Tage im Juni 1967

Kibbuzniks im Krieg

von Sabine Brandes

Schon seit Wochen war die Stimmung wie elektrisiert. »Das Volk war regelrecht hys-
terisch«, erinnert sich Dani Hadari, »alle hingen fast 24 Stunden vor dem Radio und hatten nur noch ein Thema: Krieg.« Die ständigen Provokationen des ägyptischen Präsidenten Nasser und die Mobilmachung der arabischen Truppen an den Grenzen zu Israel steigerten die Panik von Tag zu Tag.
Am 5. Juni schickte Premierminister Levi Eschkol eine Nachricht an den jordanischen König Hussein: Sollte er keinen Angriff initiieren, würde Israel Jordanien nicht angreifen. Doch es kam anders. Das Königreich attackierte Westjerusalem – und die Israelis schlugen zurück. Hadari saß an diesem Morgen mit seiner Armee-Einheit »Kettenfahrzeuge Chatiwa 45« im Wadi Milech unweit der jordanischen Grenze. Schon lange war er kein Soldat mehr, er war 34 Jahre alt, hatte eine Frau und zwei Kinder. In seinem Kibbuz Gvat im Jisrael-Tal arbeitete er als Lehrer, seine Eltern gehörten zu den Gründern der 800-Seelen-Kooperative. In diesem Moment jedoch war das normale Leben in den Hintergrund gerückt. Israel hatte fast alle Männer mobilisiert, die Armee des Landes bestand zu 80 Prozent aus Reservisten. An diesem Frühsommertag ging es um das Überleben seines Landes. Hadari war sich dessen hundertprozentig bewusst.
Und doch schweiften seine Gedanken wieder und wieder ab. Nach Hause zu seinen Kindern und vor allem zu seiner Frau Monica, die gerade ihr drittes Kind erwartete. Es war eine schwere Schwangerschaft für die Kunstlehrerin und Mutter zweier kleiner Kinder. Von Anfang an litt Monica unter starken Blutungen und durfte das Bett kaum verlassen. Waren es der Stress, die Ängste und Sorgen? Sie weiß es nicht genau. »Aber sicher hat es dazu beigetragen«, erinnert sich die heute 74-Jährige. »Auf einmal war der Kibbuz fast männerleer, ich war allein und konnte nicht funktionieren. Es ging mir wirklich schlecht.«
Zur selben Zeit, weniger als 50 Kilometer entfernt, musste ihr Ehemann Dani perfekt funktionieren. Es war Abend, als er sich mit seinen Kameraden im Jeep zum Auskundschaften den Berg hinaufarbeitete, die Kettenfahrzeuge und Panzer folgten. »Wir wussten, dass der Feind auf der Kuppe lauern könnte. Es war ein komisches Gefühl, ja, vielleicht war auch Angst dabei.« Und dann ging es los. »Furchtbar schnell, die Schüsse flogen nur so, ich hatte eine automatische Waffe, die ich feuerte, bis sie nicht mehr funktionierte. Neben mir knallten Einschläge. Danach kam unser Panzer. Er schoss – und es herrschte Stille.«
Als Nächstes sollte ein jordanisches Dorf eingenommen werden, was nicht gelang. Es gab erste Verletzte und Tote auf israelischer Seite. Hadari erzählt: »Wir waren mitten im Nirgendwo und hatten keine ausreichende Versorgung für die Schwerverletzten. Also mussten wir sie mit unserem Jeep mitten in der Nacht über geheime Wege zu einem Feldlazarett fahren.« Einige hätten es nicht geschafft. In derselben Nacht rückte Verstärkung an, das Dorf wurde erobert und alle dachten: »Jetzt ist es schon vorüber«. Er schüttelt ungläubig den Kopf, wenn er daran denkt, wie sehr sich die Ereignisse überschlagen haben.
Auch Monica im Kibbuz Gvat atmete erleichtert auf, als ihr die Nachricht über den Äther zu Ohren kam, die Jordanier seien auf dem Rückzug. »Das meiste war ja geheim und konnte nicht im Radio gesagt werden. Aber wenn etwas kam, haben wir es verschlungen und gleich an alle weitergegeben.«
An Tag drei bekam Danis Einheit den Befehl, sofort in Richtung Norden zu fahren. Jetzt galt es, gegen die Syrer ins Feld zu ziehen. Auf dem Weg dorthin sah er die Bilder, die er sein Leben lang nicht mehr vergessen sollte: Ein großer Teil des israelischen Erfolges lag in der Luftdominanz, und das Ergebnis war nicht zu übersehen. »Wir mussten Slalom entlang der jordanischen Panzer fahren, die von unseren Jets abgeschossen worden waren«, so der Veteran. »Auch wenn es der Feind war, diese vielen Toten waren ein grausiges Bild.«
Auf den Golanhöhen angekommen, war das Schlimmste vorüber. Die berühmte Golani-Einheit hatte die feindlichen Nachbarn nach heftigen Kämpfen in die Flucht geschlagen. Es habe noch hier und da Scharmützel gegeben, doch eigentlich war der Krieg vorbei. »Und ich wollte nur noch nach Hause zu Monica.« Aber der eroberte Golan durfte nicht unbewacht bleiben, Danis Gesuch, für ein oder zwei Tage frei- zubekommen, wurde abgelehnt. Erst ei-
nen Monat nach Kriegsende kam er zu-
rück nach Gvat.
»Es war mein erster Krieg«, so Hadari, »und damals waren wir fest davon überzeugt, dass dies auch mein letzter sein würde.« Niemals würden uns die Araber nach dieser fundamentalen Niederlage noch einmal angreifen. »Wir haben aus tiefstem Herzen Halleluja gerufen, als alles vorbei war.« Es sei wie ein Wunder gewesen, meinen beide übereinstimmend, dass es so schnell ging und in einem derart überragenden Sieg für Israel geendet habe. »Vor allem aber«, sagen sie und lächeln, »dass sieben Monate später das größte Wunder geschehen ist: die Geburt unseres gesunden Sohnes Halel – unser persönliches Halleluja.«

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