdienste geehrt. Zu seinem 90. Geburtstag würdigt Bundespräsident Steinmeier Israels früheren Botschafter Avi Primor - und nennt ihn einen Vorreiter

von Birgit Wilke  07.04.2025